Solange die Aktienmärkte steigen, dürfte auch das Fusions- und Übernahmekarussell munter weiterdrehen. Daraus ergeben sich für flinke Investoren gute Gelegenheiten.

Von Laurent Bakhtiari, Marktanalyst bei der IG Bank(Bild©Shutterstock)

Die Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) in der Firmenwelt haben in den vergangenen Wochen sowohl international als auch in der Schweiz markant zugenommen. Laut dem Analyseunternehmen Dealogic kam es allein im ersten Quartal 2015 weltweit zu gut 20 Prozent mehr Transaktionen als ein Jahr zuvor. In der Schweiz war dieser Trend mit einem Plus von sagte und schreibe knapp 135 Prozent noch erheblich deutlicher.

Es ist auch anzunehmen, dass die M&A-Aktivitäten vorläufig weiter zunehmen dürften. Denn solange die Aktienmärkte steigen, wird auch die Zahl der Deals aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso zunehmen. Denn viele Firmen nutzen ihre eigenen Aktien, um andere Unternehmen zu übernehmen.

Die grösste Übernahme seit Jahrzehnten

Europa (344 Milliarden Dollar) hinkt zwar Nordamerika (609 Milliarden Dollar) bezüglich der Transaktionswerte noch hinterher. Doch die Zahl der Aktivitäten und Angebote ist in Europa mittlerweile auch hoch und verzeichnet erst einen anhaltenden Aufwärtstrend. 

In jüngster Zeit fanden folgende Übernahmen respektive Fusionen statt: Nokia übernahm Alcatel, Shell kaufte BG Group (die grösste Übernahme seit Jahrzehnten), und Lafarge fusionierte mit Holcim. Zudem läuft nach wie vor der mittlerweile etwas verunglückte Versuch der Sika-Eignerfamilie, ihr Unternehmen dem französischen Konzern Saint-Gobain zu veräussern.

Trügerische Logik

Angesichts der anhaltend tiefen Öl- und Gaspreise müssen sich zudem verschiedene Firmen überlegen, ob sie mit einer allfälligen Übernahme ihre Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit noch erhöhen respektive absichern können. Die Übernahme, die Shell bereits tätigte, könnte die erste in einer ganzen Reihe von weiteren Transaktionen sein.

Für Unternehmen, die sich entweder gerüchteweise oder tatsächlich in einem Übernahmeprozess befinden, besagt die Logik, dass der Aktienpreis des Verkäufers steigt, und dass der Aktienpreis des Käufers fällt (da letztere für die Übernahme einen höheren Preis als den aktuellen Marktpreis für das Übernahmeziel bezahlen müssen. Doch oftmals bleibt dies auch nur Theorie.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Tatsächlich hängt es vom jeweiligen Deal ab, und, ob der Markt diese Transaktion als wertsteigernd oder wertmindernd einschätzt.

Man schaue sich nur den Aktienkurs von Alcatel in der vergangenen Woche an: Nach der Ankündigung der Übernahme durch Nokia, fiel er um ganze 15 Prozent. Oder Geberit: Der Aktienkurs des Sanitär-Konzerns stieg im vergangenen Oktober unmittelbar nach der Ankündigung die Firma Sanitec zu übernehmen.

Schnell handeln

Wenn ein Investor glaubt, dass ein Mehrwert geschaffen wird, und der Käufer eine Prämie dem Verkäufer bezahlt, kann es durchaus interessant sein, die Aktien des zu übernehmenden Unternehmens zu erwerben.

Der Investor muss allerdings schnell handeln, da der Markt in der Regel den Kurs innerhalb kürzester Zeit korrigiert. Auf längere Sicht sollte der Anleger seine Kauf- respektive Verkaufsentscheidung auf eine Analyse der neu gebildeten Gesellschaft stützen.

Hat Novartis neue Ambitionen?

In der Schweiz kursieren viele Gerüchte, wonach das deutsche Spezialistätenchemie-Unternehmen Evonik den hiesigen Konkurrenten Clariant übernehmen könnte. Falls dieser Deal tatsächlich stattfindet, würde Evonik zu einem ganz grossen Player in der Branche avancieren. 

Allerdings hat der Franken nach der Aufgabe der Euro-Untergrenze am 15. Januar 2015 rund 15 Prozent an Wert gewonnen, was europäische Unternehmen für Schweizer Firmen erschwinglicher macht. So kündigte Novartis-CEO Joe Jimenez an, dass sich «sein» Unternehmen nicht vollständig aus dem «M&A-Spiel» verabschiedet habe.

Was nicht war, könnte jetzt werden

Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass die Wechselkursschwankungen manche Konzernchefs dazu verleiten können, über gescheiterte Fusionen nochmals nachzudenken. Als gutes Beispiel sei hier der seinerzeit nicht zustande gekommene Schulterschluss zwischen Monsanto und Syngenta erwähnt.