Die Mitglieder der Europäischen Zentralbank machen sich mittlerweile nicht mehr nur Sorgen über eine zu schwache Inflation, sondern sprechen sogar schon vom Beginn einer Deflation.

Von Laurent Bakhtiari, Marktanalyst bei der IG Bank

Am 29. Februar 2016 wurden die Inflationsdaten für die Eurozone veröffentlicht. Sie lagen unter den Erwartungen. Tatsächlich betrug der Wert -0,2 Prozent, während die Analysten im Durchschnitt 0 Prozent erwartet hatten.

Dies ist der niedrigste Wert seit Februar 2015 und seit letztem September das erste Mal, dass diese Zahl negativ ist. Wenn wir sie ohne Nahrungsmittel und Energie (die von Natur aus zyklisch sind) betrachten, können wir sehen, dass es das niedrigste Niveau seit April 2015 ist. Verantwortlich für diese rückläufige Inflation sind nach wie vor die gleichen Faktoren: Öl auf einem sehr niedrigen Niveau sowie eine schwache Konsumnachfrage.

Das «verbotene» Wort

Die Mitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) machen sich mittlerweile nicht mehr nur Sorgen über eine zu schwache Inflation, sondern sprechen sogar schon vom Beginn einer Deflation. Es war der neu ernannte Gouverneur der französischen Nationalbank, Francois Villeroy de Galhau, der kürzlich das «verbotene Wort» als Erster in den Mund nahm.

Sein Ziel war es, darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit besteht, zusätzliche unkonventionelle Massnahmen zu ergreifen und dies bereits im März geschehen sollte.

Mario Draghi wird handeln

Die Idee von einer Erhöhung des zugewiesenen Betrags für das Quantitative Easing (QE) ist nicht neu. Anfang Dezember enttäuschte die EZB die Märkte, da sie nur geringe Massnahmen (niedrigeren Einlagensatz und eine Verlängerung von QE um sechs Monate) bekanntgegeben hatte und den Betrag für QE unverändert liess.

Seitdem scheint es so, als würde EZB-Präsident Mario Draghi die Situation überdenken. Tatsächlich sagte er am 15. Februar 2016, dass die EZB bei der nächsten Sitzung am 10. März im Falle sinkender Inflation und Ölpreise, «nicht zögern werde, zu handeln». Allerdings hat er keine Angaben darüber gemacht, wann diese Aktionen umgesetzt werden sollen.

Munition aufgespart

Wir schliessen daraus, dass die Inflationszahl im Februar eine entscheidende Rolle hinsichtlich der Entscheidung der EZB in ein paar Tagen spielt. Es bestehen wohl nur sehr geringe Zweifel, dass die EZB reagieren und handeln muss. Draghi hat sich im Dezember Munition aufgespart, um wenige Monate später, zuerst die Situation genau bewerten zu können. Die Entscheidung war verständlich, aber nun ist es erforderlich, dass der EZB-Präsident die Dinge in die Hand nimmt.

Die eigentliche Frage, die sich jedoch stellt ist, was man von diesem Ereignis erwarten kann. Und hier gehen die Meinungen im Markt weit auseinander. Konkret hat die EZB nur zwei Lösungen: den Leitzinssatz zu senken oder das monatliche QE zu erhöhen.

Ein unerwarteter Schritt

Derzeit pumpt die EZB 60 Milliarden Euro pro Monat in die Wirtschaft, indem sie vor allem Staatsanleihen kauft. Es scheint, dass sich ein Konsens hinsichtlich einer Erhöhung dieser Zahl gebildet hat, was auch logisch erscheint, da es das einzige ist, was die EZB letzten Dezember nicht verändert hat.

Es ist allerdings noch keine neue Zahl durchgesickert. Derzeit erscheint es unwahrscheinlich, dass die EZB den Leitzinssatz oder die Dauer des QE ändern wird. Sie könnte einzig vielleicht den Leitzinssatz weiter senken, was aber ein sehr unerwarteter Schritt wäre und die Märkte womöglich überraschen würde.

Hohe Volatilität erwartet

Daher sieht für uns die Situation folgendermassen aus: Der Markt weiss, dass die EZB in ein paar Tagen handeln wird, was auch die jüngsten Bewegungen hinsichtlich des Euro erklärt. Aber wir wissen noch nicht, in welchem Umfang sie reagieren wird.

Daher gibt es noch viele Unsicherheiten und dies wird zweifellos zu einer hohen Volatilität hinsichtlich der Währung führen. Ein Investor, der nach Volatilität sucht, kann rund um den 10. März jedenfalls damit rechnen, dass der Euro sich sicher stark in die eine oder andere Richtung bewegen wird.