Der Schweiz drohe eine ‹blutleere Erholung›, behauptet Daniel Hartmann, Ökonom bei der Bantleon Bank in Zug. Darum geht er davon aus, dass die Schweizerische Nationalbank die Zinsen in Richtung -1,5 Prozent senken wird.

Der Frankenschock habe die Schweizer Wirtschaft ins Mark getroffen. Die durchschnittliche Aufwertung von 11 Prozent gegenüber den wichtigsten Währungen verschlechterte die Wettbewerbsposition von Unternehmen, die in der Schweiz produzierten, mit einem Schlag massiv, sagt Daniel Hartmann (Bild), Senior Analyst Economics der Bantleon Bank. Schlimmer noch, es bestehe kaum Aussicht, dass sich daran etwas in naher Zukunft ändere.

Hartmann zählt zu den besten Wirtschaftsanalysten Europas. Im Jahr 2011 kürte ihn die internationale Nachrichtenagentur «Bloomberg» zum «Best Forecaster of Eurozone Economies». 

Wettbewerbsfähigkeit fehlt

Es zeichne sich eine äusserst blutleere Erholung ab, fährt Hartmann fort. Die Unternehmen hätten zwar erste Kostensenkungs-Massnahmen ergriffen, aber von einer Rückgewinnung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit könne noch keine Rede sein.

«Entsprechend werden die Schweizer Exporteure nur unterdurchschnittlich vom sich aufhellenden globalen Umfeld profitieren. Der Export dürfte im Jahr 2015 schrumpfen und selbst 2016 nur geringfügig zulegen», erklärt Hartmann weiter.

Auch hausgemachte Probleme

Alles in allem werde die Schweizer Wirtschaft ihre Outperformance beim Wachstum gegenüber der Eurozone im laufenden und im kommenden Jahr verlieren und mit weniger als 1 Prozent expandieren. Ursache dafür seien neben dem überbewerten Franken auch hausgemachte Probleme wie politische Entscheidungen und Überhitzungserscheinungen am Immobilienmarkt.

Hart ins Gericht geht Hartmann mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB), wenn er schreibt: «Auslöser des Frankenschocks und damit der aktuellen wirtschaftlichen Misere ist die Schweizerische Nationalbank, die sich damit jedoch ein Eigentor geschossen hat – die Deflationsgefahren haben seit Jahresbeginn eindeutig zugenommen.»

Unattraktive Instrumente

Mit knapp -1 Prozent dürfte die Teuerungsrate 2015 so tief liegen wie seit 1950 nicht mehr und selbst für das Jahr 2017 rechnen die Währungshüter nur mit einer Inflationsrate von 0,3 Prozent. Ändern könne die SNB daran kaum etwas, ist Hartmann überzeugt.

Schliesslich seien die verbliebenen Instrumente zur Stimulierung der Wirtschaft allesamt unattraktiv: Erneute Devisenmarkt-Interventionen (zur Schwächung des Franken) hätten nach der Entscheidung vom 15. Januar 2015 keine Glaubwürdigkeit mehr. Kapitalverkehrskontrollen (Beschränkung von Kapitalzuflüssen) würden dem Finanzplatz Schweiz schaden. Noch tiefere Leitzinsen würden bei Sparern und Pensionskassen einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Risiko noch tieferer Leitzinsen

Daraus folgert Hartmann: «Der SNB bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten und darauf zu hoffen, dass die Inflation wieder über die Nulllinie zurückkehrt. Letztlich ist die Konsequenz dieses Kurses eine Senkung des Inflationsziels. Die SNB steuert nicht mehr den oberen Bereich des Zielkorridors (±0,0% bis +2,0%) an, sondern begnügt sich mit der Aussicht auf eine geringfügig positive Inflation», so der Ökonom von Bantleon.

In Anbetracht dieser Lage geht Hartmann davon aus, dass die Leitzinsen im laufenden und im kommenden Jahr unverändert bei -0,75 Prozent bleiben. Das Risiko bestehe aber eindeutig in noch tieferen Leitzinsen.

Weiterer Vorstoss ins negative Terrain

«Sollte die Wirtschaft länger als erwartet stagnieren (über das zweite Quartal 2015 hinaus), wird der SNB nichts anderes übrigbleiben, als weiter ins negative Terrain vorzustossen (Richtung 1,5 Prozent)», sagt Hartmann.


Daniel Hartmann arbeitet seit 2005 als Senior Analyst bei der Bantleon Bank in Zug. Das Institut gehört zum deutschen Anleihenmanager Bantleon. Das Unternehmen wurde 1991 von Jörg Bantleon gegründet und bietet seit 2009 Fonds für Privatanleger. Hartmann studierte nach einer Banklehre Wirtschaftswissenschaften. Für seine Doktorarbeit an der Uni Hohenheim (bei Stuttgart) erhielt er die Bestnote «summa cum laude».