Die ersten sechs Monate 2015 waren bewegt. Sehr wahrscheinlich wird es genauso weitergehen. In seinem «Panoramic Outlook» wirft Jim Leaviss von M&G einen Blick auf die Eurozone und die Schwelländer. «Value» findet er allerdings eher woanders.

Jim Leaviss ist Head of Retail Fixed Interest bei M&G Investments

Über die vergangenen Jahre haben die Entscheidungsträger in der Eurozone de facto auf Deflation hingearbeitet – vom Verzögern nötiger Strukturreformen bis hin zur deutschen Begeisterung für die schwarze Null.

Doch nun kommen endlich positive Nachrichten, allem voran die Auflegung eines möglicherweise unbegrenzten Quantitative-Easing-Programms durch die EZB.

Raus aus der Deflation in Europa

Vielleicht noch besser ist die Nachricht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Kaufprogramm für Asset-Backed Securities (ABS) noch gar nicht richtig begonnen hat: Dieses Programm wird vielleicht nur langsam Fahrt aufnehmen, aber es wird Druck von den Banken nehmen, ihre Profitabilität erhöhen und damit eine verstärkte Kreditvergabe ermöglichen.

Passend dazu hat die Eurozone nach vier Monaten fallender Preise im vergangenen April wieder das Terrain der Deflation verlassen. Mittelfristig sind aber weiterhin zu geringe Inflationsraten eingepreist. Inflationsindexierte Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten bieten damit gegenüber traditionellen Staatsanleihen ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.

Empfindliche Schwellenländer

Seit einiger Zeit schon bin ich Schwellenländern gegenüber kritisch eingestellt, unter anderem wegen der wachsenden Stärke des Dollar und des sich abschwächenden Wachstums in China. Staatsanleihen aus Schwellenländern sind dabei weniger kritisch als Unternehmensanleihen: Viele Länder haben sich in ihrer eigenen Währung verschuldet und sind damit weitgehend Herr ihres Schicksals.

Firmen hingegen haben viel stärker von in Dollar denominierten Anleihen Gebrauch gemacht und damit einen Markt geschaffen, der nach Grösse den US-High-Yield-Markt hinter sich lässt.

Vorsicht vor der US-Zinswende

Viele dieser Unternehmen haben ihre Dollar-Verpflichtungen nicht gesichert und dürften daher besonders empfindlich auf eine US-Zinswende reagieren.

Wie immer kommt es auf eine sorgfältige Einzelfallauswahl an. So haben wir dieses Jahr zum Beispiel mexikanische und kolumbische Anleihen in Lokalwährung gekauft – nach dem massiven Ausverkauf in beiden Währungen 2014.

Pfund untergewichten

Im Jahr 2014 sowie im ersten Halbjahr 2015 ist der starke Dollar ein grosses Thema gewesen. Der Höhenflug dürfte sich fortsetzen, schon wegen der relativen Stärke der US-Wirtschaft und der gegenüber anderen Weltgegenden höheren Wahrscheinlichkeit einer Zinswende.

Ich gehe davon aus, dass die amerikanische Notenbank (Federal Reserve, Fed) unter den grossen Zentralbanken die erste sein wird, welche die Zinsen anhebt – und unterschiedliche Zinssätze werden in den kommenden zwölf Monaten aller Voraussicht nach einer der wesentlichen Treiber für Währungskurse sein.

Ganz anders ist die Situation für das britische Pfund. Das britische Defizit, eine zögerliche Bank of England und das drohende Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union (EU) dürften dem Pfund zusetzen. Darum bleiben wir in Sterling untergewichtet.

Value in Anleihen

Die geldpolitischen Lockerungsmassnahmen (Quantitative Easing) verändern das Verhalten der Investoren. Die unter Druck geratenen Staatsanleihen-Renditen verführten Anleger dazu, höhere Risiken zu suchen. Nachdem High-Yield-Anleihen 2014 nicht performt haben, sehen wir in den letzten Monaten wieder Value in diesem Segment – allerdings nur bei sorgfältiger Einzelauswahl.

Die Nachfrage nach diesen Titeln sollte weiter steigen, schon wegen der Massnahmen der EZB und der Bank of Japan.

Grosses Emissionsvolumen

Ein ideales Anlageinstrument in diesem Umfeld sind Floating Rate Notes, also Anleihen mit variablen Zinssätzen, um sich gegen Verwerfungen im Anleihenmarkt zu wappnen, etwa die erwartete Fed-Zinswende.

Doch auch in konventionellen US-Unternehmensanleihen findet sich Wert («Value»): Die Spreads in den USA haben sich 2014 ausgeweitet, teilweise wegen des grossen Emissionsvolumens und der Auswirkungen des Ölpreis-Kollapses auf Energieunternehmen. Investment-Grade-Unternehmensanleihen sind im Moment attraktiv, gemessen an technischer Analyse, Bewertungen und Fundamentaldaten.


Jim Leaviss ist Leiter des Bereichs Retail Fixed Interest für die Investmentfonds des Asset Managers M&G. Er stiess 1997 zum Unternehmen, nachdem er fünf Jahre bei der Bank of England tätig gewesen war. Leaviss betreut den M&G Global Macro Bond Fund sowie den M&G Gilt and Fixed Interest Income Fund. Ausserdem ist er Co-Manager der M&G Inflation Linked Corporate Bond Fonds.