Angesichts der starken Verwerfungen an der Börse nach dem Brexit sind vorsichtige Investoren bereits wieder auf der Suche nach «Fluchtwerten». Was gehört dazu? Laurent Bakhtiari von der IG Bank liefert Antworten.

Von Laurent Bakhtiari, Marktanalyst bei der IG Bank

Das Votum der britischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für den Brexit hat schlimme Folgen. Der Markt wurde völlig überrascht, und die Konsequenzen haben nicht lange auf sich warten lassen.

Bereits bei den ersten Hochrechnungen, also noch vor dem endgültigen Entscheid, brachen der Euro und das Pfund um je 4,5 Prozent respektive 11,9 Prozent gegenüber dem Dollar ein. Das sind die grössten Rückschläge, die diese beiden Währungen an einem Tag je erlitten haben.

Vorsichtige Investoren bereits auf der Suche

Die Aktienmärkte reagierten ähnlich: Der SMI büsste 3,44 Prozent ein, der FTSE 100 3,15 Prozent (nachdem er im Laufe des Tages um mehr als 8 Prozent nachgegeben hatte), der DAX 6,82 Prozent und der CAC 40 8,04 Prozent. Selbst der Preis für das Rohöl fiel 5 Prozent.

Angesichts der starken Einbrüche, die sich an den darauffolgenden Tage fortgesetzt haben, sind vorsichtige Investoren bereits wieder auf der Suche nach «Fluchtwerten» (Anlagen, die stabil bleiben, oder die bei starken Schwankungen am Markt zulegen), um das eigene Portfolio zu schützen und sich gegen weitere Risiken (politische Engpässe, finanzielle Seuchen {Contagion-Effekt}, makroökonomische Auswirkungen) abzusichern. Der Markt hält solche Fluchtwerte bereit, und im Nachfolgenden stellen wir einige davon vor.

Der Fluchtwert schlechthin: Gold

In Zeiten hoher Volatilität ist Gold vermutlich das beliebteste Anlageobjekt. Es ist der Fluchtwert schlechthin und diesem Ruf bisher immer nachgekommen. Auch nach dem Brexit hat sich das Edelmetall bei 1'320 Dollar stabilisiert – vor Bekanntgabe der Abstimmungsresultate betrug der Preis 1’260 Dollar. Das entspricht einem Anstieg von 4,5 Prozent.

Weitaus interessanter ist jedoch, dass nach der Annahme des Brexit der Goldpreis von 1’312 nur auf 1’330 Dollar stieg. Das entspricht einem sehr geringen Zuwachs von 1,3 Prozent. Nichtsdestotrotz bleibt Gold eine äusserst stabile Anlage. Die Volatilität der vergangenen 100 Tage fiel ebenfalls tief aus, und zwar im Bereich von 18 Prozent. Das gelbe Edelmetall ist damit genau das Richtige für vorsichtige Investoren.

Währungspaar Euro/Franken sollte stabil bleiben

Es mag verwunderlich klingen, aber auf Grund des Marktmechanismus’ zählt das Währungspaar Euro/Franken wieder zur Kategorie der Fluchtwerte. Trotz der Ergebnisse des Referendums hat sich dieses Währungspaar zwischen 1,0733 und 1,086 eingependelt, was einer Veränderung von 1,2 Prozent entspricht.

Dabei ist zu beachten, dass die Volatilität in den vergangenen 100 Tagen sehr niedrig ausfiel (5,052 Prozent, wenn man den Brexit miteinschliesst). Lässt man den Brexit aussen vor, beträgt der Wert der vergangenen Volatilität um die 4,2 Prozent, was bereits sehr niedrig ist.

Die Kurssteigerung fällt sehr viel verhaltener aus als beim Gold – aus einem einfachen Grund: Die Schweizerische Nationalbank möchte um jeden Preis verhindern, dass der Franken gegenüber dem Euro zu viel an Terrain gewinnt. Deshalb greift sie regelmässig und mit starken Massnahmen in den Devisenhandel ein. Davon erhofft sie sich, dass sich der Kurs des Währungspaars Euro/Franken stabilisiert.

Die Probleme, die nach dem Brexit auf Europa zukommen, werden zwar einen Druck auf den Euro ausüben. Dennoch sollte das Kurspaar Euro/Franken stabil bleiben.

Der klassische Fluchtwert: deutsche Staatsanleihen

Hierbei handelt es sich um einen klassischen Fluchtwert. In schwierigen Zeiten neigen Investoren dazu, sich auf Zinsprodukte zu stürzen, da diese als «sicher» gelten. Auch wenn sie nur eine kleine Rendite erbringen, so stellen sie doch eine zuverlässige Ertragsquelle dar.

Der deutsche «Bund» ist eines der Beispiele dafür, weil Deutschland als zuverlässiges Land gilt, was die Rückzahlung von Schulden betrifft. Das gilt gleichermassen für alle zehn Länder, die von den drei grossen Ratingagenturen die Bewertung «Triple A» erhalten haben. Selbst wenn die gesamte Wirtschaft der Eurozone vom Brexit betroffen ist, behalten die Investoren einen starken Obligationenteil in ihren Portfolios und geben Deutschland den Vorzug.

Seit Mitte Juni schwankt die Rendite zwischen dem positiven und negativen Bereich und hat sich kürzlich bei -0,114 Prozent eingependelt. Das ist nicht ideal, aber dennoch ein gutes Zeichen für einen vorsichtigen Investor. Seit der Annahme des Brexit ist der Future von 166 auf 167 gestiegen, was einem sehr geringen Plus von 0,6 Prozent entspricht.