Eurokrise_Symbol

Bild: © Gerd Altmann, Pixelio.de

Nouriel Roubini ist sonst eher bekannt für seine Kritik – Kritik an den Zuständen in der Wirtschaft, an den Politikern, an den Anlegern, an den Märkten. Doch für einmal gibt es sich positiv. Und dies ausgerechnet in einer Analyse der Zustände in Europa. Immerhin war er es, der für die Eurozone noch im Sommer «eine Zugskatastrophe im vollen Tempo» befürchtet hatte.

Die Europäische Zentralbank habe «einen unglaublich guten Job gemacht», findet der Professor der New Yorker City University. Durch ihr Anleihenkaufprogramm habe die EZB dafür gesorgt, dass das Risiko eines Auseinanderbrechens der Wirtschafts- und Währungsunion heute massiv tiefer sei, so Roubini in einem Debattenbeirag den er für die Nachrichtenagentur «Reuters» verfasst hat.

Nouriel Roubini begrüsst, dass Europas Staaten eine Banken- Fiskal- und Wirtschaftsunion anstreben. Ohne diese sei eine Währungsunion kaum möglich.

Wie weit die Integration gehe, sei allerdings eine politische Frage – und die werde zumindest bis Herbst wohl nicht geklärt. Denn: «Deutschland wird tun, was auch immer nötig ist, um eine weitere Integration mindestens bis zu den Wahlen vor sich herzuschieben», prognostiziert Roubini.

Ein Vorteil: Dachte man noch unlängst in Deutschland laut über ein mögliches Grexit nach, so ist dies vorerst vom Tisch. «Denn für die CDU, die momentan an der Macht ist, hätte ein Euro-Aus der Griechen wohl negative Auswirkugen auf den Wahlausgang.»

Insgesamt prognostiziert Roubini für Europa in den nächsten Monaten eine Verschnaufpause:

  • Das Risiko eines Grexit sei signifikant gesunken (allerdings veranschlagt es der Ökonom immer noch im Bereich von 50 Prozent).
  • Die Gefahr, dass Italien und Spanien den Zugang zu den Kapitalmärkten verlieren, sei ebenfalls wieder tiefer.
  • Insgesamt erscheinen chaotische Entwicklungen in Europa derzeit weniger wahrscheinlich als noch vor einigen Monaten.
  • Allerdings bleiben die Peripheriestaaten weiterhin in der Rezession. Mehr noch: Die Rezession breitet sich nach Kerneuropa aus. Frankreich werde das Jahr 2013 in einer Rezession durchstehen müssen, und auch das Wachstum von Deutschland werde sich noch weiter reduzieren.
  • Stark sei aber weiterhin eine Tendenz, die Roubini Balkanisierung nennt – im Sinne eines Auseinanderdriftens. Diese Balkanisierung geschehe einerseits bei der Realwirtschaft (wo sich Peripheriestaaten und der Rest auseinanderentwickeln); zudem im Bankensystem (wo Gelder aus den einen Staaten ab- und den anderen Staaten zufliessen); und in den Schuldenmärkten (wo private Investoren ihre Gelder aus den Peripherieländern zurückziehen).

Und so bleiben die Aussichten in Nouriel Roubinis Szenario mittelfristig eher trübe, denn:

  • Die Schulden einer Reihe europäischer Staaten sind nicht nachhaltig finanziert;
  • hinzu kommen die bekannten demographischen Entwicklungen;
  • während auf der anderen Seite die Strukturreformen nur zögerlich angegangen werden.
  • Und weiter verliert Europa an globaler Konkurrenzfähigkeit – mit Leistungsbilanzdefiziten, welche ebenfalls nicht langfristig finanziert sind. 

Das Fazit von Roubini lautet denn auch: «Obwohl sich die harte Finanzsituation entspannt hat und das Risiko plötzlicher Einbrüche gesunken ist, bleiben die grundsätzlichen Probleme der Eurozone bestehen.»

Der ganze «Reuters»-Text: «The year ahead in the euro zone: Lower risks, same problems»