Die fundamentale Rolle der Vermögensentwicklung geht bei der Diskussion um die berufliche Vorsorge oft vergessen. Würde der Vermögensbeitrag ins Zentrum gerückt, liesse sich der Generationenkonflikt in der 2. Säule entschärfen, schreibt Hans-Ruedi Mosberger von der Bankiervereinigung (SBVg).

Mosberger 134Hans-Ruedi Mosberger ist Leiter Asset Management & Sustainability bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg)

Rund 40 Prozent der Finanzierung der beruflichen Vorsorge können in den zehn Jahren von 2009 bis 2018 dem dritten Beitragszahler zugerechnet werden. Neben den Arbeitgebern und Arbeitnehmern als bekannte Beitragszahler der beruflichen Vorsorge spricht man beim Ertrag auf dem angelegten Vermögen vom sogenannten «dritten Beitragszahler».

Diese fundamentale Rolle des dritten Beitragszahlers scheint leider oft in den Hintergrund zu geraten oder ganz vergessen zu gehen. Krampfhaft wird versucht, über annahmegetriebene Modelle kurzfristige Mindest- und Sollrenditen in Abhängigkeit von strukturellen und finanziellen Risikofähigkeiten zu bestimmen und daraus die optimale Anlagestrategie abzuleiten.

Technische Parameter nicht entscheidend

Kleinste Änderungen bei den getroffenen Annahmen führen dabei zu signifikant anderen Strategien, bevor überhaupt der erste Franken angelegt wurde. Verstehen sie mich nicht falsch: solche Modelle sind nützlich, denn sie erlauben es, das System Pensionskasse besser zu verstehen. Es wäre aber illusorisch, wenn nicht sogar gefährlich zu glauben, dass sich damit eine Performance «engineeren» liesse.

Entscheidend für die finanzielle Sicherheit der Rentner sind nicht die Höhe des Umwandlungssatzes für den BVG-Anteil oder die Mindestverzinsung der Altersguthaben. Entscheidend ist die Höhe des angesparten Kapitals zum Rücktrittszeitpunkt und damit verbunden die Realverzinsung der Altersguthaben über die gesamte aktive Karriere. Wir reden hier über einen Zeitraum von rund 40 Jahren.

Mehrwert generieren

Liegen die Vermögenserträge über der Inflationsrate und ist die Pensionskasse auch sonst nach versicherungstechnischen Prinzipien finanziert, so wird ein erstes Minimalziel des Kapitaldeckungsverfahrens erfüllt. Gelingt es der Pensionskasse darüber hinaus, mit ihrer Anlagetätigkeit am Wirtschaftswachstum zu partizipieren, kann sie für die Versicherten – über den Erhalt der Kaufkraft hinweg – einen zusätzlichen Mehrwert generieren.

Natürlich braucht es eine Anlagestrategie, welche die Grundsätze der Vermögensanlage wie Diversifikation und diszipliniertes Vorgehen mit den spezifischen Charakteristiken der Pensionskasse in Einklang bringt. Asset Management ist per Definition immer auch Risikomanagement und dabei müssen alle materiellen Risiken integrativ berücksichtigt werden.

Symbiotische Gemeinschaft

Erwähnenswert ist in diesem Kontext auch, dass sowohl die Rentner als auch die aktiven Versicherten in Bezug auf die Vermögensanlage voneinander profitieren können. Die Rentner sind kapitalstark und ermöglichen dadurch den Pensionskassen, mit entsprechenden Volumina effizient in den Märkten zu investieren. Die aktiven Versicherten mit ihrem langen Zeithorizont und den laufenden Beiträgen sind wichtig für die Risikofähigkeit. Nur mit ihnen sind Anlagestrategien umsetzbar, die über das entsprechende Wachstumspotenzial verfügen.

Die Beziehung zwischen aktiven Versicherten und Rentnern sollte als eine symbiotische Gemeinschaft dargestellt – und nicht als ein Generationenproblem betrachtet – werden. Diesem Ansatz stehen heute die systematischen Umverteilungen von Jung zu Alt im Weg, da sie den Sparprozess der Aktiven erodieren lassen und deshalb in einem nachhaltigen Pensionskassenmodell fehl am Platz sind.

BVG-Reformen zielen an den Vermögen vorbei

Die unlängst publizierte Swisscanto Pensionskassenstudie 2020 zeigt, dass längst nicht alle Pensionskassen nachhaltig unterwegs sind und das Potenzial der Vermögensanlagen nutzen. Deshalb erstaunt es auch, dass die aktuellen Diskussionen zu den BVG-Reformen die Rahmenbedingungen für die Vermögensanlage in keiner Weise tangieren. Dabei ist es offensichtlich, dass es für die Sicherung der langfristigen Renten gerade dort Handlungsbedarf gibt.

Bei einer Reform, die diesen Namen auch verdient, muss der Fokus auf den wesentlichen, langfristigen und damit nachhaltigen Aspekten liegen. Oder ist jemand damit einverstanden, nur kurzfristig die Finanzierung über Umverteilung zu lösen und Modellschwächen über politische Stellschrauben symptomatisch zu behandeln? Das aktuelle Vorgehen löst weder die Ursachen des Problems, noch stärkt es das Vertrauen in die berufliche Vorsorge.