Rückstellungen, höhere Vergütungen sowie Wertberichtigungen haben das Ergebnis der liechtensteinischen LGT-Bankengruppe im vergangenen Jahr belastet. Ein Kreditdebakel wie es einer grossen Schweizer Privatbank 2023 widerfuhr, ist beim Geldhaus der Fürstenfamilie undenkbar, wie Olivier de Perregaux, CEO von LGT Private Banking, im Interview mit finews.ch erklärt. Die Bilanz der Bank spielt dabei eine zentrale Rolle – auch für weitere Akquisitionen.  


Herr de Perregaux, die LGT-Gruppe musste im vergangenen Jahr einen Gewinnrückgang hinnehmen. Kommt dies für die Fürstenbank erstmals vor?

Nein, das kann ab und zu vorkommen. Aber es ist schon so, dass wir in den vergangenen zehn Jahren in der Tendenz stets ein schönes Volumen- und Gewinnwachstum erzielt haben. In diesem Zeitraum hat sich unser gruppenweiter Gewinn - parallel zum Geschäftsvolumen und zum Personalbestand – nahezu verdreifacht.

Ist das jüngste Ergebnis nun ein Grund zur Besorgnis?

Nein, überhaupt nicht. Man muss den Gewinnrückgang richtig einordnen. Tatsache ist, dass wir im operativen Geschäft sehr gut gearbeitet haben, Insbesondere beim Neugeldzuwachs. Höhere Abschreibungen und Rückstellungen führten dann unter dem Strich zum erwähnten Rückgang.

Können Sie die Wertberichtigungen genauer erklären?

Es handelt sich dabei vor allem um eine Minderheitsbeteiligung an einem europäischen Fintech, dessen Bewertung, unabhängig von seinem durchaus erfolgreichen Geschäftsgang, im vergangenen Jahr gesunken ist.

«Wir wollen auf jeden Fall genügend Rückstellungen tätigen»

Aufgrund der gestiegenen Zinsen erhöhte sich der Diskontierungsfaktor, und gleichzeitig reduzierten sich die Bewertungen im Fintech-Sektor ganz generell.

Warum waren höhere Rückstellungen nötig?

Dabei handelt es sich Rückstellungen für einzelne potenzielle Rechtsfälle mit Kundinnen und Kunden. Da ist jeder Fall wieder anders, aber wir wollen auf jeden Fall genügend Rückstellungen tätigen. Zudem führen die diversen Akquisitionen, die wir in den vergangenen Jahren getätigt haben, zu Abschreibungen, was über die Jahre wiederum insgesamt höhere Rückstellungen erfordert.

Neben dem Gewinnrückgang fällt auch auf, dass ihre Erträge im Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft ebenfalls leicht zurückgegangen sind. Warum?

Ins Gewicht fielen da rückläufige Brokerage-Einnahmen wie auch die performanceabhängigen Gebühreneinnahmen im Private-Equity-Geschäft, die 2023 zurückgingen. Im Gleichschritt mit dem allgemeinen Private Equity Markt kam es nach sehr guten Jahren zu einer gewissen Abflachung der auch 2023 positiven Performance im Private Equity Bereich.

Dafür stieg der Personalaufwand deutlich. Ist das alles auf die Credit-Suisse-Leute zurückzuführen, die zu Ihnen gestossen sind?

Zu einem geringen Teil ja, doch wir haben ganz generell stark ausgebaut, in der IT, im Frontbereich, in den Supportfunktionen sowie an unseren Standorten in Japan, Thailand, Indien, Australien sowie in Deutschland.

«Tatsächlich haben hierzulande einige Teams von der Credit Suisse zu uns gewechselt»

Die Treiber dafür waren das Geschäftswachstum, die weitere Digitalisierung und der kontinuierliche Ausbau unseres Produkt- und Serviceangebotes Insgesamt sind allein im vergangenen Jahr rund 700 neue Leute, davon 140 im Zusammenhang mit der Übernahme des «abrdn»-Wealth Management Geschäfts in England, zur LGT-Gruppe gestossen, was sich auch in den Vergütungskomponenten niedergeschlagen hat.

Und in der Schweiz?

Tatsächlich haben hierzulande einige Teams von der Credit Suisse zu uns gewechselt, wie das verschiedentlich vermeldet wurde. Doch wir sind seit Jahren global am Wachsen und Akquirieren von Kundenberaterinnen und -beratern. Und last but not least sind auch die bestehenden Relationship Managers erfolgreich, was sich ebenfalls in den leistungsabhängigen Vergütungen bemerkbar macht.

Alles in allem führt dies auch dazu, dass Sie ein relativ hohes Kosten-/Ertragsverhältnis (Cost-/Income-Ratio, CIR) von 74,2 Prozent ausweisen. Laufen bei Ihnen keine Bestrebungen, diese wichtige Kennzahl zu senken?

Wir bewegen uns seit Jahren konstant in einem Korridor von 70 bis 75 Prozent, was wir in Anbetracht unserer Investitionskadenz für vertretbar halten. Wir sind unverändert auch offen für weitere Akquisitionen, wobei es immer schwieriger wird, passende Objekte zu finden.

Warum?

In den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat eine starke Konsolidierung im Markt stattgefunden. Natürlich gibt es immer noch kleinere Banken mit Kundenvermögen zwischen zwei und fünf Milliarden Franken. Doch solche Übernahmen kommen für uns eher nicht in Frage, da sie, insbesondere an unseren grösseren Standorten, nicht die kritische Grösse haben.

Woher kommt eigentlich diese ausgeprägte Akquisitionslust bei der LGT?

Da gibt es zwei Motive: Erstens die sogenannte «Market-Entry»-Philosophie, bei der es um Akquisitionen geht, die dazu verhelfen, in einen neuen Markt einzusteigen. In Grossbritannien haben wir 2016 den Vermögensverwalter Vestra übernommen, weil wir an dem Standort zuvor nicht vertreten waren. Auch in Australien war dies der Fall, wo wir den Wealth Manager Crestone Ende 2021 akquiriert haben.

«Nun befinden wir uns in einer zweiten Wachstumsphase in Asien»

Das zweite Motiv ist, an der Konsolidierung teilzunehmen, um die eigene Plattform auszubauen. Ein Beispiel dafür ist das Geschäft der UBS in Österreich, das wir 2021 übernommen haben und so unseren Marktanteil steigern konnten. Auch die Übernahme des Wealth-Management-Geschäfts von «abrdn» fällt in diese Kategorie und hat uns dazu verholfen, unseren «Footprint» in Grossbritannien zu vergrössern. Waren wir zuvor nur in London und Bristol präsent, sind wir es nun auch in Edinburgh, Manchester, Leeds und Birmingham.

In Asien haben uns diverse Akquisition ermöglicht, unsere verwalteten Kundengelder von 26 Milliarden Franken im Jahr 2016 auf heute 94 Milliarden Franken zu steigern. Die Übernahme des asiatischen Geschäfts von ABN Amro im Jahre 2016 war ein wichtiger Wachstumskatalysator.

Nun befinden wir uns in einer zweiten Wachstumsphase in Asien. Nach Singapur und Hongkong, wo wir seit 1986 präsent sind, haben wir in den vergangenen Jahren nach Japan, Thailand, Indien und Australien expandiert. Zum grossen Teil sind das Märkte, wo das klassische Private-Banking noch wenig ausgeprägt ist, so dass wir mit unseren Dienstleistungen und Werten wie Kontinuität und Langfristigkeit sowie der Reputation der Fürstenfamilie einen interessanten Mehrwert bieten können.

Ist die LGT für einen Riesenmarkt wie Indien nicht schlicht zu klein?

Nein. In Indien entsteht eine für uns interessante Zielkundschaft an sehr vermögenden und vermögenden Privatpersonen und Familien, die ein grosses Interesse an internationalen Anlagemöglichkeiten haben.

Mit unserer Impact-Investing-Gesellschaft Lightrock waren wir bereits früher auf dem indischen Subkontinent tätig, was es uns erleichtert hat, ab Mitte 2019 das Private Banking aufzubauen.

«Heute beschäftigen wir rund 250 Leute in Indien»

Allerdings kam dann Corona, und zudem hat es seine Zeit gebraucht, bis wir von den indischen Behörden alle erforderlichen Lizenzen bekommen haben. So konnten wir erst im vergangenen Sommer so richtig loslegen. Heute beschäftigen wir rund 250 Leute in Indien.

Im Quervergleich mit der Konkurrenz verzeichnete die LGT im vergangenen Jahr einen hohen Neugeldzufluss von mehr als 20 Milliarden Franken (Zahl verlinkt). Wie teilt sich diese Summe auf?

Rund 10,6 Milliarden Franken stammen aus dem klassischen Private-Banking-Geschäft, 7 Milliarden Franken stammen von einem neuen institutionellen Kunden in Europa und die verbleibenden 4,3 Milliarden Franken hat das Asset Management von LGT Capital Partners generiert. Akquisitionen sind tatsächlich wichtig für das Wachstum, doch unsere Zahlen zeigen auch, dass das organische Wachstum über die bestehenden Kanäle fast noch wichtiger ist.

«Ein (Bank-)Eigentümer weiss, was der Wert seiner Bilanz ist, und spielt damit nicht herum»

Da kommt uns die Reputation des Fürstenhauses zugute, genauso wie unsere Expertise bei Alternativen Anlagen sowie im Bereich nachhaltiger Investments, auf welche die Fürstenfamilie einen immer grösseren Wert legt. Neuerdings investiert sie über die LGT rund 2 Milliarden Dollar ihres eigenen Vermögens in Anlagen, die dazu beitragen sollen, die Dekarbonisierung zu beschleunigen und die CO2-Emissionen pro investierten Franken bis ins Jahr 2050 auf null zu senken.

Könnte Ihnen ein Debakel wie es der Privatbank Julius Bär mit dem Immobilien-Imperium Signa des österreichischen Investors René Benko widerfuhr, auch unterlaufen?

Nein, weil wir keine Geschäftsimmobilien finanzieren. Im Kreditgeschäft sind wir breit diversifiziert und beschränken uns auf «langweilige» Lombardkredite und auf ausgewählte Hypothekargeschäfte – alles nur für Privatkunden. Da sind wir mit den Belehnungswerten sehr vorsichtig.

Als privat gehaltenes Finanzinstitut ist man mit der Bilanz schon noch ein Spürchen vorsichtiger. Oder mit anderen Worten: Intrinsisch gesehen, also von innen her, weiss ein (Bank-)Eigentümer, was der Wert seiner Bilanz ist, und spielt damit nicht herum.

Im vergangenen Jahr hat die LGT auch stark in Deutschland expandiert. Ein Markt, der für viele Schweizer Banken in der Vergangenheit immer sehr schwierig und wenig profitabel war. Was machen Sie nun anders?

Die liechtensteinischen Banken befinden sich aufgrund des EWRs in einer anderen, sprich besseren Ausgangslage als die Schweizer Geldhäuser. Ausserdem ist die Privatbanken-Landschaft weniger etabliert als hierzulande. Es gibt per se weniger Institute, und viele renommierte Häuser gehören mittlerweile ausländischen Besitzern.

«Wir wachsen dort, wo wir die richtigen Leute finden»

Ausserdem sind manche Anbieter keine reinen Privatbanken, sondern bieten auch noch Corporate Finance, Kommerzgeschäfte oder Fonds an. Es sind keine «Pure-Play-Privatbanken», und darüber hinaus decken auch die regionalen Landesbanken einen Grossteil der mittelständischen Klientel ab. Vor diesem Hintergrund gibt es durchaus einen Platz für eine LGT mit ihrem klassischen Private-Banking-Angebot.

Die LGT hat in kurzer Kadenz mehrere Standorte in Deutschland eröffnet, zunächst in Hamburg, dann in Köln, Düsseldorf und Frankfurt am Main. Geht das nun in dem Tempo weiter?

Man kann noch so viele Strategien entwerfen, Expansionen, wie auch diese hier in Deutschland, sind oftmals opportunitätsgetrieben. Das heisst, wir wachsen dort, wo wir die richtigen Leute finden.

Grundsätzlich haben wir ein Auge auf Frankfurt, aber auch in München, wo wir unsere Zweigniederlassung der LGT in Deutschland haben, ist ein Auf- und Ausbau vorstellbar. Insgesamt beschäftigen wir nun in Deutschland mehr als 50 Personen.

Wachstum haben Sie sich auch im Rahmen der Digitalisierung auf die Fahne geschrieben. Was haben Sie in dem Bereich vor?

Wir verfolgen eine globale Digitalisierungsstrategie, die darauf abzielt, verschiedene Innovations-Zentren zu haben, die sich nun ausser in Liechtenstein und der Schweiz auch in in Singapur und Barcelona befinden.

Das ist tatsächlich neu. An diesen Standorten befassen sich einzelne Teams mit bestimmten Digitalisierungsthemen, wie einem ESG-Cockpit für unsere Investments, einer benutzerfreundlichen Private Equity Serviceplattform, oder auch mit ganz profanen Dingen wie einem verbesserten Portfolio-Reporting für unsere Kunden.

«Wir rekrutieren globale Nomaden»

Dabei rekrutieren wir die Leute vor Ort, darunter auch «globale Nomaden» denen es Spass macht, irgendwo auf der Welt zu arbeiten. Und für uns ist es einfacher, hoch talentierte Fachkräfte zu finden.

Mit dem unaufhaltsamen Vormarsch der Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Integration auch in der Finanzwelt, ist es zwingend, die erforderliche Expertise zu besitzen und fortlaufend auszubauen. Seit ChatGPT hat diese ganze Thematik eine neue Dimension erhalten, die sich mit immer grösserer Geschwindigkeit weiterentwickelt. Da müssen wir dranbleiben.


Olivier de Perregaux hat nach seinem Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen und am Colegio de Espagna in Salamanca erste berufliche Erfahrungen bei der Strategieberatungs-Firma McKinsey in Zürich und New York gesammelt sowie bei der Zürich-Versicherung hierzulande, bevor er 1999 als Chief Financial Officer zur LGT Gruppe stiess. Seit dem 1. Januar 2021 hat der Schweizer die Funktion des CEO LGT Private Banking von Prinz Max von Liechtenstein übernommen.