Eine Herausforderung – für alle und alles

Die Fusion von Arbeit und Privatleben muss auch gar nicht zwingend immer schlecht sein – sie ist nur, bei allen denkbaren Vorteilen, eben sehr fordernd. Flexible Arbeitszeiten klingen verführerisch, nicht nur wegen der Aussicht auf einen entspannteren (weil späteren) Start in den Arbeitstag. Diese Freiheit hat allerdings ihren Preis, sie erfordert einerseits selbstdiszipliniertes und eigenverantwortliches Verhalten, auf der anderen Seite kommen längere Verfügbarkeitszeiten als möglicher Belastungsfaktor hinzu.

Das macht aber in erster Linie eines deutlich: Wie wichtig es letztlich für Führungskräfte wie auch für Mitarbeitende ist, sich eingehender mit den Möglichkeiten und den Risiken des Work-Life-Balance-Prinzips auseinanderzusetzen. Dessen Bedeutung ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben, tatsächlich wächst sie sogar von Jahr zu Jahr, wie Umfragen unter deutschen und Schweizer Arbeitnehmer belegen. Für die Generation Y, also die gesamte Riege derer, die nach 1980 das Licht der Welt erblickten, ist sie grösstenteils sogar wichtiger als die Karriere.

Ein Gleichgewicht aus verschiedenen Bausteinen

Aus gutem Grund, denn die Aussicht auf flexible Arbeitsmodelle begünstigt einen der Kernaspekte der Work-Life-Balance:

  • Selbstverwirklichung und Sinn

Unabhängig davon, wie sehr der Job in das Privatleben über geht, er ist unterm Strich längst nicht alles und erst recht ist er nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem Lebensinhalt. Wer im Arbeitsleben seine Erfüllung findet, sich und seine Interessen, Vorlieben und Vorstellungen dort sinnvoll einbringen kann – dem wird mit allergrösster Wahrscheinlichkeit der Ausgleich zwischen beruflichem und privatem Bereich herzlich egal sein.

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Persönliche Pläne für die Zukunft, etwa die Gründung einer Familie, drehen sich nicht unbedingt nur um den Job – umso wichtiger ist es, das eine mit dem anderen verbinden zu können.

Umgekehrt kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass einem jeden eine solche glückliche Fügung zuteilwird. Im Vergleich werden die wirklich Berufenen (die auch tatsächlich ihrer Berufung nachgehen können) eher die Ausnahmen bleiben. Umso wichtiger ist es für den grossen Rest, jenseits des Jobs genügend Zeit und Raum zu finden, um persönliche Erwartungen, Zukunftspläne und Entwicklungsmöglichkeiten zu wahren und umzusetzen. Denn angesichts des steigenden Leistungsdrucks stellt sich vielfach irgendwann die Frage nach dem Sinn. Und der liegt eben womöglich gar nicht so sehr in der beruflichen Tätigkeit.

  • Gesundheit

Apropos Leistungsdruck: Der führt bei allzu grosser Belastung nicht nur zur Sinnfrage, sondern auch zu Beeinträchtigungen der Gesundheit – sowohl auf seelischer wie auch körperlicher Ebene. Entsprechend viele Ansatzpunkte gibt es, den zu befürchtenden Reaktionen entgegenzuwirken. Auch das ist elementarer Bestandteil der Work-Life-Balance, selbst wenn die Motivationen in dieser Hinsicht durchaus unterschiedlich sein können.

Arbeitgeber möchten vor allem die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden erhalten, was im Rahmen von Gesundheitsförderprogrammen absolut möglich ist. Für die Arbeitnehmer wiederum steht hauptsächlich der Erhalt des eigenen Wohlbefindens im Vordergrund. Das umfasst die Ernährung, Erholung, aber eben auch die persönliche Fitness, denn Sport sorgt für höhere Stressresistenz und die erwartete Leistungsfähigkeit; beim Laufen, also dem Freizeitsport-Klassiker überhaupt, lassen sich die positiven Effekte des Trainings auf denkbar einfache Weise zielen, dafür aber in einem Umfang, der den ganzen Körper in seiner Gesamtheit betrifft. Darüber sollte aber nicht vergessen werden, dass auch der Kopf in einem fitten Zustand gehalten werden möchte – die geistige Weiterbildung darf deshalb nicht vernachlässigt werden.

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Sport stärkt Körper und Geist für die immer höheren Leistungsanforderungen des modernen Arbeitsmarktes.

  • Soziale Beziehungen

Einer der zentralen Aspekte des Work-Life-Balance-Prinzips dreht sich ebenfalls um das etwaige Problem der Vernachlässigung – und zwar von Familie und Freunden. Wird in diesem Bereich kein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und privatem Leben geschaffen, sind die Folgen vielfältig, aber selten wünschenswert. Die Bandbreite reicht von einem eklatanten Mangel an Zeit für die Familie – im ungünstigsten Fall wird die verbliebene Zeit wegen der ständigen Erreichbarkeit auch noch gestört – bis zu unangenehmen, stressbedingten Veränderungen des Verhaltens gegenüber Familienmitgliedern oder Freunden.

Dabei ist es gerade das soziale Umfeld, das den Leistungsdruck der Arbeit abfedern kann. Ein entsprechend grosses Thema ist deshalb in der Praxis die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In Zeiten, in denen vielfach beide Elternteile berufstätig sind, ist die Organisation von Arbeit, Kindern und Haushalt ein mitunter schwieriges Unterfangen. Hier ist eine flexiblere Herangehensweise also eine durchaus adäquate Lösung, die mit verschiedenen Massnahmen umgesetzt werden kann – etwa durch die besagten flexiblen Arbeitszeiten oder den Wechsel ins Homeoffice, durch einen Vorrang für Familien bei der Ferienplanung oder gar eine Jahresarbeitszeit, die Freiräume lässt für gemeinsame Zeit mit der Familie.

Verantwortung auf vielen Schultern

Gerade mit Blick auf die Vereinbarkeit von Job und Familie wird aber deutlich, dass eine wirksame und nachhaltige Work-Life-Balance nicht allein mit Hilfe eines verbesserten Zeitmanagements der Arbeitnehmer geschaffen werden kann. Schon 2014 wurde auf dem 14. Lifefair-Forum deshalb der Frage nachgegangen, wer sich für die dazu notwendigen Rahmenbedingungen verantwortlich zeichnet. Die sehr verkürzte Antwort auf diese Frage muss wohl lauten – alle beteiligten Akteure. Natürlich stehen die Firmen und ihre Angestellten im Fokus, denn im Kern zielt die Work-Life-Balance nun einmal auf sie ab.

Es braucht letztlich aber auch die Unterstützung von Seiten der Politik, die die Rahmenbedingungen für offenere Arbeitsmodelle schaffen kann. Vor allen Dingen braucht es aber ein Umdenken innert der Gesellschaft, weil eine konsequente Umsetzung des Work-Life-Balance-Prinzips nicht nur alle Lebensbereiche, sondern gleichermassen alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen würde. Das wäre überaus wünschenswert, weil es nicht nur die Arbeit für alle lebenswerter machen könnte – es würde auch endlich wieder den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen.


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