Mit dem Anstieg der Inflationserwartungen nach der US-Präsidentenwahl kehrt ein totgeglaubter Spieler zurück – die Teuerung. Dieter Gassner von LGT Capital Partners sagt, weshalb das nicht zu unterschätzen ist.


Herr Gassner, nach dem jahrelangen Kampf der Zentralbanken gegen zu tiefe Preise soll die Teuerung nun plötzlich anziehen. Wieso?

Korrekterweise müssen wir festhalten, dass die Inflation etwa in den USA bereits seit April 2015 kontinuierlich ansteigt. Damals war die jährliche Inflation mit -0,2 Prozent noch negativ, derzeit steigt das allgemeine Preisniveau mit einer Rate von 1,7 Prozent an.

Ähnliches gilt für Europa, wobei das absolute Niveau deutlich tiefer ausfällt. Damit haben die Zentralbanken mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik ihr Hauptziel erreicht und eine anhaltende Deflation abgewendet. Die Rohstoffpreise haben sich nach dem Preiskollaps von ihren Tiefstständen deutlich erholt, und gerade der Ölpreis dürfte durch die Einigung der OPEC über eine Förderkürzung gut unterstützt werden.

«In Europa wird es noch einige Quartale dauern, bis wir von einer Trendwende sprechen können»

Die politische Entwicklung deutet ebenfalls darauf hin, dass die Inflation weiter steigen dürfte. Protektionismus und fiskalpolitische Massnahmen erhöhen den Inflationsdruck, da auf dem US-Arbeitsmarkt gemäss Statistiken bereits Vollbeschäftigung herrscht.

Gilt dies für alle Länder gleichermassen, oder vornehmlich für die USA?

In den USA ist diese Entwicklung sicherlich am weitesten fortgeschritten. Mit Verzögerung wird dies aber auch einen Einfluss auf andere Wirtschaftsräume haben. Die Dynamik hängt dabei vom Stand im Wirtschaftszyklus ab.

In Euroland ist das Wachstum nach wie vor schwach, die Arbeitslosigkeit hoch und die Kreditvergabe gedämpft. Hier wird es noch einige Quartale dauern, bis wir von einer definitiven Trendwende sprechen können.

«Als Konsequenz sanken die Zinsen auf historische Tiefststände»

Global müssen wir auch China im Auge behalten. Jahrelang exportierte China Deflation. Die Produzentenpreise waren seit 2012 rückläufig. Seit September sind diese nun wieder im positiven Bereich, und per Ende November lag der Wert bereits bei 3,3 Prozent.

Was bedeutet dies für Anleger?

Wir hatten fast drei Jahrzehnte lang sinkende Inflationsraten und sehr tiefe Erwartungen aufgrund der Krisenbewältigung in den vergangenen Jahren. Als Konsequenz sanken die Zinsen auf historische Tiefststände, und die Anleihenpreise stiegen.

«Die Frage lautet nicht Aktien oder Obligationen, sondern nominale oder reale Investitionen»

In einem Szenario steigender Inflationsraten wird dieser Trend korrigieren, und es gilt, das Portfolio neu auszurichten. Anleihen haben auch in inflationären Szenarien ihre Berechtigung als defensive Anlage. Inflationsgeschützte Anleihen werden in einem Umfeld steigender Teuerungserwartungen besser abschneiden als Nominalanleihen und sind daher die bessere Wahl.

Ist es für Anleger in Zeiten steigender Teuerung nicht sinnvoller, Aktien statt Obligationen zu halten?

Die Frage muss nicht lauten Aktien oder Obligationen, sondern nominale oder reale Investitionen. Dann gibt es sowohl im Obligationen- als auch im Aktienbereich Segmente, die zu bevorzugen sind. Innerhalb der Aktien sind Sektoren zu bevorzugen, die wenig inflations- bzw. zinssensitiv sind oder, wie im Falle von Finanztiteln, von höheren Zinsen profitieren würden.

Bei den Obligationen sind Papiere mit variabler Verzinsung sowie hochverzinsliche Anleihen von Unternehmen oder Schwellenländern mit kürzeren Laufzeiten oder eben inflationsgeschützte Anleihen zu favorisieren.


Dieter Gassner, Head G10 Rates & FX der LGT Capital Partners, verfügt über 24 Jahre Anlagerfahrung. Er arbeitet seit 1991 für LGT und ist seit der Auflegung des LGT Bond Fund Global Inflation Linked Fonds für dieses Portfolio verantwortlich. Dank des langjährigen Anlagerfolgs hat der Fonds mehrfach renommierte Auszeichnungen gewonnen