Mit der Kontrolle über den Senat und das Repräsentantenhaus kann Donald Trump seine Pläne bald umsetzen. Doch wird er das auch tun? Eine Einschätzung von IG-Bank-Experte Andreas Ruhlmann.

Von Andreas Ruhlmann, Marktanalyst bei der IG Bank

Die Umfragen und die Märkte lagen falsch – wieder mal. Seit Beginn seines Wahlkampfes als Kandidat der Republikaner bis zu den letzten Minuten seiner Kampagne, wurde Donald Trump nie wirklich als ernsthafter Bewerber im Rennen ums Weisse Haus betrachtet, und doch hat er es geschafft.

Angesichts der Überraschung büssten die Aktienmärkte in der Folge zum Teil um mehr als fünf Prozent ein, und die US-Futures-Märkte wurden vorübergehend ausgesetzt. Der Markt hat sich mittlerweile etwas erholt, da Liquidität in die Märkte zurückgekehrt ist.

Kontrolle über Repräsentantenhaus und Senat

Der Dollar wurde geschwächt, und sichere Anlage-Häfen wie Staatsanleihen, der Franken, der Yen und das Gold legten zu. Trump wird Präsident der Vereinigten Staaten und erhält die Kontrolle über das Repräsentantenhaus und den Senat.

Dies bedeutet in der Theorie, dass er nun grünes Licht für die Umsetzung all seiner Pläne hat. Der Markt indessen wird erst einmal beobachten, inwieweit Trump seine Ankündigungen in die Tat umsetzen wird, was in Anbetracht seines Sieges zum heutigen Zeitpunkt schwer vorherzusagen ist.

Nicht ganz so schlimm

Betrachtet man seine Kampagne im Detail, so ist die Situation aus Anlegersicht nicht ganz so schlimm. Trump möchte fiskalische Anreize schaffen und die Infrastrukturausgaben erhöhen, wovon die Verbraucher und der Bausektor profitieren würden. Massive steuerliche Massnahmen könnten sich auch auf die Inflation positiv auswirken, was den Dollar stärken sollte, und auch die Banken.

Diese könnten auch profitieren, falls Trump den Dodd-Frank Act aufhebt, der eingeführt wurde, um das systematische Risiko der Banken zu reduzieren. Allerdings wissen wir noch nicht, was diesen Dodd-Frank Act ersetzen sollte.

Verlierer werden zu Siegern

Darüber hinaus könnten auch der Verteidigungssektor sowie der Preis für Kohle und fossile Brennstoffe einen Aufschwung erfahren, zu Ungunsten des Sektors für saubere Energie. Eine Zinsanhebung der US-Notenbank im Dezember, deren Wahrscheinlichkeit vor den Wahlen bei 80 Prozent lag, steht jetzt in Frage, was sich auf den Aktienmarkt fördernd auswirken könnte.

Die Pharmaindustrie und der Biotech-Sektor, die dieses Jahr zu den grössten Verlierern gehören, könnten sich kurzfristig auch erholen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob Obamacare eine Zukunft hat.

Stark exponiert

Eine andere Frage ist, wie Trump die derzeitigen Handelsabkommen neu verhandeln wird. US-Exportunternehmen oder ausländische Unternehmen, die wegen ihrer US-Aktivitäten stark exponiert sind, sollten derzeit gemieden werden.

Was die politischen Implikationen angeht, so können wir davon ausgehen, dass dieses Ereignis die Chancen für andere Anti-Establishment-Parteien erhöhen dürfte.

Geringe Risikobereitschaft

Es ist zu erwarten, dass die bevorstehenden Ereignisse, wie das Referendum in Italien am 4. Dezember oder die Wahlen in Frankreich nächstes Jahr, phasenweise für eine erhöhte Marktvolatilität sorgen werden. Insgesamt sollte die Risikobereitschaft weiterhin gering bleiben, insbesondere in Europa.

Für die Schweiz: Das Währungspaar Dollar/Franken erreichte nach der Wahl Trumps einen Tiefpunkt von 0.9550 und stieg danach wieder auf über 0.9725. Der Einfluss auf den Euro-Franken-Kurs blieb begrenzt, mit einem Tiefstand bei 1.0750 und dem nachfolgenden Anstieg auf 1.08, da Spekulanten das Vertrauen in Spekulationen der Schweizerischen Nationalbank vermutlich verloren haben – dies, nach dem gescheiterten Versuch im Nachgang zum Brexit-Entscheid.

Ohne Versicherungsschutz

Die grössten Gewinner am SMI-Index waren bisher die Pharmaunternehmen wie Roche, Novartis oder auch Actelion, die mehr als 5 Prozent zulegten. Hätte Hillary Clinton das Rennen gemacht, wären wohl tiefere Medikamentenpreise angeordnet worden, was die Profite in diesem Sektor verringert hätte.

Auf längere Sicht gesehen, ist es jedoch schwierig abzuschätzen, wie zu befürchtende Handelseinschränkungen die Schweizer Unternehmen tangieren werden. Durch die Abschaffung von Obamacare wären viele US-Bürger ohne Versicherungsschutz, was einen negativen Einfluss auf die Nachfrage von Arztbesuchen und Medikamenten hätte.