Die Bevölkerungsexplosion gilt als ein Hauptproblem dieser Erde. Doch laut einem Deutsche-Bank-Strategen wird uns hier bald nicht ein zu grosses Wachstum beschäftigen – sondern ein zu tiefes.

Sanjeev Sanyal, bei der Deutschen Bank Stratege für weltwirtschaftliche Entwicklung, nimmt allen malthusianischen düsteren Prophezeiungen den Wind aus den Segeln. In einem Kundenschreiben verfasste er ein paar zum Nachdenken anregende Zeilen über die Zukunft der Weltbevölkerung.

Dort steht im Wortlaut: «Die Welt nähert sich in seiner demographischen Laufbahn dem Wendepunkt. Wir glauben, dass eine Verschiebung wahrscheinlich früher und schärfer ausfällt als in manchen Prognosen behauptet wird». 

Denn seit 1950 sinke die globale Geburtenrate stetig. Sanyal weist in seiner Analyse auf die zusammengefasste Geburtenziffer (TFR) hin, die durchschnittliche Zahl der Lebendgeburten pro Frau.

Für die meisten Industrieländer sei diese Zahl deutlich unter der Rate, wo die Anzahl der Sterbenden und Anzahl der Neugeborenen gleich ist (technisch: Ersatzniveau). Auch in Schwellenländern wie Brasilien sank die TFR drastisch: von 6,2 in den frühen 1950er-Jahren auf unter 1,8.

In China, dem weltweit bevölkerungsreichsten Land, wird die Geburtenziffer laut Sanyal auf Grund eines «schiefen Geschlechterverhältnis» zudem überbewertet. «Aus unserer Sicht wird die globale Fruchtbarkeit in weniger als fünfzehn Jahren auf das Ersatzniveau fallen», schreibt Sanyal im Papier, das dem Branchenportal «Business Insider» vorliegt.

In anderen Worten: Unsere Spezies wird zahlenmässig bald kaum noch wachsen, so sein Fazit. 

Ein Wendepunkt in der Geschichte

Natürlich wachse die gesamte Weltbevölkerung immer noch für ein paar weitere Jahrzehnte weiter, bedingt durch die Dynamik in der Altersstruktur und die steigende Lebenserwartung, glaubt der Stratege der Deutsche Bank.

«Aber diese Effekte werden letztendlich nachlassen, es sei denn, wir entdecken das Elixier der Unsterblichkeit», schreibt er weiter. So erwartet Sanyal, dass die Weltbevölkerung um 2055 bei 8,7 Milliarden ihren Höchststand erreichen und dann auf 8,0 Milliarden im Jahr 2100 sinken wird.

Damit hat Sanyal den Höhepunkt der Weltbevölkerungsanzahl um ein halbes Jahrhundert früher als herkömmliche Projektionen vorverlegt. Auch seine geschätzte Anzahl liegt mit 2,8 Milliarden Menschen tiefer als die von der UNO berechnete Grössenordnung.