Pünktlich zur Jahreswende kommen negative Prognosen für den Obligationenmarkt auf – das habe fast schon Tradition, findet Jim Leaviss vom britischen Asset Manager M&G. Aber ist wirklich alles so grau?

Von Jim Leaviss, Head of Retail Fixed Interest bei M&G Investments

Viele Anleiheinvestoren schauen mit Sorge auf 2015 – doch wie bedrohlich sind die Aussichten auf Zinserhöhungen in den USA oder die Sorgen vor einer Deflation in den Industrieländern wirklich?

In den USA hat das Ende des Quantitative-Easing-Programms weder der Wirtschaft noch der Währung geschadet. Im Gegenteil: Die US-Wirtschaft wächst, und der Dollar setzt offenbar gerade zu einem neuen Höhenflug an.

Anpassungsfähig bleiben

Doch während wir bei M&G die amerikanische Währung weiterhin sehr schätzen, sind wir amerikanischen Staatsanleihen gegenüber eher skeptisch eingestellt: Eine Möglichkeit, sich die Dollar-Stärke und mögliche Zinserhöhungen der US-Notenbank zunutze zu machen, bieten Floating Rate Notes, also Anleihen, deren Zinsniveau sich regelmässig an die Entwicklung anpasst.

Ein weiteres, aktuell sehr beliebtes Instrument zur Diversifizierung sind hybride Papiere, die Merkmale von Eigen- und Fremdkapital vereinen, wie etwa CoCo-Bonds (Contingent Capital Notes) oder AT1s (Additional Tier 1 Notes). Dieses Segment ist 2014 in Europa am stärksten gewachsen: Wenn der Kaufpreis stimmt und die Titel gewissenhaft ausgewählt werden, können sie in einem diversifizierten Anleihenportfolio für zusätzliches Risiko und damit Erträge sorgen.

Wie ein gigantisches Wirtschafts-Förderungsprogramm

Eine mögliche Deflation sorgt zurzeit wohl für die grössten Ängste. Steuert der Westen auf japanische Verhältnisse zu? In allererster Linie beruht die schwache Preisentwicklung etwa in der EU oder in den USA auf dem Verfall des Ölpreises. Nach meiner Einschätzung wirkt dieser Preisverfall jedoch gleichzeitig wie ein gigantisches Wirtschaftsförderungsprogramm für die Industrieländer.

Die fallenden Preise bescheren der Weltwirtschaft einen Schub in der Grössenordnung von 200 Milliarden Dollar. Ausserdem hat insbesondere die EZB noch nicht alle ihre Pfeile verschossen. Sollte die Inflation nächstes Jahr nicht anziehen, so ist mit massiven QE-Massnahmen zu rechnen, was die Spreads für spanische und italienische Anleihen noch einmal einengen dürfte.

Leicht verdientes Geld ist vorbei

Bei Unternehmens- und Hochzinsanleihen ist die Zeit des leicht verdienten Geldes jedenfalls vorbei. Seit dem Höhepunkt der Kreditkrise sind die Spreads im Investment-Grade-Segment von ihrem Höchststand bei 511 Basispunkten im Jahr 2008 auf heute rund 123 Basispunkte gefallen. Im High-Yield-Segment fielen sie im gleichen Zeitraum von 2'193 auf 488 Basispunkte.

Die gute Nachricht: In jeder Kategorie, ausser jener mit «CCC» bewerteten Anleihen, werden Anleger immer noch im Übermass für das Ausfallrisiko entschädigt. Allerdings dürfte dabei insbesondere eine Illiquiditätsprämie ins Gewicht fallen. Das ist für langfristige Anleger nicht unbedingt ein Problem, könnte aber auf kürzere Sicht zu erhöhter Volatilität führen.