Der Chefökonom des unabhängigen Vermögensverwalters Aquila wagt den Blick ins neue Börsenjahr – und warnt vor schon beinahe vergessenen Risiken.

Ängste um Wirtschaftswachstum und Kreditausfälle werden die Finanzmärkte auch 2016 heimsuchen: Für Bruno Gisler, Chefökonom beim unabhängigen Schweizer Vermögensverwalter Aquila, setzen sich die Unsicherheiten des alten Jahres ins Neue fort. Er sieht aber auch Chancen für jene Investoren, die ihre Nerven behalten: Das ist sein Ausblick aufs kommende Börsenjahr in sechs Punkten.

1. Spärliches Wachstum

Die Weltwirtschaft wird voraussichtlich wie 2015 mit einer Rate von 3 Prozent wachsen, findet der Aquila-Chefökonom. Denn er sieht keine Treiber, die das Wachstum über die diesjährige Zunahme der Wirtschaftsleistung emporhieven könnten. Das hat Folgen für die Finanzmärkte: Diese würden auch 2016 zeitweilig von Wachstumsängsten heimgesucht, mahnt Gisler.

Immerhin zeige die amerikanische Wirtschaft insgesamt ein ordentliches Bild. Deshalb sei in Übersee auch nicht mit einer Rezession zu rechnen. Die Wirtschaft der Eurozone profitiere ihrerseits vom schwachen Euro, den tiefen Zinsen und dem billigen Erdöl, so Gisler weiter.

Und was ist mit den Schwellenmärkten, welche die Börsianer 2015 in Angst und Schrecken versetzten? Bezüglich China geht der Finanz-Experte davon aus, dass es der dortigen Regierung nächstes Jahr gelingen wird, die Wirtschaft mehr oder weniger auf Wachstumskurs zu halten. «Wir glauben nicht, dass die immer wieder herauf beschworenen Immobilien- und Kreditkrisen eintreffen werden», erwartet Gisler.

2. Kulante Notenbanken

Kaum hatte die US-Notenbank (Fed) letzte Woche die überfällige Zinserhöhung bekanntgegeben, erhoben sich Stimmen, die diese Entscheidung als schweren Fehler bezeichneten. Gisler glaubt nun, dass in den USA die Leitzinsen 2016 wahrscheinlich noch schneller und kräftiger steigen werden, als dies der Markt jetzt erwartet.

Dennoch: Insgesamt bleibe die Geldpolitik der Fed expansiv. Die japanische Notenbank (BoJ) werde bis mindestens März 2017 den Finanzmärkten jeden Monat für umgerechnet 55 Milliarden Dollar Liquidität zuführen. Und die Europäischen Zentralbank (EZB) – nach der sich auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) richtet – flute die Finanzmärkte bis mindestens März 2017 sattsam mit Liquidität.

Die Notenbanken, folgert Gisler, stünden somit weiter in den Diensten der Finanzmärkte.

3. EU sorgt für Negativ-Schlagzeilen

Der «Brexit», also das auf den kommenden Sommer angesetzte Referendum um einen mögliche Austritt Grossbritanniens aus der EU, werde in den nächsten Monaten für ein gerüttelt Mass an Unsicherheit an den Finanzmärkten sorgen, so der Aquila-Mann. Noch mehr: Gisler glaubt, dass in dem Zusammenhang auch andere «Unzulänglichkeiten» der Union wieder zum Thema werden: So der Umgang mit den enormen Flüchtlingsströmen, die zunehmende Staatsverschuldung oder der fehlende Wille zu Struktur-Reformen.

4. Terror als Damokles-Schwert

An den Finanzmärkten waren die tragischen Anschläge von Paris mehrheitlich ein «Non-Event». Sollten sich diese Terror-Attacken jedoch systematisch ausbreiten, würde dies die Finanzmärkte arg beuteln, warnt Gisler. Zudem verdienten geopolitische Risiken wie die Vorgänge im Mittleren Osten, im ost- und südchinesischen Meer sowie in Osteuropa die Aufmerksamkeit der Investoren.

5. Ölpreis erholt sich

Die Nachfrage nach Erdöl steigt innerhalb eines Jahres um 1 Million Fass pro Tag, wenn die Wirtschaft wie vorgesehen wächst, rechnet Gisler vor. Aus dieser Sicht erwartet er nächstes Jahr zumindest eine Konsolidierung des Ölpreises um die 40 Dollar. Ein kurzfristiger Einbruch des Kassapreises wegen übervoller Lager sei jedoch sehr wohl möglich.

6. Anlagenotstand treibt Aktienkurse

Trotz erwarteter hoher Volatilität bleiben Aktien aus sich von Aquila eine attraktive Anlageklasse, betont Gisler. Dies nicht zuletzt darum, weil die Anlagealternativen ausserhalb des Dollarraums dünn gesät bleiben.

«Mit einer neutralen Aktiengewichtung fühlen wir uns in einer guten Position, um ins Jahr 2016 zu starten», findet der Chefökonom.