Der Pharma-Sektor steht seit Monaten unter Druck. Und dies, obwohl bei volatilen Finanzmärkten defensive Sektoren gesucht sind, wie Thomas Heller von der Schwyzer Kantonalbank feststellt.

Von Thomas Heller, Anlagechef der Schwyzer Kantonalbank (SZKB)

Die USA sind der grösste Markt für verschreibungspflichtige Medikamente (rund 40 Prozent Weltmarkt-Anteil), und auch die Preise sind im Vergleich zu Europa höher. Für Pharmaunternehmen sind die USA deshalb der lukrativste Markt.

Medikamentenmarkt USA: Deutliches Wachstum
(von 1960 bis 2014, in Milliarden Dollar)

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Volumen verschreibungspflichtige Medikamente USA (Quelle: Bloomberg)

Die hohen Preise sind bei US-Politikern denn auch immer wieder ein Thema. So haben beispielsweise die demokratischen Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Bernie Sanders diesbezüglich mehrfach ihren Unmut kundgetan. Dies hat die Kurse der Pharmatitel belastet.

Politisch interessierte Leser werden sich daran erinnern, dass auch Barack Obama vor seiner ersten Wahl (2008) ähnliche Worte gewählt hatte. Die Preise sind trotzdem auch unter Obama jährlich im zweistelligen Prozentbereich gestiegen. Der politische Einfluss der Pharma-Lobby dürfte auch diesmal dafür sorgen, dass die Wahlkampf-Rhetorik gar nicht oder nur in deutlich abgeschwächter Form umgesetzt wird.

Der Kongress entscheidet

Eine Anpassung gewisser Gesetze, besonders im Zusammenhang mit der staatlichen Alterskasse «Medicare», ist aber wahrscheinlicher geworden. Entscheidend dafür ist aber nicht der Präsident oder die Präsidentin, sondern der Kongress.

Am 8. November werden ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus gewählt, wobei eine demokratische Mehrheit in beiden Kammern am ungünstigsten für den Pharmasektor wäre. Politische Beobachter erachten solch einen Wahlausgang aber als unwahrscheinlich.

Kursbestimmende Faktoren

Zurzeit haben die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat. Ein Umschwung in beiden Kammern wäre sehr aussergewöhnlich. Doch selbst in einer solchen Welt werden innovative und Mehrwert schaffende Präparate noch immer hohe Preise erzielen.

Es ist damit zu rechnen, dass die Diskussion bezüglich der Preise immer wieder aufflammt. Längerfristig werden aber andere Faktoren kursbestimmend sein.

Neue Produkte im Fokus

In der Pharma-Branche ist Innovation der wichtigste Erfolgsfaktor. Um ihre Umsätze und Gewinne zu generieren, müssen die Konzerne sehr viel Geld und noch mehr Zeit investieren. Der US-Branchenverband schätzt, dass die durchschnittlichen Entwicklungskosten für ein marktfähiges Medikament 2,6 MIlliarden Dollar betragen. Zudem dauert der Prozess mehrere Jahre.

Der Weg zur Zulassung ist somit steinig: Nur jedes zehnte Präparat in der ersten klinischen Phase kommt tatsächlich auf den Markt. Erhält ein Medikament eine Zulassung in einem Land beziehungsweise in einer Region, gewähren die entsprechenden Behörden den Pharmafirmen meistens einen zeitlich begrenzten Patentschutz, oder manchmal sogar Exklusivrechte, um einen Anreiz für weitere Innovation und Forschung zu schaffen.

Produkte-Pipeline entscheidend

Die Lebensdauer und Rentabilität eines Medikaments werden dadurch massgeblich beeinflusst. Je exklusiver ein Präparat ist, desto mehr Umsatz dürfte damit im entsprechenden Markt erwirtschaftet werden. Die Investoren und Anleger richten ihr Augenmerk deshalb vor allem auf die Produkte-Pipeline einer Pharmaunternehmung.

Wieviel Potenzial haben die Wirkstoffe? Können sie allfällige Patentabläufe (wahrscheinliche Umsatzeinbussen) kompensieren? Wie stark ist die Konkurrenz? Global werden hunderte Milliarden an Dollar für Gesundheit ausgegeben. Die gewichtigsten Geschäftsfelder sind Onkologie (Krebs), Herzkrankheiten und Diabetes.

Pharmatitel zu stark bestraft?
(Ende 2015 bis Anfang Mai 296, indexiert, inkl. Nettodividenden)

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MSCI World – Bloomberg Global Pharmaceutical Index (Quelle: Bloomberg)


Thomas Heller ist Leiter Research und Investmentchef bei der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Die Position hat er seit März 2014 inne. Karriere machte der ausgebildete Ökonom und eidgenössisch diplomierte Finanzanalytiker bei der Credit Suisse, im Asset Management der Bank Julius Bär sowie von 2005 bis 2013 bei der Liechtensteiner Fürstenbank LGT in Pfäffikon SZ. Dort verantwortete er zuletzt den Bereich Product Services & Communication.