Fachleute sind sich heute uneins, wie man Vermögenswerte bewerten soll. Dadurch werden stimmungsgetriebene Schwankungen noch eine Weile anhalten, sagt Juan Nevado, Fondsmanager von M&G.

Juan Nevado ist Manager des M&G Dynamic Allocation Fund und des M&G Prudent Allocation Fund

Derzeit sehen sich die Investoren mit einem unsicheren Umfeld konfrontiert. Hinter uns liegt eine für die Finanzmärkte wirklich aussergewöhnliche Phase: Den Anlegern steckt der Schock des Jahres 2008 immer noch in den Knochen. Dadurch ist auch die Risikowahrnehmung stark verzerrt worden.

In Verbindung mit den Interventionen beispiellosen Ausmasses, welche die Notenbanken in den letzten Jahren umgesetzt haben – und wegen der möglicherweise heftigen Turbulenzen, die eine Beendigung dieser Interventionen zur Folge haben könnte – sind die Asset-Preise deshalb nach wie vor stark verzerrt.

Bewertungsniveaus durcheinander

Wir haben es momentan mit einem Umfeld eines äusserst instabilen Ungleichgewichts zu tun, in dem die extrem niedrigen Barzinsen an den etablierten Märkten das Bewertungsniveau sämtlicher Anlageformen weltweit durcheinandergebracht haben. Inzwischen werden viele Vermögenswerte praktisch so bepreist, als wären die derzeit niedrigen Zinsen ein dauerhafter Zustand.

Allmählich steuern wir aber bereits auf eine Situation zu, in der sich das Zinsniveau an Märkten wie den USA demnächst wieder etwas «normalisieren» dürfte – obwohl wir den genauen Zeitpunkt einer solchen Entwicklung natürlich nicht kennen.

Was sagen Preise über Anlageformen aus?

Zwar könnten viele Vermögenswerte durch eine Zinsanhebung unter Druck geraten. Es könnte aber auch dann zu ausgeprägten Wertschwankungen kommen, wenn die Zinsen noch länger als erwartet niedrig bleiben sollten. Deshalb könnten es entweder so oder so kommen, wobei sich das mögliche Ergebnis nur sehr schwer prognostizieren lässt.

Anstatt jedoch zu versuchen, geldpolitische Entscheidungen oder die Reaktion des Marktes darauf vorherzusagen, halten wir es für hilfreicher, einmal der Frage nachzugehen, was die aktuellen Asset-Preise unter Berücksichtigung des derzeitigen Wirtschaftsumfelds über die Attraktivität der unterschiedlichen Anlageformen aussagen.

Schmerzhafte Erfahrungen

Viele Segmente der Kernmärkte für Staatsanleihen sind nach wie vor unattraktiv, weil sogar ehemals als «sichere Häfen» angesehene Bereiche wegen der extrem niedrigen Renditen mittlerweile einen recht riskanten Eindruck machen. Gleichzeitig sind die Risikoaufgelder trotz der festen Tendenz, welche die Aktienmärkte in den letzten Jahren vorgelegt haben, oftmals immer noch übertrieben hoch.

Den Anlegern fällt es nämlich weiterhin schwer, die Anzeichen für sich langsam wieder verbessernde Fundamentaldaten gegen die schmerzhaften Erfahrungen abzuwägen, die sie zuletzt machen mussten. Bereits seit einer Weile stellen wir eine grundsätzliche Attraktivität von Aktien im Vergleich zu Anleihen fest.

Angesichts eines Umfelds eines zwar schleppenden, aber insgesamt wieder anziehenden Weltwirtschaftswachstums, einer nach wie vor sehr lockeren Geldpolitik sowie einer weltweit grösstenteils niedrigen Inflation bieten die aktuellen Risikoaufgelder von Aktien eine übertrieben hohe Kompensation für das tatsächlich zugrunde liegende Risiko.

Misstrauen gegen Konjunkturerholung

Natürlich kann niemand mit Sicherheit wissen, welche Zukunft den Märkten bevorsteht. Da die Stimmung der Anleger aber momentan durch eine sehr grosse Verunsicherung belastet wird, dürften die stimmungsgetriebenen Wertschwankungen noch eine Weile anhalten.

Die Investoren können nur schwer nachvollziehen, wie Vermögenswerte unter solchen Bedingungen bewertet werden «sollten». Offenbar trauen die Anleger der allgemeinen Konjunkturerholung also nicht. Dies spiegelt sich auch in den fehlenden Investitionsausgaben seitens der Unternehmen wider.

Unserer Einschätzung nach ist es aber weniger der zugrunde liegenden Situation als vielmehr der jüngsten Kursentwicklung selbst zuzuschreiben, dass man am Markt inzwischen wieder von einer Baissephase spricht. Schaut man sich ausserdem die aktuelle weltwirtschaftliche Lage an, so erkennt man eine klare Differenzierung zwischen Asien und den Schwellenländern auf der einen sowie den USA und Europa auf der anderen Seite.

Schwankungen eröffnen Anlagechancen

Ganz grundsätzlich sorgt man sich zwar um die möglichen Auswirkungen eines stagnierenden Wachstums in China. Die kann derzeit niemand abschätzen.

Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass diese Folgen so schlimm sein werden wie es einige befürchten. Obwohl die Situation in China dessen unmittelbare Nachbarländer durchaus belasten könnte, halten wir das Ausmass, in dem diese Entwicklung die Binnennachfrage in den Industriestaaten beeinträchtigen könnte, aber für lediglich begrenzt.

Dies gilt vor allem im Vergleich zu den potenziellen Konsequenzen eines Konjunkturabschwungs in einer der bedeutenden Industrienationen. Aus diesem Grund beurteilen wir die Aussichten für die Weltwirtschaft insgesamt nach wie vor recht zuversichtlich.

Instabiles Umfeld

Unter dem Strich haben wir es momentan also mit einem offensichtlich instabilen Umfeld zu tun, in dem sich die Aufmerksamkeit grösstenteils auf die Frage richtet, was die geldpolitischen Entscheidungsträger wohl als nächstes tun werden. Deshalb sollten Anleger auf kurze Sicht zwar mit ausgeprägten Wertschwankungen rechnen, sich gleichzeitig aber auch darauf einstellen, dass sich dadurch Anlagechancen eröffnen können.

Aus diesem Grund könnten wirklich breit gestreute, sorgfältig diversifizierte Multi Asset-Fonds, die zusätzlich noch über die notwendige Flexibilität verfügen, auf sich rasant verändernde Umfelder zu reagieren, am besten positioniert sein, um zukünftigen Turbulenzen zu trotzen.