Er zählt zu den angesehensten Winzern Deutschlands: Markus Schneider aus der Pfalz. Im Interview mit finews.ch stellt er fest, dass sich die Welt bis vor Corona zu schnell gedreht hat. Er verrät auch, wie er mit Rückschlägen umgeht, und warum er jeden Tag aufs Neue demütig ist. 


Herr Schneider, Sie sagen gerne: Wenn's so weitergeht, bin ich zufrieden. Jetzt erleben wir aber gerade, dass sich die Welt massiv verändert. Was werden wir derinst aus dieser Zeit mitnehmen?

Ich hoffe nicht, dass wir uns künftig nur noch via Video-Konferenz unterhalten, und dass wir keine Nähe mehr zulassen können. Aber es war in der jüngsten Vergangenheit auch alles zu viel. Die Welt hat sich zu schnell gedreht.

Und trotzdem: Ich war am 11. September 2001 in New York, oder betrachten wir die Finanzkrise 2008. Danach wurde es nicht ruhiger, es wurde bloss alles noch schneller. Alle sagen, jetzt werden wir künftig anders miteinander umgehen. Ich bezweifle das einerseits, andererseits hoffe ich sehr, dass sich etwas positiv verändern wird.

Wie wirkt sich die aktuelle Situation derzeit auf Ihren Alltag aus?

Wir Winzer, oder ich spreche jetzt mal für alle Landwirte, wir sind natürlich krisenerprobt. Das hat im Moment keiner so richtig auf dem Schirm: Aber am 20. April 2017, da hatten wir im Ort 6 Grad Minus, und waren mit dem Austrieb schon sehr weit. Wir haben damals in einer einzigen Nacht in vielen Weinbergen jeden einzelnen Trieb an den Stöcken verloren.

«Der Jahrgang 2019 ist absolut hervorragend»

Das heisst für uns: Ein Verlust, der uns von der Natur zugefügt wird, das sind wir gewöhnt. Natürlich ist das, was jetzt passiert, nicht vergleichbar, weil die ganze Welt betroffen ist. Aber für uns ist es üblich, dass wir mit Krisen, hohen Verlusten und Einschränkungen umgehen müssen.

Was lagert denn derzeit in Ihren Fässern?

Das ist natürlich sowas, was alles ein bisschen untergeht im Moment in der Kommunikation, aber sich im Glas widerspiegelt: Ich habe via Social Media so viele Reaktionen wie noch nie auf einen Jahrgang. 2019 ist absolut hervorragend.

«Auf meinen Reisen habe ich festgestellt, dass in der südlichen Hemisphäre alle von Bubbly sprechen»

Vielleicht ist es auch der Tatsache geschuldet, dass viele Leute zu Hause sind. Aber ich habe derzeit sicherlich die fünf- bis sechsfache Anfragenmenge, Lob oder Bilder, die ich geschickt bekomme wegen des 2019er-Jahrgangs.

Was trinken wir heute?

Das ist einmal der Bubbly. Auf meinen Reisen habe ich festgestellt, dass in der südlichen Hemisphäre alle von «Bubbly» sprechen, so wird der «Sparkling» Sekt liebevoll bezeichnet. In unserem «Bubbly» ist jetzt ein Grossteil Chardonnay, eine kleine Menge Pinot Noir, es ist eine Flaschengärung.

Der Black Print – ohne ihn würde das Weingut Schneider nicht existieren. Dieser Wein hat uns bekannt gemacht, und er hat uns auch die Möglichkeit gegeben, wieder zu investieren. Wir waren in der Anfangszeit nur von fremden Kapital abhängig.

«Für mich als Mensch Markus Schneider ist das der wichtigste Weinberg»

In den ersten Jahren war einfach nichts da von der Familie. Und deswegen war dieser Erfolg, den wir mit Black Print erfahren haben, ganz wichtig für die Entwicklung des Weingutes. Dann noch: das Einzelstück – unser ältester Weinberg. Für mich als Mensch Markus Schneider der wichtigste Weinberg. Da haben viele Generationen meiner Familie schon drin gearbeitet.

Möchten Sie Ihren Wein nicht international noch bekannter zu machen?

Natürlich ist es schön, wenn man hier und da noch eine Listung bekommt. Aber wir sind hier im Weingut im Schnitt nach sechs Monaten ausverkauft. Und jetzt zeigt uns ja diese weltumfassende Krise, wie schön es ist, wenn man zu Hause einen Markt hat und auch treue Kunden, die mit einem da durchgehen.

Die Richtung, die wir einst vorgegeben haben – erst Deutschland und dann schauen wir mal ist jetzt im Nachhinein betrachtet absolut richtig.

In welcher Situation verspüren Sie das Gefühl, nach Hause zu kommen?

Egal, woher ich komme, ich reise immer über die Autobahn A 650 an. Wenn ich dort fahre und sehe, so auf der Höhe von Maxdorf, die Pfalz und die ersten Weinberge, dann fühle ich mich daheim. Ich reise viel, habe eine kleine Wein-Produktion in Portugal und eben auch in Südafrika.

«Ich stehe jeden Morgen am gleichen Fenster, putze mir die Zähne und denke dabei, danke, danke»

Aber wenn ich in Kapstadt bin und es sind drei oder vier Tage um, dann merke ich, dass ich wieder heim will.

Wie gehen Sie mit dem Erfolg um, den Sie mittlerweile haben?

Jeden Tag bin ich demütig und dankbar. Jeder, der mich nicht kennt und das hört, denkt: Oh, der Schneider, was für ein Spruchbeutel. Doch jeder, der mich kennt, weiss auch, dass es von Herzen kommt. Ich stehe jeden Morgen am gleichen Fenster, putze mir die Zähne, schaue aus dem Fenster und denke dabei, danke, danke.

«Heute habe ich fünf Stunden lang Rotwein probiert»

Natürlich kostet unsere Arbeit auch viel Kraft. Heute Morgen habe ich fünf Stunden lang Rotwein probiert, einzelne Fässer bewertet, das sehen ja viele nicht, die etwas kritisieren. Die sagen: ...beim Schneider, da läuft es ja gerade so, als wenn nichts wäre. Aber ich kann Ihnen sagen: So ist es nicht. Es ist jeden Tag ein Hinterfragen und ein Neu-Angreifen.

Sie haben zwei Kinder. Sollen sie mal in Ihre Fussstapfen treten?

Ja, das wünscht sich wohl jeder. Es gibt für uns drei Szenarien: Einer übernimmt es, beide übernehmen es, keiner übernimmt es. Und dann ist das so. Schön wär's natürlich. Ich denke, wir haben jetzt den Grundstein gelegt mit den ganzen Pflanzungen, dass die Weinberge in zwanzig, dreissig Jahren ein Alter haben, um ganz grosse Weine daraus zu produzieren.

«Bis dahin mach' ich eben weiter»

Es gibt keinen Investitions-Stau, es ist alles da und das Weingut macht einen Riesenspass. Im Endeffekt müssen sie natürlich das machen, was sie glücklich macht. Wir haben ja noch Zeit mit der Entscheidung und bis dahin mach' ich eben weiter.


 Das Interview führte die Journalistin Susanne Kripp. Sie arbeitet für die Webseite #einstückpfalz.