Es ist eine grosse Gruppe, an die keiner denkt: Menschen, die sich sehr viel leisten können. Aber doch von Monat zu Monat durchkommen müssen.

«Wealthy hand-to-mouth»: So nennt sie ein Ökonomenteam der Universitäten Princeton und New York. Oder auf Deutsch: die Reichen, die von der Hand im Mund leben.

Es sind Personen, die zwar viel besitzen – Autos, Immobilien, Kleider –, aber kaum Ersparnisse vorweisen können. Was sie haben, ist ein hohes Einkommen (das sie nach Kräften ausgeben).

Und so sind es eben keine HNW- oder gar UHNW-Individuen, denn etwas Entscheidendes haben sie nicht: Wealth. 

Wer das ist? Jeder vierte Haushalt

Greg Kaplan (Princeton), Giovanni L. Violante (New York University) und Justin Weidner (Princeton) sind nun dem Verhalten und der ökonomischen Bedeutung dieser flüchtigen Reichen nachgegangen – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Bemerkenswert dabei, dass die Hand-in-den-Mund-Reichen eine sehr grosse Gruppe bilden. In Europa machen sie zwischen 20 und 30 Prozent der Haushalte aus (wobei sie in Deutschland bereits 30 Prozent erreichen).

Im angelsächsischen Raum – insbesondere in den USA – ist ihre Bedeutung noch grösser: Die tiefere Sparneigung und grössere Kreditbereitschaft wirkt sich auch hier aus. So dass in Amerika gegen 70 Millionen Menschen zur Gruppe der flüchtigen Reichen zählt (wobei die Ökonomen auch zwischen ärmeren Hand-in-den-Mund-Reichen und wohlhabenderen Vertretern unterscheiden).

Ideal für Konjunkturspritzen

Bedeutsam wird diese Gruppe, weil sie ein wichtiger Faktor in der Wirtschaftspolitik sein dürfte – und zugleich kaum beachtet wird.

Die HtM-Reichen sind sehr anfällig auf konjunkturelle und finanzpolitische Turbulenzen, so dass sie – mit ihrem rasch rückläufigen Konsum – zu einem Beschleuniger von Krisen werden. Auf der anderen Seite regen die drei Forscher an, einmal zu prüfen, ob man bei staatlichen Konjunkturprogrammen nicht auch an diese Gruppe denken sollte; denn durch ihre Konsumbereitschaft würde sich jeder Aufschwung in ihren Portemonnaies recht direkt auch in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage niederschlagen.

Und für Finanzinstitute, so könnte man hineininterpretieren, könnte es sich lohnen, auch hier Beziehungen aufzubauen und diesem Menschenschlag nach und nach eine höhere Sparneigung nahezulegen. Dies zumal die Zeit hier hilft: Viele HtW-Menschen werden mit steigendem Alter zu HWN-Individuen.