Wie kann eine Regierung, die vor sechs Monaten noch die Fusion von SFR und Bouygues verweigerte, nun eine Übernahme von Bouygues durch Orange genehmigen, wo der französische Staat Mehrheitsaktionär ist?

Von Laurent Bakhtiari, Marktanalyst bei der IG Bank

Am 7. Dezember 2015 berichtete die Nachrichtenagentur «Bloomberg», dass Orange und Bouygues sich in Übernahmegesprächen für die Telekom-Abteilung von BTP befänden. Am Dienstag, 5. Januar 2016 wurde dieses Gerücht dann bestätigt – nur wenige Monate, nachdem das Angebot Ende Juni 2015 von SFR zur Übernahme von Bouygues für 10 Milliarden Euro abgelehnt worden war.

Aber dieses Mal ist der Fall anders, da Bouygues angeblich eine 15-prozentige Beteiligung am Grundkapital von Orange erhalten soll. Damit wäre Bouygues der zweitgrösste Aktionär der Gruppe. Technisch gesehen, könnte das Unternehmen laut Pressemitteilung im Telekommunikationssektor bleiben.

Mehr Fragen als Antworten

Denn Bouygues gab bekannt, «...dass es an Gelegenheiten interessiert sei, die es ermöglichen, die langfristige Präsenz in der Telekommunikationsbranche zu stärken und dass Vorgespräche mit Orange bereits begonnen haben um sich die vorhandenen Optionen anzuschauen. Daher wurde eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen Bouygues und Orange unterzeichnet.»

Aber darüber hinaus, dass die Fusion durchaus Möglichkeiten bietet, werfen diese Diskussionen doch mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern. Wie wir bereits berichteten, wollte Altice 10 Milliarden Euro zur Übernahme von Bouygues zu zahlen.

Eigene Aktien im Austausch

Gemäss unserer Einschätzungen, die wir zu den Aktien von Bouygues Telecom haben, schien uns der Preis angemessen, jedoch wäre es nicht abwegig zu behaupten dass dieser Betrag noch hätte steigen können. Allerdings lehnte Bouygues das Angebot damals ab. Heute scheint Orange, mit dem gleichen Preisvorschlag zurückzukommen.

Und selbst wenn das Unternehmen seine eigenen Aktien im Austausch anbietet, wäre dies wirklich ausreichend? Auf den ersten Blick sind wir nicht dieser Meinung.

Widersprüche der Regierung

Auf französischer und europäischer Ebene ist sicher, dass die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, sowie die französische Wettbewerbskommission die Übernahme im Detail begutachten werden. Denn die neue Gruppe würde durch die Fusion fast 35 Millionen Kunden haben und knapp 50 Prozent des Marktanteils ausmachen. Vestager hat denn auch erklärt, dass sie eine supranationale Konsolidierung bevorzugen würde.

Die schwerwiegendsten Widersprüche befinden sich in der Regierung. Wie kann eine Regierung, die vor sechs Monaten noch die Fusion von SFR und Bouygues verweigerte (sie selbst nannte es eine «opportunistische Versöhnung»), nun eine Übernahme des Letzteren von Orange, in der der Staat Mehrheitsaktionär ist, genehmigen?

Toleriert der Staat Entlassungen?

Wie kann der Staat akzeptieren, dass seine Beteiligung an Orange fast das gleiche Niveau wie das von Bouygues erreicht? Wie kann eine Regierung, die immer wieder ausdrücklich den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit betont, eine solche Fusion, die sicher auch mit Entlassungen verbunden ist, genehmigen?

Das Ganze bleibt äusserst widersprüchlich. Doch diese Fragen müssen zwingend geklärt werden, damit die Regulierungsbehörden und die Öffentlichkeit diese Fusion akzeptieren überhaupt können.