Teilweise noch aktive Politiker sollen klassisches Banken-Lobbying betreiben. Bringt das etwas?, fragt der frühere UBS-Chefhistoriker Robert Vogler.


Die Basler Versicherung verpflichtet ab 2011 den amtierenden Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht als «Relation Manager». Die UBS wiederum teilte im September mit, dass sie den Nationalrat und BDP-Hinterbänkler Martin Landolt aus Glarus auf ihre Pay-roll nehme. Laut Auskunft von Landolt ist es seine Aufgabe, «die Positionen des Parlaments in die UBS zu bringen».

Die Zurich Financial Services können seit 2008 auf die Dienste von Christa Markwalder, FDP-Nationalrätin aus Bern und seit kurzem Ständeratskandidatin, zählen, die dort bei «Government and Industry Affairs» einen 50-Prozent-Job ausübt.

Ausnahmebeispiel Durrer

2001 holte die UBS den Obwaldner Nationalrat und ehemaligen Parteipräsidenten der CVP Schweiz, Adalbert Durrer in ihre Dienste als Leiter der Abteilung Public Policy, wo er bis zu seinem Tod 2008 verblieb. Im Gegensatz zu vielen heutigen Lobbyisten verzichtete Durrer aber bewusst auf sämtliche politischen Ämter, gab seine Anwaltskanzlei auf und wechselte klar erkennbar die Fronten.

Ähnliches tat nun die Bank Julius Bär und verpflichtete auf Oktober 2010 ebenfalls einen ehemaligen Vollblutpolitiker, nämlich den Schwyzer Ex-Finanzdirektor Georg Hess.

Bereits viel früher hatte auch die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) aktive Politiker in ihren Reihen, so den langjährigen «Schattenaussenminister» , FDP-Nationalrat Ernst Mühlemann, der gleichzeitig Leiter der SBG-Kaderschmiede Wolfsberg war. Später war es der Horgener Gemeindepräsident und ebenfalls FDP-Nationalrat Walter Bosshard, der sowohl für die SBG als auch die UBS wirken sollte.

Gebracht hat es schlussendlich wenig bis gar nichts. Diese Mandate sind schlicht verpufft: der ehemalige Lehrer Mühlemann verstand als Brigadier mehr von Führung als vom konkreten Bankgeschäft und dem Umgang mit Kunden, Bosshard hätte während der Diskussion um die nachrichtenlosen Vermögen wohl nie ans Rednerpult treten und für die Banken sprechen können.

Absurde Übertreibung

Auch im Verlauf der Diskussionen rund um die unerfreulichen Ereignisse mit der UBS in den Jahren seit 2007 sind in der veröffentlichten Meinung immer wieder Vorwürfe laut geworden, die UBS und die Banken überhaupt würden ein massives Lobbying betreiben, sei es durch die von den einzelnen Playern eingesetzten Lobbyisten oder aber im Rahmen der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg).

Bankenkritiker Jean Ziegler sprach in den neunziger Jahren einmal von «Hunderten von PR- und Kommunikationsberatern» der Finanzinstitute, eine absurde Übertreibung. Doch war diese Lobbyarbeit in der Vergangenheit tatsächlich so effizient und erfolgreich, wie sie immer wieder dargestellt wird? Blenden wir doch etwas zurück in die Geschichte des Lobbyismus für den Finanzplatz und wenden uns – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einigen wenigen ausgewählten Ereignissen zu.

1 : 0 für die Politik

Am Anfang der Bankenregulierung stand der politische Druck zur Gründung der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK). Gegen den massiven Widerstand der Banken wurde 1934 nicht nur die EBK im Rahmen des «Gesetzes über die Banken und Sparkassen» gegründet, sondern auch das Bankgeheimnis 1935 auf gesetzlicher Grundlage etabliert, obschon die Bankenvertreter in den Kommissionen das Gesetz mit dem Bankgeheimnis noch bis kurz vor den Beratungen in den Eidgenössischen Räten ablehnten – und dennoch nachgeben mussten. 1:0 für die Politik!

Ungern erinnern wir uns daran, wie ein übereifriger Schweizer Finanzminister es fertig brachte, dass der physische Goldhandel , in erster Linie betrieben von den Grossbanken, von 1980 bis 1986 mit der Warenumsatzsteuer belastet wurde, so dass der Markt wieder zurück nach London wanderte, wo er einmal hergekommen war. 2:0 für die Politik!

Geschäfte weg

Über die langjährigen Diskussionen zur Abschaffung der Stempelsteuer und die damit verbundene Abwanderung vieler Fonds hauptsächlich nach Luxemburg wird heute kaum mehr gesprochen. Deren gänzliche Abschaffung als Konkurrenznachteil des Finanzplatzes Schweiz wurde von der Politik immer wieder erfolgreich bekämpft.

Resultat: die Stempelsteuer gibt es heute noch, die Geschäfte und die damit verbundenen Steuererträge sind nicht mehr zurückgekehrt. Erfolglos setzten sich die Finanzhäuser für die Aufhebung ein. 3:0 für die Politik.

Penible Vorstellung der Schweizer Banken

Als Anfang der neunziger Jahre die Hypothekarzinsen in für schweizerische Verhältnisse astronomische Höhen kletterten, versuchten die Banken die Entkoppelung der Mietzinsen von den Hypotheken mit politischer Hilfe herbeizuführen, um sich aus dem Schussfeld der allgemeinen Empörung zu nehmen. Bis heute sind sie einer solchen Lösung nicht wirklich näher gekommen. 4:0 für die Politik.

Äusserst ungern erinnern wir uns auch an die penible Vorstellung der Schweizer Banken anlässlich der Krise um die nachrichtenlosen Vermögen in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre, wo es ihnen nicht gelang, das Problem aus eigener Kraft zu lösen.

Zahlungen für den Staat

Der Entzug der Geschäftslizenzen in den USA sowie die bevorstehende Fusion von SBG und dem Schweizerischen Bankverein (SBV) waren durch diese Erpressung real gefährdet. Sie versagten kläglich, sowohl was das nationale Lobbying als auch dasjenige in den USA betraf, der Staat musste seine ordnenden Kräfte einsetzen und Unterstützung leisten.

Resultat war, dass die Schweizer Banken in einem Vergleich mit der Zahlung von 1,8 Milliarden Franken und weiteren hohen Verfahrenskosten sich freikaufen und das Problem beiseiteschaffen mussten. Inbegriffen war sogar die finanzielle Absolution der Eidgenossenschaft, welche von den amerikanischen Klagen ebenso betroffen war wie diejenigen Industriebetriebe, welche der Sklavenarbeit in ihren ausländischen Niederlassungen und Tochterfirmen beschuldigt worden waren. 5:0 für die Politik!

Stets divergierende Ansichten

Von der neusten Krise um die UBS (Rettung durch Eidgenossenschaft und Nationalbank; Staatsvertrag wegen US-Geschäft) wollen wir gar nicht reden. In beiden Fällen musste schlussendlich der Staat seine ordnende Kraft einsetzen, wenn auch mit viel Mühe und Widersprüchen. Grosszügig gerechnet: 6:0 für die Politik.

Es stellt sich somit die Frage, ob die Banken ein wirklich effektives Lobbying je betreiben konnten, denn schon immer gab es divergierende Ansichten über den Finanzplatz. Die Bestrebungen der Privatbanken, der Kantonal- und Regionalbanken sowie der international tätigen Grossbanken waren nie kompatibel. Deshalb war es regelmässig schwierig, deren aller Anliegen im Rahmen der SBVg unter einen Hut zu bringen.

Unter dem Strich wenig Erfolg

Für Jemanden, der viele dieser Aktionen nicht nur hautnah miterlebt, sondern bei einigen auch daran mitgearbeitet hat, bleibt am Ende lediglich das dürre Fazit, dass mittels Bankenlobbying und viel Einsatz versucht wurde, die Dinge im Sinne des Finanzplatzes zu beeinflussen, dass in Tat und Wahrheit unter dem Strich die Resultate aber kaum erfolgreich waren und in vielen Fällen gar ausblieben.

Sicherlich gab es auch Erfolge zu verzeichnen, aber eher bei den kleinen, technischen als den grossen und politischen Problemen. Oft genug waren die Enttäuschungen gross, denn Politiker machen am Ende was sie für richtig halten, was ihnen bei der nächsten Wahl weiterhilft. Dass dem so ist, zeigen obenstehende Beispiele, in jüngster Zeit auch die neuen Regulierungen der Finma mit dem «Swiss Finish» in Sachen Eigenmittelvorschriften.

Auch Linke haben ihre Lobbyisten

Dennoch wird von linker Seite in der Öffentlichkeit laufend suggeriert, Parteien und Politiker in der Schweiz seien gekauft und liessen sich von den Banken manipulieren. Das wiederum ist eine andere Art von Lobbying, nämlich diejenige mit dem Ziel, die Banken und bürgerlichen Parteien zu diskreditieren.

Man solle sich nichts vormachen, denn selbstverständlich hat auch die politische Linke ihre Lobbyisten. Entgegen allen Beteuerungen sind Gewerkschaftsvertreter und solche von NGOs in allen Parlamenten ebenfalls Interessenvertreter und meist eingeschriebene Mitglieder linker Parteien.

Dabei ist es unwesentlich, ob sie dafür Geld erhalten oder nicht. Allerdings, wenn Lobbying von allen Seiten derart erkennbar ausgeführt und öffentlich diskutiert wird, so nützt es meist nur wenig und wird lediglich massiv überschätzt.


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Robert U. Vogler war von 1988 bis 1998 Pressesprecher der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG), danach Leiter von Historical Research und bis Anfang 2009 Senior Political Analyst bei Public Policy von UBS. Seit kurzem wirkt er als unabhängiger Historiker und schreibt regelmässig für finews.ch.