BRIC – kurz für Brasilien, Russland, Indien und China – hat sich viele Jahre als erfolgreiches Marketing-Etikett für Banken erwiesen. Nun aber zweifelt selbst der Schöpfer des Kürzels an dem Anlagekonzept.

Jim O'Neill (Bild) bescherte der Finanzwelt ihr wohl erfolgreichstes Marketing-Etikett der vergangenen 15 Jahre: 2001 fasste der damalige Goldman-Sachs-Chefökonom die aufstrebenden Länder Brasilien, Russland, Indien und China unter dem knackigen Kürzel BRIC zusammen.

Und trat dabei einen Produkte-Boom los, der in der Finanzwelt seinesgleichen sucht.

Russland vor einer Rezession

Mit dem hohen Wachstum in jenen vier Regionen konnte es sich nämlich kaum eine Bank mehr leisten, auf BRIC-Produkte im Sortiment zu verzichten. So fördert die Datenbank des Analysehauses Morningstar allein für die Schweiz mehr als 70 Aktienfonds mit dem entsprechenden Kürzel zutage.

Doch offenbar kommen dem Börsen-Experten nun selber Zweifel ob dem Sinn seiner Schöpfung. Denn im vergangenen Jahr waren gerade Brasilien und Russland als alles andere als jene Wachstumsmotoren, als die sie von den Anlegern weltweit so geschätzt wurden.

Die Schwäche könnte auch noch in diesem Jahr anhalten: Konsensschätzungen zufolge wird für die brasilianische Wirtschaft 2015 rund 1 Prozent Wachstum erwartet, während Russland höchstwahrscheinlich in die Rezession abstürzt.

Für einmal kleinlaut

Solche Aussichten lassen selbst ein Finanz-Schwergewicht wie O'Neill kleinlaut werden. «Ich könnte mir vorstellen, nur noch von IC zu sprechen, wenn es in den nächsten drei Jahren mit Russland und Brasilien so weiter geht», sagte er kürzlich gegenüber der Nachrichtenagentur «Bloomberg».

Generell werde es für alle BRIC-Staaten künftig schwieriger, das Wachstumstempo der Nullerjahre aufrecht zu erhalten, räumt O'Neill ein. «Damals waren viele mächtige und auch sehr günstige Kräfte am Werk – einige davon dürften inzwischen verpufft sein.»

Komplett lächerliches Konzept?

Ganz will der Erfinder seine erfolgreiche Wortschöpfung aber dann doch nicht verloren geben. Von der «Neuen Normalität» an den Finanzmärkten, die derzeit bei Börsen-Experten en vogue ist, hält er nämlich gar nichts.

Brasilien und Russland würde sich erholen, so der Ex-Goldman-Ökonom, und den BRIC-Staaten in der nächsten Dekade doch noch zu einem Wachstum von jährlich 6 Prozent verhelfen. Damit würden sie immer noch doppelt so schnell expandieren wie die westlichen Industrienationen.

Noch ist indes völlig offen, ob O'Neill recht behält – oder seine zahlreichen Kritiker. So bezeichnete etwa Albert Edwards, der ewig pessimistische Chefstratege der französischen Bank Société Générale, O'Neills BRIC-Kürzel schon vor einigen Jahren als «Bloody Ridiculous Investment Concept» – also als komplett lächerliches Anlagekonzept.