Was jetzt in Zypern geschehe, sei nichts Geringeres als die Bankrotterklärung für das EU-Modell der Einlagensicherung, sagt Martin Hess von der Bankiervereinigung.

Martin_Hess_119x168_2Martin Hess ist Leiter Wirtschaftspolitik bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Ein ebenso alter wie schlechter Zaubertrick ist bei den EU-Finanzpolitikern gegenwärtig hoch im Kurs: Das Vortäuschen eines spezifischen Inhalts durch eine irreführenden Inhaltsangabe oder kürzer ausgedrückt der Etikettenschwindel.

Vor wenigen Tagen habe ich an gleicher Stelle dargelegt, dass die angestrebte Steuerharmonisierung in der Tat nichts anderes als ein schädliches Kartell darstellt. Nun also der Fall Zypern, wo am Wochenende EU-Politiker Kleinsparer dazu verknurrt haben, auf ihre gesicherten Einlagen eine Solidaritätssteuer von 6,75 Prozent zu entrichten.

Endlich ein Entscheid, so ist man geneigt zu sagen, der für einmal nicht den Steuerzahler allein zur Berappung der hausgemachten Krise verpflichtet. Was hier als Vermögenssteuer deklariert wird, ist ökonomisch jedoch schlicht ein Abschreiber auf gesicherte Einlagen. Dies ist nichts Geringeres als die Bankrotterklärung für das EU-Modell der Einlagesicherung.

Noch mehr Geld in die Schweiz?

Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die EU-Gläubigerländer damit selbst in den Fuss schiessen werden. Denn wenn die Einlagensicherung in Zypern nichts taugt, dann werden besorgte Sparer vorsorglicherweise ihre Bankguthaben bei anderen Banken in Schieflage räumen und – wieso nicht? – in die Schweiz in Sicherheit bringen.

Die EU-Finanzminister hätten so direkt zu einem Bank-Run und zur Destabilisierung des Finanzsystems angestiftet. Es gilt nun, den hervorgezauberten Hasen schleunigst wieder im Zylinder zu verstecken.

Eigentlich ein Grundlagenirrtum

Das Abkommen zwischen den Geberländern und Zypern beruht auf einem Grundlagenirrtum. Die Einlagensicherung ist ein Instrument zur Prävention von Krisen, indem sie Vertrauen bei den Anlegern schafft und so Bank-Runs entgegenwirkt. Missbraucht man die Einlagensicherung aber als Instrument zur Lösung einer systemweiten Krise, dann ist dies das beste Rezept für ein Finanzdisaster.

Das wirksamste Mittel zur Abfederung einer Krise ist ausreichend Kapital – so, wie es die Schweiz vormacht. Alle gesicherten Einlagen müssen mit 125 Prozent in der Schweiz gelegenen Aktiven unterlegt werden. Die Banken in der Schweiz verfügen auch über eine sehr komfortable Liquiditätsausstattung. Zusätzlich hat die Schweiz mit der Too-big-to-fail-Regulierung auch die systemrelevanten Banken krisenresistenter gemacht.

Noch nicht in Stein gemeisselt

Neben diesen präventiven Kapitalpolstern stehen zudem die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht und die Schweizerische Nationalbank mit makro-und mikroprudenziellen Instrumenten Möglichkeiten offen, durch ein frühzeitiges Eingreifen es gar nicht erst zu einem Sanierungsfall werden zu lassen.

Scheinbar ist das Abkommen aber noch nicht in Stein gemeisselt. Ich bin überzeugt, dass die europäischen Entscheidungsträger ihre Vereinbarung, gesicherte Einlagen bis 100'000 Euro anzutasten, schliesslich ganz fallen lassen werden.

Zuschauer werden misstrauisch

Üben die Zauberlehrlinge den Etikettenschwindel weiterhin in aller Öffentlichkeit, macht dies den Trick nicht besser. Im Gegenteil, die Zuschauer schulen ihr Auge und werden misstrauisch, was die Arbeit des Zauberers erschwert.

Es ist zu hoffen, dass sich die EU-Politiker auch in der Krise in Zukunft wieder den Benimmregeln – dem Etikett – wieder mehr Achtung schenken. Das gilt übrigens auch im Umgang mit der Schweiz.