Der Goldman-Sachs-Vordenker rückt das Zypern-Problem in neue Proportionen – aber er zeigt auch, dass hier die wichtigsten Fragen von Europa aufbrechen.

An dieser Stelle haben ja schon einige Experten das Zypern-Problem in ein anderes, diskreteres Licht gerückt. Gerne bringen wir noch eine sehr einleuchtende Bewertung: Sie stammt von Jim O'Neill, dem Chairman von Goldman Sachs Asset Management.

Der britische Ökonom hat ausgerechnet, dass China pro Woche um etwa gleich viel wächst wie die gesamte zypriotische Wirtschaft (gemessen an den Daten von 2011).

Oder mit einem Satz: «China creates another Cyprus every week». Und O'Neill hat noch weiterkalkuliert: Eine Wirtschaft von der Grösse Griechenlands erwächst in China alle 12 1/2 Wochen.

Alles ist also relativ? Nein, Jim O'Neill verbreitet nicht dieselbe «I don't care»-Attitüde von Blackrock-Chef Larry Fink (mehr dazu hier). Sondern er erkennt zugleich vier wichtige strategische Fragen, die jetzt wegen der Mittelmeer-Insel jetzt ans grelle Licht kommen:

  • 1. Die Eurozone entpuppt sich nochmals als Union von 17 Ländern, welche kein gemeinsames Interesse finden.
  • 2. Die entscheidende Politik wird nicht durch EU- und Unions-Gremien gemacht, sondern von Politikern, deren Hauptkriterium lautet: Wie komme ich damit durch (beim Parlament, bei den Wählern)?
  • 3. Hinter den Kulissen läuft eine Rangelei zwischen Berlin und Moskau. Hier zeichnet sich eine neue strategische Herausforderung ab.
  • 4. Den vierten Punkt stellt O'Neill als Frage: Gibt es genügend Vision und Kreativität in Europa, um wahrzunehmen, dass man diese Krise in eine Chance ummünzen könnte? Und dass jeder als Gewinner daraus hervorgehen könnte?

Die Antwort lautet wohl: nein. Wobei man fairerweise anmerken muss, dass auch Jim O'Neill keine Handlungsanweisung zu bieten hat.

Goldman Sachs Asset Management: «Viewpoints from Chairman Jim O'Neill», 22. März