China bedeutet für alle etwas Anderes. Für John Ford, Anlageexperte bei Fidelity, steht das Reich der Mitte für eine heute rasant wachsende Konsummacht.

John_Ford_3John Ford (Bild), Chief Investment Officer von Fidelity International in Hongkong, beschreibt in einer dreiteiligen Artikelserie für finews.ch die fundamentalen Veränderungen in China und erklärt, was die Anleger daraus für Lehren ziehen können.

Der erste Beitrag erschien am 9. Mai 2011. Der zweite am 11. Mai. Der vorliegende Text schliesst die Serie ab.


«Wie sich der chinesische Konsument wandelt»

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Ich erkenne drei wichtige Trends, welche die Art und Weise verändern werden, in der die Chinesen einkaufen: Erstens werden sie anspruchsvoller einkaufen. Zweitens werden sie neue Einkaufsstätten nutzen und mehr im Inland konsumieren. Und drittens sind die lokalen Produzenten von Konsumgütern günstig positioniert – sie können sich schnell anpassen und das neue Umfeld nutzen.

Ausgeprägte strukturelle Veränderungen wie die Verstädterung, die ländliche Entwicklung und das Einkommenswachstum, sowie die staatlichen Reformen, haben die anspruchsvolle Konsummacht der chinesischen Bevölkerung signifikant erhöht.

Nicht nur mehr, auch besser einkaufen

Daher verzeichnen viele Sektoren, etwa die Automobilbranche, deutlich steigende Umsätze. Ebenso wichtig wie dieses Wachstum bei der Anzahl der Käufe, ist der Wandel hin zum höherwertigen Konsum, der die chinesische Konsum-Revolution typisiert.

Die Chinesen möchten nicht nur mehr, sondern auch besser einkaufen. Da immer mehr Chinesen in die Mittelschicht und in die wohlhabenden Schichten hineinwachsen, werden ihre Konsumkriterien zahlreicher und komplexer. Dabei gelten Marke, Qualität und Differenzierung als die wichtigsten Faktoren für ihre Kaufentscheidungen.

China gleich hinter Japan

Daher stelle ich schon jetzt fest, dass viele bereit sind, für bessere Qualität mehr zu bezahlen, und häufig kaufen sie wenige teure Gegenstände ein anstelle von vielen preiswerten Gütern.

Angesichts der Verkaufserfolge bei Schmuck, Designer-Kleidung und Accessoires überrascht es mich nicht, dass China beim Verkauf von Luxusgütern, die etwa 15 bis 20 Prozent der weltweiten Umsätze ausmachen, nur noch hinter Japan zurücksteht und somit den zweiten Platz einnimmt.

Nach Skandalen ein Hang zur Qualität

John_Ford_33Ich stelle zudem fest, dass Gesundheits- und Sicherheitserwägungen bei Kaufentscheidungen eine grössere Rolle spielen, vor allem nach einigen Skandalen bei der Produktsicherheit, etwa bei Milchpulver. Derartige Erwägungen veranlassen viele Chinesen, die es sich leisten können, zum Kauf von Gütern besserer Qualität.

Die Erschütterungen dieser neuen Konsum-Verhaltensmuster sind bereits in der Realwirtschaft sichtbar. Ich glaube, dass diese neuen Verhaltensmuster teilweise für den Erfolg des Einzelhandels in Hongkong verantwortlich sind. Tatsächlich haben einige Kaufhäuser im mittleren bis oberen Preissegment dank der Nachfrage von Besuchern aus dem chinesischen Mutterland nach Marken- und Luxusgütern sehr gut abgeschnitten.

Vom Laden an der Ecke zum Kaufhaus

Der Erfolg des Einzelhandels in Hongkong ist nicht nur ein Hinweis darauf, dass die Chinesen höherwertiger einkaufen. Er zeigt auch, dass sie sich zu neuen Konsumstätten hin orientieren.

Zwar sind Strassenverkäufer und Läden an der Ecke in China noch immer typisch, aber das Aufkommen von Supermärkten und Kaufhäusern ist unverkennbar. Ich meine, Supermärkte werden bald von vielen Chinesen für ihre täglichen Einkäufe und den wöchentlichen Metzgerei-Besuch bevorzugt werden.

Einkauf als Lieblingsbeschäftigung

Dieser Sektor dürfte in eine Phase des starken Wachstums eintreten, ähnlich zu der Entwicklung in Korea und Taiwan und könnte sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren gut verdoppeln. Kaufhäuser weisen ebenfalls ein signifikantes Wachstumspotenzial auf.

Nach einer aktuell in China durchgeführten Umfrage gaben 73 Prozent der Befragten an, dass sie Einkaufen als Freizeitaktivität betrachten, 45 Prozent bezeichneten es als eine ihrer Lieblingstätigkeiten, und etwas über die Hälfte meinte, es wäre eine der besten Möglichkeiten, Zeit mit der Familie zu verbringen.

Kaufhaus-Besitzer bauen aus

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Viele Betreiber von Kaufhäusern haben bereits damit begonnen, ihr Netzwerk beträchtlich auszuweiten. Darüber hinaus werden in den nächsten fünf Jahren zahlreiche Einkaufspassagen eröffnet, etwa im Umfeld des neuen U-Bahnnetzes in Peking.

Das Beispiel der Supermärkte beleuchtet ein weiteres Verhaltensmuster, das nach meiner Meinung die Art des Konsums in China verändert. Bis 2009 war die gemessen am Umsatz grösste Supermarkt-Kette in China ein ausländischer Konzern.

Qualität wird gesteigert

Dann wurde jedoch der chinesische Konzern RT-Mart China zum grössten Akteur in diesem Sektor. Zwar sind die Gründe für diese Entwicklung vielfältig und komplex, aber ich meine, daraus lässt sich ableiten, dass die Chinesen zunehmend eigene Produkte konsumieren.

Während vielen Jahren dominierten ausländische Marken die chinesischen Einkaufskörbe, teilweise wegen der auf Export und niedrige Kosten ausgelegten chinesischen Produktion im Inland. Heute jedoch steigern viele chinesische Unternehmen die Qualität ihrer Produkte und festigen ihre Marken, um vom Wachstumspotenzial zu profitieren, das der chinesische Konsument darstellt.

Reich im Binnenmarkt

Viele verbessern zudem ihre Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften, um besser informierte Konsumenten zu gewinnen. Interessant ist, dass die zehn reichsten Chinesen von heute ihre Vermögen im chinesischen Binnenmarkt aufbauten und nicht aus dem Exportgeschäft, wie man annehmen könnte.

Die Regierung will die Volkswirtschaft von ihrer Exportausrichtung befreien und stärker auf den Binnenkonsum ausrichten. Sie unterstützt diese Entwicklung über Vorschriften, die in den Augen einiger ausländischer Unternehmen und Entscheidungsträger inländische Hersteller begünstigen mehr auf Gegenseitigkeit setzen sollten.

Auf die Empfehlungen kommt es an

Aber der Grund, weshalb chinesische Unternehmen eventuell besser platziert sind als ausländische Hersteller, um vom Konsum-Boom in China zu profitieren, ist nicht rein regulatorischer Art. Obwohl sich die Konsumgepflogenheiten in vielerlei Hinsicht allmählich denen des Westens angleichen – das Markenbewusstsein ist hierfür beispielhaft – gibt es noch immer wichtige Unterschiede.

Empfehlungen stellen für die Einkaufsentscheidungen in China einen wichtigen Faktor dar, und diese Entscheidungen orientieren sich meist an der Familie. Chinesische Unternehmen sind offenbar besser in der Lage, diese Besonderheiten zu verstehen und darauf zu reagieren.

Zudem haben sie einen besseren Sinn und eine bessere Fähigkeit, sich an die Nuancen bei Geschmack und Gepflogenheiten anzupassen, die Chinas Regionen und Provinzen unterscheiden.

Im Wettbewerb mit den Grossen

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Tatsächlich haben sich viele der inländischen Produzenten und Anbieter von Konsumgütern und Dienstleistungen in China bereits von Small Caps hin zu Mid- und Large Caps entwickelt. In dieser Position konkurrieren sie nun mit den grossen internationalen Akteuren.

Symptomatisch für diese Entwicklung ist die hohe Zahl der Börsengänge in China. In den letzten zehn Jahren gingen in China (ohne Hongkong) über 1'000 Unternehmen an die Börse - die grösste Zahl an einem Markt weltweit. Auf Platz zwei steht Hongkong mit etwa 700 Börsengängen. Und dieser Trend lässt keine Anzeichen der Abschwächung erkennen.

Hype bei den Börsengängen

Allein im 1. Quartal 2011 gab es bereits über 60 Börsengänge. Hervorzuheben ist, dass etwa ein Viertel dieser Unternehmen aus dem Konsumgütersektor stammen und ihn für Anleger zu einer der interessantesten Anlage-Chancen für Wachstumswerte macht.

Besonders attraktiv sind dabei kleine und mittlere chinesische Unternehmen, die sich dem neuen Konsumverhalten der Chinesen schnell anpassen können, damit rasch Marktanteile gewinnen und zu Branchenführern aufsteigen werden.