Markus Werner, Leiter Intermediary Business, und Christopher Greenwald, Leiter Sustainable Investing bei LGT Private Banking, berichten über aktuelle Entwicklungen im Bereich Shareholder Engagement. Diese neue Dimension des nachhaltigen Investierens eröffnet Chancen für Vermögensverwalter.

ESG-Fonds haben in den letzten Jahren ein breites Anlegerpublikum gefunden. Ende 2022 waren in Europa bereits 22 Prozent der gesamten Fondsvermögen in nachhaltigen Fonds investiert. Und das zunehmende Shareholder Engagement dürfte das Wachstum weiter ankurbeln.

Dieses aktive Engagement umfasst insbesondere Treffen von Asset Managers mit den Geschäftsleitungen der Unternehmen, in die sie investiert haben. Um Klimaschutz- und andere Nachhaltigkeitsthemen anzugehen, sollen die Firmen in Gesprächen zu Verbesserungen in wichtigen Nachhaltigkeitsbereichen bewegt werden – von betrieblichen Optimierungen bis hin zur Neuausrichtung der Unternehmensstrategie.

Mehr Einfluss auf die Unternehmen

In der Vergangenheit ging das Engagement primär von institutionellen Vermögensverwaltern mit grösseren Analystenteams aus. Mittlerweile engagieren sich aber auch immer mehr kleinere Vermögensbesitzerinnen und Asset Manager.

Dies erweitert die Reichweite des Engagements und verstärkt dessen Einfluss auf die Unternehmen.

Performancesteigerung und konkrete Verbesserungen

Die Vorteile von Shareholder Engagement entkräften einige der zentralen Kritikpunkte am nachhaltigen Investieren: Der erste Kritikpunkt betrifft den Ausschluss problematischer Sektoren wie Bergbau oder Erdöl und Erdgas. Dies könne zu erhöhter Volatilität führen und die Portfoliorenditeschmälern, wird argumentiert.

Mittels Engagement können sich hingegen Investorinnen und Investoren aktiv beim Management solcher Unternehmen einbringen, und so die Nachhaltigkeitsprobleme angehen, ohne die betreffenden Sektoren vom Portfolio ausschliessen zu müssen.

Über die Zeit besser

Statt die betreffenden Unternehmen zu meiden, können sie deren Unternehmensleitungen direkt konfrontieren – und diese darin bestärken, ihre Nachhaltigkeitsrisiken zu verkleinern sowie ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt zu verbessern.

Zweitens bezweifeln noch immer viele Privatanlegerinnen und -anleger die ebenbürtige Performance nachhaltiger Anlagen. Einige der aussagekräftigsten Untersuchungen zu nachhaltigen Anlagen zeigen jedoch im Gegenteil eine Outperformance von Unternehmen, die ihr Nachhaltigkeitsprofil über die Zeit verbessern.

So hat zum Beispiel MSCI gezeigt, dass die MSCI World Index-Aktien mit stärkerem ESG-Momentum (oberstes Quintil) gegenüber den MSCI World Index-Aktien mit schwächerem ESG-Momentum (unterstes Quintil) von 2009 bis 2018 eine annualisierte Outperformance von 1,09 Prozent erzielt haben.

Aktuelle Greenwashing-Vorwürfe

Dieser Wert steigt auf 3,61 Prozent für Unternehmen des MSCI Emerging Markets Index mit stärkerem (oberstes Quintil) bzw. schwächerem (unterstes Quintil) ESG-Momentum für den Zeitraum von 2013 bis 2018. Mithilfe von Engagement-Strategien können Anleger von dieser Outperformance profitieren, indem sie sich auf Unternehmen mit Verbesserungspotenzial konzentrieren und deren Geschäftsleitung durch aktiven Dialog dazu bewegen, die angestrebten Verbesserungen umzusetzen.

Drittens stellen manche Anlegerinnen und Anleger vor dem Hintergrund der aktuellen Greenwashing-Vorwürfe die tatsächliche Wirksamkeit nachhaltiger Anlagestrategien in Frage. Beispiele von Shareholder Engagement zeigen jedoch, dass Anlegerinnen und Anleger tatsächlich Einfluss auf die ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Unternehmen ausüben können.

Durch ihre Beteiligung an Engagement-Aktivitäten erhalten Kundinnen und Kunden von Vermögensverwaltern zudem einen praxisnahen Einblick, wie Umwelt-, Gesellschafts- oder Governance-Risiken gemindert und gleichzeitig die Rendite verbessert werden kann.

Grössere Anlegerkreise einbeziehen

Ein verbreitetes Missverständnis ist, dass es zur Umsetzung von Engagement-Strategien grosse Expertenteams braucht. Denn es sei zeitaufwändig und arbeitsintensiv, solche Strategien erfolgreich aufzugleisen und deren Fortschritte zu überwachen.

Glücklicherweise haben aber verschiedene Entwicklungen der letzten Jahre das Shareholder Engagement einem viel grösseren Anlegerkreis zugänglich gemacht. So bieten als Reaktion auf das zunehmende Interesse von Anlegerinnen und Anlegern an einer aktiven Aktionärsrolle mehrere ESG-Research-Anbieter und grosse institutionelle Vermögensverwalter ihren Kunden mittlerweile Engagement-Dienstleistungen an.

Im Rahmen dieser Angebote legen die Dienstleister die Anlagen von Investoren zusammen, um sich in deren Namen bei Unternehmen zu engagieren. Dadurch können kleinere Investoren von den Grössen- und Skaleneffekten dieser Dienstleister profitieren, um den Wandel bei grossen Unternehmen voranzutreiben.

Wirksamste Strategien

Vergleichsweise kleine Investoren wie unabhängige Vermögensverwalter erhalten ausserdem Zugang zu den im Rahmen des Engagements gewonnenen Erkenntnissen und können ihren Kunden über die erzielten Resultate Rechenschaft ablegen.

Generell haben gemeinschaftliche Initiativen im Rahmen des Shareholder Engagement an Bedeutung gewonnen. Sie zählen zu den wirksamsten Strategien, um den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit im grossen Stil voranzutreiben. Die bekannteste Initiative in diesem Bereich ist Climate Action 100+.

Hierbei handelt es sich um ein gemeinschaftliches Shareholder-Engagement-Programm, an dem sich mehr als 700 Investoren mit verwalteten Vermögen von über 70 Billionen Dollar beteiligen. Climate Action 100+ will die weltgrössten Treibhausgasemittenten zu Klimaschutzmassnahmen bewegen, wobei das Bündnis in den Gesprächen mit den Geschäftsleitungen durch mehrere Lead-Investoren vertreten wird.

Die Initiative hat einen klar umrissenen Katalog von ehrgeizigen, aber erreichbaren Zielen aufgestellt, um die Unternehmen zur Verringerung ihrer Klimarisiken und zur Umstellung ihrer Geschäftsstrategien auf emissionsarmes Wirtschaften zu motivieren.

Gutes Beispiel

Holcim ist ein gutes Beispiel für ein erfolgreiches Engagement der Initiative Climate Action 100+ in der Schweiz. Der Baustoffproduzent ist der grösste Treibhausgasemittent im SMI und hat wichtige Massnahmen zur Dekarbonisierung seines Geschäftsmodells ergriffen.

Als Reaktion auf Shareholder-Engagement-Forderungen von Climate Action 100+ hat Holcim im Jahr 2022 nicht nur ein wissenschaftlich untermauertes Ziel für die Senkung seiner Treibhausgas-Emissionen bis 2030 veröffentlicht, sondern auch mit der Science-Based Targets Initiative zusammengearbeitet, um Standards für die Zementindustrie zu definieren.

Nach dem Erfolg von Climate Action 100+ sind weitere Initiativen entstanden. Diese widmen sich verschiedenen Themen – von der biologischen Vielfalt bis hin zu Menschenrechten. Kürzlich wurde im Rahmen der UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren (UN PRI) die Initiative «Advance» lanciert, die sich durch ihr gemeinschaftliches Engagement für die Achtung der Menschenrechte einsetzt.

Initiativen wie Climate Action 100+ und Advance bieten kleineren Vermögensbesitzerinnen und -besitzern, Vermögensverwaltern und Privatbanken die Möglichkeit, gemeinsam Einfluss zu nehmen und dabei von den Vermögenswerten und Ressourcen des gesamten Bündnisses zu profitieren.

Konkrete Massnahmen

Gemeinschaftliche Engagements bieten nicht nur Investorinnen und Investoren Chancen, sondern erweisen sich auch für die betreffenden Unternehmen als vorteilhaft. Letztere brauchen nicht auf unterschiedliche Forderungen verschiedener Investorinnen und Investoren zu reagieren, weil deren vielfältigen Anliegen in einen einzigen Zielekatalog einfliessen.

So können sich die Unternehmen auf konkrete Massnahmen konzentrieren, um Nachhaltigkeitsprobleme proaktiv und gezielt anzugehen. Im Rahmen solcher gemeinschaftlichen Engagements hat sich der Kreis der Anlegerinnen und Anleger vergrössert, die auf Unternehmensentscheidungen Einfluss nehmen können.

Dank der Kooperationen lässt sich Shareholder Engagement mittlerweile noch wirksamer einsetzen, um Unternehmen zur Verringerung ihrer Nachhaltigkeitsrisiken und zur Verstärkung ihrer Positiveffekte zu bewegen. Diese Entwicklungen kommen nicht nur externen Anspruchsgruppen zugute, sondern können auch zu einer besseren finanziellen Performance der betreffenden Unternehmen führen – und zu höheren Renditen für die Investorinnen und Investoren.

 Leichter Zugang zu Shareholder Engagements für Vermögensverwalter
Der einfachste Weg, um als Vermögensverwalter im Bereich Shareholder Engagement aktiv zu werden, besteht in der Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Dienstleister. Es ist aber auch möglich, einer der bestehenden Anlegerinitiativen beizutreten. Als führender Anbieter von nachhaltigen Anlagen verfügt LGT über die Fachkompetenz, um Vermögensverwalter bei der Suche nach der geeignetsten Lösung zu unterstützen.

werner 120x180Markus Werner ist seit 1996 bei der LGT tätig, seit 2011 Mitglied der Geschäftsleitung der LGT Bank AG sowie seit 2018 Leiter Intermediärgeschäft der LGT Banken in der Schweiz und Liechtenstein. Er ist eidgenössisch diplomierter Bankfachmann sowie von der AZEK als Finanz- und Anlageexperte zertifiziert.

 

Christopher Greenwald ist Head of Sustainable Investing bei der LGT Bank (Schweiz) AG. Davor war er Leiter Sustainable Investment Research & Specialists bei UBS Asset Management, Leiter des Researchs für nachhaltige Anlagen bei RobecoSAM sowie Leiter der ESG Content Strategy bei ThomsonReuters und Director of Data Content bei ASSET4. An der Duke University doktorierte er in Politikwissenschaften und verfügt über ein MBA der HEC Lausanne sowie das FAME-Zertifikat des Swiss Finance Institute.