Die Manager, die sich mit ihren übermenschlichen Arbeitszeiten brüsten, werden seltener. Trotzdem sind die Arbeitszeiten heute noch länger, als dies optimal wäre, wie zwei Beispiele zeigen.

Das Beispiel des Unternehmers Lasse Rheingans machte dank dem «Wall Street Journal» (Artikel bezahlpflichtig) weltweit Furore: Der Eigentümer einer kleinen IT-Beratungsfirma in Bielefeld hat den fünf-Stunden-Tag eingeführt.

Seine These: In ungestörten 25 Stunden können die Mitarbeiter genauso viel leisten wie in einer 40-Stunden-Woche, welche immer wieder durch Soziale Medien, Emails, Sitzungen und News-Websites unterbrochen wird. Zudem lässt der Feierabend um 13 Uhr den Mitarbeitern mehr Zeit für ihre Familien und Hobbys.

Abstriche gefordert

Um in der kürzeren Zeit gleich viel zu erreichen, mussten die Angestellten von Rheingans Digital Enabler auch Abstriche machen: Die Handys müssen in der Tasche bleiben, Soziale Medien sind auf den Firmen-Computern blockiert und Smalltalk während der Arbeitszeit ist explizit nicht erwünscht.

Die grösste Herausforderung für ein Modell wie dasjenige von Rheingans ist allerdings nicht praktischer Natur: Die Arbeitskultur. In der Bielefelder IT-Agentur werden Emails zum Beispiel bloss zwei Mal täglich gelesen.

Erfolg im ersten Jahr

Kunden daran zu gewöhnen, dass sie nicht immer sofort eine Antwort bekommen, kann gerade im Dienstleistungsbereich schwierig sein. Für einige Mitarbeiter war es auch eine Umstellung, während der Arbeitszeit nicht mit der Familie kommunizieren zu können.

Doch sein Erfolg gibt Rheingans recht. Er übernahm das Unternehmen 2017 und konnte 2018, in seinem ersten vollen Jahr als Eigentümer, einen Profit verbuchen, wie das «Wall Street Journal» schrieb.

Selbst Banker wollen weniger arbeiten

Der Schluss liegt nahe, dass im Dienstleistungsbereich die meisten Firmen ihre Angestellten nach fünf Stunden nach Hause schicken sollten. Schliesslich seien die meisten Angestellten ohnehin nur vier bis fünf Stunden pro Werktag produktiv, zitiert die US-Wirtschaftszeitung eine Studie.

Bei grossen Unternehmen mit Angestellten in verschiedenen Zeitzonen oder einer Verpflichtung gegenüber den Kapitalmärkten könnte dieser fünf-Stunden-Tag an der Realität scheitern. Wobei auch die als Workaholics verschrienen Banker gern kürzere Tage hätten: Industrievertreter forderten mehrere Europäische Börsen kürzlich dazu auf, die Handelszeiten von 8,5 Stunden auf 6,5 Stunden zu kürzen, wie die britische Zeitung «The Guardian» schrieb.

Auch bei Grossunternehmen wirksam

Um das zu bewältigen, wäre trotzdem ein Arbeitstag von deutlich mehr als fünf Stunden nötig. Eine Senkung der Wochenarbeitszeit hat allerdings einen ähnlichen Effekt, wie ein zweites Beispiel von einem Weltkonzern zeigt.

Der amerikanische Software-Gigant Microsoft führte im Sommer in Japan die vier-Tage-Woche ein – allerdings nur testweise. Auch dort waren die Resultate vielversprechend.

Pionier aus Neuseeland

Während Meetings kürzer wurden und der Strom- und Papierverbrauch sank, waren die Angestellten 40 Prozent produktiver. Microsoft will das Experiment im Winter wiederholen, liess allerdings noch nicht durchblicken, ob die verkürzte Woche auch andernorts getestet werden soll.

Vom Nutzen einer verkürzten Arbeitswoche ist zum Beispiel der neuseeländische Unternehmer Andrew Barnes felsenfest überzeugt. Bei seinem eigenen Unternehmen Perpetual Guardian mit 240 Angestellten verkürzte er die Arbeitswoche auf vier Tage und sieht sich damit als weltweiter Pionier.

Handfeste Vorteile

Vom Erfolg dieser Politik begeistert, gründete er eine gemeinnützige Organisation. Die Vorteile, welche er dort geltend macht, dürften auch in der arbeitsamen Schweiz einige Skeptiker überzeugen:

Die Betriebskosten sinken und die Angestellten bleiben der Firma länger treu. Zugleich steigt die Qualität der Arbeit, da die Leute zufriedener und ausgeruhter sind und folglich weniger Fehler machen.