Der traditionelle Kundenberater steht unter Druck, nicht zuletzt auf Grund von neuen Technologien wie automatisierter Beratung (Roboadvisor), algorithmischem Handel oder Social Media. Doch die traditionellen Stärken des Schweizer Banking sind ebenso Grundlage für den künftigen Erfolg wie der Einsatz neuer Technologien. 

Von Jürg Frick, Senior Partner, Deloitte

Kostendruck, steigende internationale Konkurrenz und technologischer Fortschritt – es steht ausser Frage, dass sich das Berufsbild des Kundenberaters weiterentwickeln muss. Zwischen Tradition und Technologie zu stehen, bedeutet dabei nicht nur Herausforderung.

Im Gegenteil, es sind gerade die traditionellen Stärken, die es Banken und Kundenberatern erlauben, sich von standardisierten, automatisierten Lösungen abzuheben. Umgekehrt ermöglichen es neue Technologien, diese Stärken noch besser zur Geltung zu bringen.

Dies bedingt jedoch, diese traditionellen Stärken zu erkennen und zu pflegen. Dies ist nicht nur Aufgabe der jeweiligen Kundenberater, es ist gerade auch Aufgabe der Banken, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die die Herausbildung dieser Stärken fördern. Worin liegen diese?

Traditionelle Stärken des Schweizer Banking…

Von zentraler Bedeutung sind Informationsdichte und Netzwerk. Ein Kundenberater muss seine Kunden kennen, besser verstehen als es ein Algorithmus kann, und mehr andere Informationen haben als in Datenbanken erfasst werden. Natürlich muss er sich das Vertrauen der Kunden erarbeiten und die Kundenbeziehung pflegen.

Wie jede menschliche Beziehung, ist die Kundenbeziehung eine Investition mit letztlich offenem Ausgang. Gerade aber weil sie nicht einfach, kostengünstig und risikolos ist, ist eine gute (Kunden)beziehung so wertvoll. Auf Grund der hohen Kosten ist dies nicht in allen Kundensegmenten möglich, umgekehrt ist es bei Kunden mit hohem Vermögen unabdingbar.

Mit Hilfe dieses Informationsvorsprungs kann ein Kundenberater eine systematischere und detailliertere Segmentierung des Kundenportfolios vornehmen als es ein zentral vorgegebenes Schema erlauben würde. Ebenso wird ein besseres Produktmatching ermöglicht.

Wachsende Bedeutung von Netzwerken

Ein gut informierter Berater weiss damit besser, wie, wie oft und womit Kunden angesprochen werden sollten, welche Produkte Kunden wirklich wollen und brauchen. Auf diese Weise werden nicht nur Verkäufe erleichtert, vielmehr initiiert ein informierter Berater Produktideen für die eigene Bank. Ideen, deren Nutzen erwiesen ist, eben weil sie auf Kundenwünschen basieren.    

Der verstärkte Einsatz von Technologie verdrängt diese traditionellen Stärken nicht, sondern eröffnen umgekehrt neue Technologien die Möglichkeit, bestehende Wettbewerbsvorteile auszubauen.

Ein Trend hierbei dürfte zunehmende Bedeutung von Netzwerken und der veränderten Rolle von Kundenberatern innerhalb dieser Netzwerke sein. Anstatt grösstenteils bi-direktional auf einen Kunden ausgerichtet zu sein, wird es künftig verstärkt darum gehen, einzelne Kunden und deren Interessen zusammenzubringen.

Ohne das Netzwerk und das detaillierte Wissen über Kundenbedürfnisse wären derart massgeschneiderte und individuelle Geschäfte unmöglich. Der Kundenberater wandelt sich vom reinen Verkäufer von standardisierten Produkten zum Berater, Ideenlieferant, Vermittler und Katalysator von Kundengeschäften.

…ergänzt durch neue Technologien…

Neue Technologien lassen sich hier komplementär einsetzen. So eignen sich Social Media hervorragend um den Paradigmenwechsel in Richtung verstärkter Nutzung von Netzwerken zu unterstützen. In der Beratung dürfte gleichermassen die Bedeutung von Roboadvisor stetig zunehmen und im Retail-Bereich zum Standard werden. Kundenberatung und Kundenerlebnis lassen sich hierdurch vergleichsweise kostengünstig steigern.

Je höher das Kundenvermögen, desto stärker dürfte eine automatisierte Beratung gleichzeitig durch Kundenberater ergänzt werden. Um den Kundennutzen zu maximieren, müssen letztere in der Lage sein, mit automatisierten Systemen friktionslos zusammenzuarbeiten, deren Stärken zu nutzen und gleichzeitig darüber hinaus zu gehen – indem standardisierte Ergebnisse auf die individuellen Kundenpräferenzen und Bedürfnisse zugeschnitten werden.  

…erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Private Banking

Kundenberater werden so nicht durch automatisierte Prozesse ersetzt sondern ergänzt. Gleichzeitig ändert sich das Anforderungsprofil: Ein Berater wird umso erfolgreicher seiner, je besser er sowohl die traditionellen Stärken als auch die neuer Technologien für seine Kunden nutzen kann.

Gleiches gilt auch für das Schweizer Banking insgesamt. Zukünftiger Erfolg liegt nicht in Tradition oder Technologie, sondern in deren Synthese.  

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