Das Metier des Chief Investment Officers (CIO) kann unangenehm sein: Das erlebt Burkhard Varnholt. Auf den von Julius Bär zur CS wechselnden Anlageexperten prasselt jede Menge Häme nieder. Grund genug, über die Funktion des CIO nachzudenken.

Seinen Antritt bei der Credit Suisse (CS) hat sich Burkhard Varnholt bestimmt anders vorgestellt. Der scheidende Chief Investment Officer (CIO) der Zürcher Privatbank Julius Bär wurde dieser Tage in den Medien mit reichlich Spott bedacht.

So zitierten diverse Schweizer Online-Portale einen Artikel des Wirtschaftsmagazins «Bilanz», in dem Varnholt einst als «fehlerhaftes Orakel» dargestellt wurde. Der Bericht stellt dem künftigen Co-CIO der Division International Wealth Management bei der CS kein schmeichelhaftes Zeugnis aus.

Dotcom-Blase, Finanz- und Eurokrise – jedesmal sei Varnholt mit seinen mutigen Prognosen weit daneben gelegen, wird dem ehemaligen CS-, Sarasin- und Julius-Bär-Banker vorgeworfen.

Ferngesteuerte Börsen

Die Kritik ist berechtigt. Doch eigentlich, findet finews.ch, schlägt man damit den Sack und meint den Esel. Vielmehr ist es nämlich das Verständnis des CIO-Postens, dass inhärent problematisch ist. Nämlich: Wer jeden Tag Prognosen absondert, der wird auch jeden Tag aufs Neue widerlegt.

Tatsächlich ist das «Orakel» Varnholt mit seinen Fehlannahmen in bester Gesellschaft. So kann wohl kein Investmentchef am Platz behaupten, noch nie kräftig daneben gelegen zu haben. Und bei den aktuell von Notenbanken «ferngesteuerten» Börsen ist das Risiko grösser denn je.

Wer wie Varnholt eine Vorliebe für heikle Wetten wie die Endstände von Leitindizes hegt («2020 notiert der SMI bei 20'000 Punkten»), lebt besonders gefährlich: Es ist der liebste Sport von Finanzjournalisten, diese den Auguren später um die Ohren zu hauen.

Kristallkugel liegen lassen

Vor diesem Hintergrund wären die CIO gut beraten, die Kristallkugel unter dem Tuch ruhen zu lassen. Dies nicht nur wegen der hohen Fehlerquote, sondern weil Anlage-Prognosen ihre Beste Zeit mit den «Hausfrauen-Börsen» der 1990er-Jahr längst durchschritten haben. Börsenvoraussagen sind nicht nur ineffektiv – sondern schlichtweg démodé.

Zielführender wäre es, nach neuen Rezepten für eine neue Investment-Epoche zu suchen.

Schon seit einigen Jahren einen vernünftigen Ansatz verfolgt diesbezüglich die Privatbank Notenstein La Roche. Statt Prognosen entwickelt die Raiffeisen-Tochter «Szenarien». Das mit CEO Adrian Künzi von einem «Pänzeler» geführte Institut hat sich dabei von im Militär gängigen Planspielen inspirieren lassen. Je nach Gefechtslage in der Weltwirtschaft bietet es seinen Kunden Ratschläge. Letztere müssen sich aber ihr eigenes Bild der Zukunft machen.

Die Roboter kommen

Ebenfalls Moden und Märkte überdauert die Methode, einen Standpunkt zu wählen und an diesem festzuhalten. Das ist das bewährte Vorgehen von Börsen-Gurus wie «Dr. Doom» Marc Faber oder «Perma-Bären» wie Albert Edwards, dem schrill-schlauen Strategen der französischen Grossbank Société Générale. Mit ihrer pessimistischen Sicht der Dinge liegen sie zwar ebenfalls oft daneben – bieten aber eine anregende Abwechslung und gedankliche Orientierung im Trend-gläubigen Banking.

Noch unklar ist, was die Digitalisierung und der Einsatz von Roboadvisor für den Berufsstand der CIO bereithält. Hedgefonds-Zarin Leda Braga an der Spitze ihrer Genfer Investmentfirma Systematica sagt ganz offen, dass die Zukunft «den Systemen gehören» wird. Vorab bei amerikanischen Vermögensverwaltern hat diesbezüglich bereits ein Wettrüsten eingesetzt.

Gut geöltes Marketing

Zukunftsfähige Alternativen wären also vorhanden. Dass das Geschäft mit den Anlage-Voraussagen wie eh und je weiter betrieben wird, hat indes Gründe. Die Weisheiten der Investmentchef sind in der Kommunikation mit der Kundschaft von grösster Bedeutung. So werden die Experten, die oft über erstaunliches Sprachtalent verfügen, ganz explizit als Marketing-Instrument an Anlässen und in bankeigenen Publikationen eingesetzt.

Zudem ist die Prognostiziererei für die Banken buchtsäblich Gold Wert. Jedesmal, wenn der CIO die Anlageklassen in den Kunden-Mandaten neu gewichten lässt, fallen Gebühren an – so einfach, wie man am Hebel einer alten Registerkasse zieht. Katsching!