Weshalb die laufende Krise noch bis 2017 anhalten könnte: Walter Wittmann über die Macht der Konjunkturzyklen.

Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zeichnet sich die wirtschaftliche Entwicklung durch konjunkturelle Schwankungen aus, die einen typischen Verlauf zeigen: Aufschwung, oberer Wendepunkt, Abschwung (in die Rezession), unterer Wendepunkt.

Verursacht werden die Konjunkturzyklen letztlich durch die Entscheide von Unternehmen, Produzenten und durch die Zins- und Geldmengenpolitiken der Zentralbanken. 

So wird der konjunkturelle Aufschwung durch eine expansive Geldmengenpolitik und zunächst niedrige Zinsen gefördert. Je optimistischer die Unternehmen werden, desto rascher gehen sie dazu über, die Produktionskapazitäten zu erweitern. Bleibt die Nachfrage zurück, so wird vorerst auf Lager produziert. 

Früher war es schlimmer

Droht eine konjunkturelle Überhitzung, so wechseln die Zentralbanken von der expansiven in eine kontraktive Geldmengenpolitik, kombiniert mit steigenden Zinsen. Das veranlasst die Unternehmen, die Produktion zurückzufahren und mit dem Abbau von Lagern zu starten. Dies wiederum führt in den Abschwung und in eine Rezession unterschiedlicher Dauer.

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die Rezessionen länger und schwerwiegender als danach. Denn damals betrieben die Zentralbanken noch keine antizyklische Geldmengen- und Zinspolitik (sieht man von den Anfängen der keynesianischen Stimulierung während der Grossen Depression der 1930er Jahre ab).

Rechne: Finanzkrise plus 10 Jahre

Die freie Marktwirtschaft produziert nicht nur Konjunkturzyklen, sondern auch «lange Wellen der Konjunktur», die Kondratjeff-Zyklen. Seit dem Einsetzen dieses Zyklus um 1790 kam es immer wieder zu einem Abstieg, der 20 bis 25 Jahre dauerte. 

Empirisch nachgewiesen sind folgende Abstiege:

  • von 1814 bis 1849, mit einer schweren Depression in den 1840er Jahren;
  • von 1873 bis 1896, mit einer Depression in den 1870er Jahren;
  • von den frühen 1920er Jahren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs; die Depression spielte sich in den 1930er Jahren ab.
  • Der nächste Abstieg begann 1967/68 und dauerte bis 1983; der massive Einbruch fand zwischen 1974 und 1982 statt.

Die Quintessenz: Die depressiven Phasen dauern rund 10 Jahren. Daher kann man davon ausgehen, dass jene Finanzkrise, die 2007 begann, bis ungefähr 2017 anhalten könnte.

Warnsignal: Spekulation in einzelnen Assetklassen

Wieso es immer wieder zu grossen Finanzkrisen kam, aus denen Wirtschaftskrisen hervorgingen, ist gründlich untersucht worden und kann demnach relativ zuverlässig beantwortet werden. Charles P. Kindleberger hat eindrücklich nachgewiesen, dass es stets dort zu Finanzkrisen kam, wo mit einzelnen Objekten spekuliert wurde.

Dazu gibt es eine lange Liste, vom Altertum bis in die Gegenwart hinein. Je attraktiver solche Objekte erschienen und je höher die Preise stiegen, desto intensiver wurde darauf gesetzt. Dabei wurde zunehmend mit kurzfristigen Krediten operiert, die von Banken gewährt wurden.

Hier setzte der Teufelskreis ein: Begannen die Kurse zu sinken, so musste man Geld nachschiessen, um Verluste auszugleichen. Wenn man dazu nicht mehr in der Lage war, so wurden die Positionen automatisch auf den Markt geworfen. Dadurch kam eine Preisspirale nach unten in Gang, die ausser Kontrolle geriet und in einem Crash mündete. Davor brach regelmässig eine Bankenkrise aus.

Mutter aller Krisen: Expansive Geldpolitik

Zur Frage, wieso schwere Krisen ausbrechen können, gibt die Untersuchung «After the Fall» von Carmen und Vincent Reinhart (2010) nahezu erschöpfend Auskunft. Ins Visier nehmen die Autoren die Entwicklung seit dem Crash von 1929 mit dem Erdölschock von 1971 und die Subprime-Krise von 2007.

Das Ergebnis: Während zehn Jahren vor dem Einbruch gibt es eine exzessive Kreditexpansion durch die Banken und eine steigende Verschuldung der Wirtschaft (Leverage). Die folgende Periode des «Rückzugs» dauert mindestens solange – demnach zehn Jahre und mehr.

Kindleberger konstatiert bei allen Manien, Paniken und Crahs, die sich im Laufe des industriellen Zeitalters ereignet haben, stets eine Grundvoraussetzung: eine exzessive Expansion der Geldmenge über das private Bankensystem und später über die inzwischen gegründeten Zentralbanken. Die US-Notenbank Fed wurde 1913 geschaffen, betrieb aber erst ab 1986 unter Alan Greenspan eine expansive Geldmengenpolitik.

Die monetäre Expansion wirkte wie Öl ins Feuer und ging bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ausschliesslich vom privaten Bankensystem aus. Und: Die Exzesse der Finanzindustrie waren nur deshalb möglich, weil es keine entsprechenden – marktwirtschaftlichen – Regulierungen gab, sondern einen freien Markt.


Walter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Freiburg. 2007 veröffentlichte er «Der nächste Crash kommt bestimmt», Anfang 2010 erschien das nicht weniger prophetische «Staatsbankrott», und 2012 kam «Superkrise» über die Schwere der laufenden Krise. Zuletzt erschien «Soziale Marktwirtschaft statt Wohlfahrtsstaat».