Viele Krankheiten sind heute durch medikamentöse Therapien gut behandel- und heilbar. In einigen Fällen wie Parkinson, Epilepsie oder chronischen Rückenschmerzen erreichen sie jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Hier können Neurostimulatoren Hilfe bieten – und dank der Digitalisierung drängen zunehmend bessere und kleinere Geräte auf den Markt.

Von Stefan Blum, Bellevue Medtech & Services und Bellevue Digital Health

Es sind keinesfalls seltene Phänomene: Krankheiten, die medikamentös nicht oder nur unzureichend behandelbar sind. Die Parkinson-Krankheit, die das Bewegungsverzögerungen, Zittern und Muskelsteifigkeit mit sich bringt und in vielen Fällen zur Pflegebedürftigkeit führt, gehört dazu.

Ebenso die Epilepsie, bei der die Häufigkeit und Schwere der epileptischen Ausfälle zur Arbeitsunfähigkeit führen können – oder chronische Rückenschmerzen, die ebenfalls die Arbeitsfähigkeit massiv herabsetzen können. Alle diese Krankheiten sind chronisch und nicht heilbar und meist haben Patienten bereits eine Vielzahl an erfolglosen Therapien hinter sich.

Hoffnungsträger Neurostimulation

Aber auch für die Volkswirtschaft sind diese Leiden sehr belastend. So liegen etwa die gesellschaftlichen Gesamtkosten von Parkinson in den USA bei 52 Milliarden Dollar, chronische Schmerzen schlagen sogar mit 500 Milliarden Dollar zu Buche. Darin enthalten sind nicht nur die medizinischen Bandlungen, sondern auch die Ausgaben, die durch Arbeitsausfälle, Sozialleistungen und Ähnliches entstehen.

Die Neurostimulation als Therapiemöglichkeit kommt für all diese Krankheiten in Betracht, weil sie durch gezieltes Reizen das Nervensystem inkl. Gehirn beeinflussen kann. Dank der fortschreitenden Digitalisierung haben sich die Verfahren besonders in den letzten Jahren beeindruckend schnell und umfassend weiterentwickeln können – ein Trend, der auch in den kommenden Jahren weitergehen dürfte. Auf dem Markt für Neurostimulatoren spielen dabei sowohl Konzerne als auch Start-ups mit.

Hervorragende medizinische Daten

Die für medikamentenresistente Epilepsie zugelassenen Neurostimulatoren stammen massgeblich von drei Unternehmen. Das RNS 320 System von NeuroPace wurde speziell für die Behandlung von Epilepsie entwickelt und liefert hervorragende medizinische Daten: So reduzierte sich die Anfallsfrequenz nach drei Jahren im Median um 82 Prozent.

Das System funktioniert über responsive Neurostimulation mittels zweier Elektroden im Gehirn: Eine von ihnen misst die Ströme. Kündigt sich darüber ein epileptischer Anfall an, gibt die andere Elektrode eine leichte Stimulation ab und verhindert diesen. Wir sprechen hier von einem sogenannten Closed Loop System. Die Daten werden kontinuierlich aufgezeichnet.

Aufzeichnung der Hirnströme

Dadurch wird es möglich, neue Erkenntnisse über das Krankheitsbild zu gewinnen, aber auch die konkrete Ausprägung der Epilepsie beim entsprechenden Patienten genauer zu bestimmen. Zudem ermöglicht das System eine telemedizinische Überwachung. Der Percept PC von Medtronic kann sowohl für Epilepsie als auch bei Bewegungsstörungen wie Parkinson eingesetzt werden.

Nach programmiertem Muster werden hier Reize per tiefer Hirnstimulation abgegeben. Auch dieses Gerät ermöglicht die Aufzeichnung der Hirnströme. Das dritte Gerät, Santiva & Aspire von LivaNova, funktioniert dagegen über die Stimulation der Vagusnerven. Es war der erste Neurostimulator, der für Epilepsie zugelassen wurde, hat aber bereits an Bedeutung verloren.

Chronische Rückenschmerzen

Bei der Behandlung von Bewegungsstörungen wie Morbus Parkinson ist der oben genannte Percept PC von Medtronic mit dem breitesten Zulassungsprofil klarer Marktführer. Abbott liefert mit dem Infinity ein neuerdings auch telemedizinisch über deren Plattform Neurosphere programmierbares Gerät. Boston Scientifics Vercise Genus kann die höchste Batteriekapazität vorweisen.

Chronische Rückenschmerzen können durch die Stimulierung des Rückenmarks behandelt werden. Bei allen aktuellen Geräten werden dazu Elektroden in der Nähe des Rückenmarks unter die Haut implantiert, der Stimulator befindet sich in der Regel nahe des Steissbeins.

Wichtiger Newcomer

Aktuell hat Boston Scientific mit seinem Spectra WaveWriter Medtronic als Marktführer abgelöst. Abbott konnte mit Proclaim ein neues, vielversprechendes Verfahren auf den Markt bringen. Wirklich vorangebracht hat das Thema allerdings ein Newcomer: Mit Senza Omnia der Firma Nevro ist ein neues Produkt auf dem Markt, das sowohl beste klinische Daten als auch innovative digitale Integrationsmöglichkeiten mitbringt.

Senza Omnia soll dabei nicht nur bei Rückenschmerzen helfen: Perspektivisch ist die Ausweitung der Indikation unter anderem für diabetische Neuropathie geplant.

Hohes Innovationspotenzial

Generell dürfte sich der Markt für Neurostimulatoren in Zukunft dynamisch entwickeln: Aufgrund der Digitalisierung mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning ist zu erwarten, dass die Geräte der Zukunft weiterlernen und sich selbst verbessern können.

Gleichzeitig wird es auch möglich, immer kleinere Geräte und Elektroden zu produzieren, die entsprechend leichter implantiert werden können. Das Innovationspotenzial in diesem Bereich ist also entsprechend hoch.

Nachhaltige Outperformance

Mit Blick auf den Bereich der Neurostimulation sind besonders zwei unserer Fonds für Investoren interessant. Der Bellevue Medtech & Services setzt auf nachhaltige Outperformance mit einem klaren Fokus auf Large Caps.

Per August 2021 waren 17 Prozent der Portfolios in Unternehmen investiert, die mit Neurostimulation zu tun haben, nämlich: Medtronic, Boston Scientific, Abbott, Nevro, Inspire Medical und Axonics. Der Bellevue Digital Health, der auf schnellwachsende Digital Health-Unternehmen mit hohen Renditeerwartungen fokussiert, ist mit 10 Prozent seines Portfolios in NeuroPace, Nevro, Inspire Medical und Axonics investiert.