Dem kümmerlichen Zinsniveau mit alternativen Obligationen-Strategien zu entfliehen, ist ein riskantes Unterfangen, findet Bernhard Urech und bricht eine Lanze für traditionelle Fixed-Income-Anlagen.


Herr Urech, zehn Jahre nach der Finanzkrise kämpfen Investoren immer noch mit tiefen Zinsen und bescheidenen Renditeerwartungen von traditionellen Fixed-Income-Anlagen. Warum eigentlich?

Jede Zinswende und jeden potenziellen Umkehrpunkt zu normaleren Niveaus mussten Anleger bislang kontinuierlich vertagen. Noch immer «rentieren» Schweizer Staatanleihen bis hin zu 10-jährigen Laufzeiten und deutsche Staatsanleihen bis zu 6-jährigen Laufzeiten negativ.

Eine Ausnahme gibt es zumindest.

Richtig, die US-Notenbank hat vor zwei Jahren einen vorsichtigen Zinszyklus eingeläutet, wobei aber auch hier bemerkenswert ist, dass vor allem eine massive Verflachung der Zinskurve ausgelöst wurde und 10-jährige Treasury-Renditen letztmals 2011 namhaft über 3 Prozent notierten.

Ist es jetzt endgültig an der Zeit, das Handtuch für Allokationen in traditionelle Obligationen zu werfen?

Natürlich sind solche Überlegungen nicht neu. Das Phänomen negativer Bondrenditen begleitet Anleger bereits vier Jahre, und natürlich haben Investoren in ihren Fixed-Income-Allokationen bereits versucht, darauf zu reagieren.

«Passive Bondstrategien weisen gewichtige Nachteile auf»

Zwei Trends sind dabei auszumachen: einerseits die vermehrte Passivierung auch im Bondbereich, andererseits die Erhöhung alternativer und vermeintlich attraktiverer Fixed-Income-Allokationen zu Lasten traditioneller Bond-Investments. Beide Trends sind aus meiner Sicht kritisch zu betrachten.

Warum?

Passive Bondstrategien weisen gewichtige Nachteile auf und machen im heutigen Umfeld nur begrenzt Sinn. Denn sie widerspiegeln die Vergangenheit und können strukturelle Veränderungen nicht antizipieren, wie die strukturelle Verschlechterung der Qualität des Bankensektors nach der Finanzkrise. Dies ist auch heute noch der mit Abstand grösste Sektor in Corporate Bond Indizes.

«Die Passivierung im Bondbereich hat das Potenzial, die Asset Allokation zu verschlechtern»

Ausserdem sind passive Bondstrategien prozyklisch und verstärken somit unbesehen jeden Trend, wie die steigende Duration der Indizes je tiefer die Zinsen sinken, oder die steigende Gewichtung von Ländern, Sektoren und Unternehmen je höher deren Verschuldung ist.

Summa summarum hat die Passivierung im Bondbereich das Potenzial, die Asset Allokation zu verschlechtern, und das unter Umständen gerade im dümmsten Moment.

Was halten Sie von alternativen Fixed-Income-Strategien?

So versuchen Anleger, dem kümmerlichen Zinsniveau zu entfliehen und höhere Einkommen und Renditen zu erzielen. Dabei werden die traditionellen Ertragsquellen im Fixed Income, also Zins, Laufzeit und Kreditprämie von Investment Grade Government und Corporate Bonds, ersetzt durch alternative Ertragsquellen wie Illiquidität, «Manager Skills» oder schlichtweg durch eine Verschlechterung der Kreditqualität.

«Das muss man sich schon gründlich überlegen»

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder System fallen darunter Private Debt, Infrastruktur und Real Estate Debt, Bank Loans, hybrides und tief nachrangiges Kapital, aber auch «unconstrained» Absolut-Return-Strategien, die sich auf das Versprechen eines Managers und das Vertrauen eines Investors komprimieren lassen.

Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob alternative Fixed-Income-Strategien wirklich geeignet sind, traditionelle Fixed-Income-Anlagen abzulösen.

Stimmt, das muss man sich schon gründlich überlegen. Fixed-Income-Management und Fixed-Income-Allokation sind immer geprägt von Risikoüberlegungen, und die starke Fokussierung auf Erträge wird der Anlageklasse und deren Einsatz schlichtweg nicht gerecht.

Im Bondmanagement selbst steht einem fixen und begrenzten Ertrag (Coupon oder Rendite) immer der Totalverlust im Falle eines Defaults gegenüber, und angesichts dieser Asymmetrie ist Risikomanagement zentral.

«Traditionelle Bond-Investments sollten einen hohen Stellenwert behalten»

Und in der Asset Allokation kann das Risikoprofil des Investors nur über den Einsatz von Fixed Income Anlagen mit angemessener Qualität gesteuert werden. Die deutliche Erhöhung alternativer Fixed-Income-Allokationen zu Lasten traditioneller Bonds hat das Potenzial, das Gesamtrisiko des Vermögens ebenso deutlich zu verändern.

Also raten Sie doch zu einer traditionellen Fixed-Income-Allokation – aber wie?

Traditionelle Bond-Investments sollten tatsächlich auch in Zukunft einen hohen Stellenwert in der Asset Allokation behalten – ganz abgesehen davon, dass sie schlicht eine der grössten Anlageklassen sind und auch bleiben, und dass im institutionellen Bereich regulatorische Anforderungen die Bond-Allokation vorschreiben.

«Das sind attraktive Renditen, vor allem in Relation zum konservativen Risikoprofil»

Ich breche also eine Lanze für traditionelle Fixed-Income-Allokationen, das heisst für traditionelle Investments in Investment Grade Government und Corporate Bonds, welche die erforderliche Risikoqualität aufweisen, und die immer noch einen (realen) Return-Beitrag in der jeweiligen Referenzwährung liefern.

Was lässt sich denn mit einem solchen «traditionellen», «risikobewussten» und stark durch aktive Bondselektion und Relative-Value-Überlegungen geprägten Portfolio verdienen?

Bei einer Duration von nur knapp drei Jahren und einem Durchschnittsrating von Single-A lässt sich im Moment eine Rendite – nach Währungsabsicherungs-Kosten – von 1,5 Prozent in Franken, von 2 Prozent in Euro und von 4,3 Prozent in Dollar erzielen. Das sind attraktive Renditen, vor allem in Relation zum konservativen Risikoprofil und gegenüber vergleichbaren Staatsanleihen oder anderen Benchmarks.

Letztlich sind die meisten Investoren an einer Steigerung ihrer Kaufkraft und an einer realen Rendite interessiert – und nicht an einer nominalen «Geld»-Rendite. Traditionelle Bond-Portfolios mit den erwähnten Renditen und der beschriebenen Struktur sind in allen Währungen auch heute durchaus in der Lage, über einen Investitionshorizont von drei bis fünf Jahren dieses Ziel zu erreichen.


Bernhard Urech ist seit Anfang Juli 2018 Leiter des Portfolio-Managements bei dem auf Fixed-Income-Anlagen spezialisierten Vermögensverwalter Pilatus Partners in Zürich. Er verfügt über 15 Jahre an Erfahrung im Management von festverzinslichen Portfolios für diverse Asset-Management-Firmen. Zuletzt arbeitete er bei Julius Bär respektive für GAM als ‹Head of Fixed Income Interest Rates›.