Besteht eine Verbindung zwischen den Aktienrenditen und den Renditen inflationsgebundener Anleihen? Auf risikobereinigter Basis sollten die einzelnen Anlageklassen ähnliche Erträge aufweisen, sagt Jim Leaviss von M&G Investments.

Jim Leaviss ist Head of Retail Fixed Interest bei M&G Investments

Bei Aktien und indexgebundenen Anleihen bieten beide Anlageklassen «reale» Erträge in Form laufender Einnahmen und einem Kapitalwachstum. Bei indexgebundenen Anleihen ist dies im Anleihenkontrakt ausdrücklich formuliert.

So werden die Coupons ebenso wie der Rückgabeerlös an den meisten anderen Märkten durch den Verbraucherpreisindex nach oben getrieben. Bei Aktien ist dieser Zusammenhang zwar nicht so ausgeprägt, aber durchaus relevant.

Teil der realen Wirtschaft

Erwirbt man eine Aktie, so sollte dies mit einer Ausrichtung auf die «reale» Wirtschaft einhergehen. Wenn die Inflation dann steigt, können Unternehmen die Preise der Waren anheben, die sie verkaufen. Gleichzeitig sollte auch der Wert ihrer Aktiva (Lagerbestände, Maschinen, Immobilien, Patente) nach oben klettern.

Parallel dazu sinkt der reale Wert einiger Verbindlichkeiten – zum Beispiel Schulden – was für andere Verbindlichkeiten wie Löhne jedoch nicht gilt. Da der Besitz der Aktien eines Unternehmens im Prinzip aber dasselbe ist wie der Besitz eines Teils der Realwirtschaft, sollten Gewinne und Dividenden bei einem Anstieg der Inflation ebenfalls zulegen.

Ein Blick auf die Dividendenrendite

Die Analyse zeigt, dass die Dividendenrendite des FTSE 350-Index derzeit über 400 Basispunkte höher ist als die von 10-jährigen indexgebundenen Gilts, die momentan sogar eine negative Rendite aufweisen.

Auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase war dieses Verhältnis kurzzeitig umgekehrt – seinerzeit erhielt man für britische Staatsanleihen höhere Renditen als für vergleichsweise riskante Aktien. Seitdem sind die Aktienrenditen gegenüber den Anleihenrenditen aber tendenziell wieder angestiegen.

Volatilität in der Nähe des Rekordtiefs

Diese beträchtliche Bewertungsdiskrepanz könnte dafür sprechen, dass Aktien im Vergleich zu Anleihen mittlerweile als wesentlich riskanter wahrgenommen werden als noch vor einem Jahrzehnt. Tatsächlich aber liegen die Zinsdifferenzen mit Blick auf den aktuellen Zyklus derzeit in etwa auf einem Tief (so dass eine hohe Dividendenrendite vielleicht doch nicht bedeutet, dass der Aktienmarkt von einer Vielzahl von Unternehmenspleiten ausgeht).

Gleichzeitig befindet sich der VIX-Index (eine Kennzahl für die implizite Volatilität von Aktien) in der Nähe eines Rekordtiefs. Wir möchten aber darauf hinweisen, dass sich Aktien in den 1970er-Jahren – einer Phase der galoppierenden Inflation – trotz des Zusammenhangs zwischen den Dividenden und der Teuerungsrate wirklich schrecklich entwickelt haben. Denn obwohl die Dividenden seinerzeit angestiegen sind, wurden die Erträge durch einen Zusammenbruch der Aktien-KGVs wieder zunichte gemacht.

Ersparnisschwemme schafft Irritationen

Vielleicht muss man im Hinblick auf eine wirklich abschliessende Erklärung für das 4-prozentige Renditeaufgeld die ausserordentlichen geldpolitischen Massnahmen (einschliesslich der QE-Politik) berücksichtigen, die weltweit umgesetzt worden sind.

Angesichts einer wahren «Ersparnisschwemme» haben diese Massnahmen nämlich zu negativen nominalen Renditen geführt. Dadurch wiederum sind auch die realen Anleihenrenditen in Mitleidenschaft gezogen worden. In diesem Zusammenhang war auch eine ungewöhnlich hohe Nachfrage von Pensionsfonds nach «sicheren Häfen» zu beobachten.

Pensionskassen bauen Risiko ab

Nachdem diese über Jahre hinweg strukturell sozusagen «auf der falschen Seite» der Aktien/Anleihen-Gleichung gestanden haben (also im Vergleich zu ihren an die Anleihenrenditen sowie die Inflation gekoppelten Benchmarks zu viele Aktien hielten), findet bei den Pensionsfonds derzeit ein Risikoabbau statt, weil leistungsorientierte Vorsorgeprogramme allmählich fällig werden.

Vor diesem Hintergrund ist bei indexgebundenen Anleihen momentan eine strukturelle Nachfrage zu verzeichnen, und zwar insbesondere in Grossbritannien und den Niederlanden.

Dank der ungebremsten Rallye bei indexgebundenen Gilts sind die Rendite-Spreads am Markt auf immer neue Hochs geklettert. Mit Blick auf das Bewertungsniveau würde man wahrscheinlich die Dividendenrendite von 3,8 Prozent plus das Wachstum des FTSE 350-Index einer inflationsgebundenen Rendite 10-jähriger indexgebundener Gilts in Höhe von -0,8 Prozent vorziehen.


Jim Leaviss ist Leiter des Bereichs Retail Fixed Interest für die Investmentfonds des Asset Managers M&G. Er stiess 1997 zum Unternehmen, nachdem er fünf Jahre bei der Bank of England tätig gewesen war. Leaviss betreut den M&G Global Macro Bond Fund sowie den M&G Gilt and Fixed Interest Income Fund. Ausserdem ist er Co-Manager der M&G Inflation Linked Corporate Bond Fonds.