Wenn es den Banken gelingt, die historische Chance der Pensionierungswelle der Kadermänner der Babyboomer-Generation zu nutzen, könnte die Bankenwelt in 15 Jahren in Leitungspositionen ganz anders aussehen.

Von Gudrun Sander, Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre und Direktorin des Competence Centre for Diversity and Inclusion (CCDI) der Universität St. Gallen.

Das Competence Centre for Diversity and Inclusion (CCDI) der Universität St. Gallen führt seit mehr als zehn Jahren jährlich das St. Gallen Diversity Benchmarking durch.

Auf Anstoss des Arbeitgeberverbands der Banken in der Schweiz und des Zürcher Bankenverbandes haben 2018 auch elf Schweizer Banken daran teilgenommen. Dabei zeigen sich folgende Ergebnisse:

Frauen bewerben sich und werden auch eingestellt

Banken als Arbeitgeber scheinen bei Frauen wieder beliebter zu werden. Frauen bewerben sich in ausreichender Zahl – auch für Kaderpositionen – und werden auch verhältnismässig häufiger eingestellt. Die Rekrutierung von Frauen gelingt also gut. Damit füllt sich auch die Pipeline, wenngleich auch nur langsam.

Ohne Kaderfunktion ist der Frauenanteil 52 Prozent, im untersten Kader dann zumindest noch 40 Prozent. Über alle Kaderstufen hinweg beträgt der Frauenanteil noch ein Viertel. In Positionen mit Personalverantwortung liegt der Frauenanteil nur noch bei 17 Prozent und im oberen und obersten Kader ist er gerade einmal 6 Prozent.

Frauen- und Männeranteil auf Kaderstufe in Banken

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Der Frauenanteil ist für Kulturwandel noch zu gering

Die Ergebnisse zeigen zwar in die richtige Richtung, trotzdem ist die 30-Prozent-Hürde nur im untersten Kader erreicht. Aus der Forschung ist bekannt, dass mindestens 30 Prozent einer untervertretenen Gruppe vorhanden sein müssen, damit sich eine Kultur entwickeln kann, die gleich attraktiv für verschiedene Gruppen ist.

Dass es besser geht, zeigt das beste Viertel der Advance Mitgliederfirmen, die im mittleren Management einen Frauenanteil von 31 Prozent aufweisen und im Top-Management eine Quote von 21 Prozent.

Advance-Mitgliederfirmen verpflichten sich, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen und werden von Advance, einer Non-Profit-Organisation, dabei unterstützt. Die Banken haben hier noch Luft nach oben.

Frauen kehren auch nach der Mutterschaft zurück

Exakt 86 Prozent der Frauen kehren nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zu ihrem Arbeitgeber zurück. Die Fluktuationsraten von Männern und Frauen gleichen sich – verglichen mit früheren Jahren – mehr und mehr an. Sie liegen bei 10 Prozent respektive 9 Prozent. Die Fluktuationsrate der Kaderfrauen ist mit knapp 7 Prozent sogar etwas tiefer als jene der Kadermänner.

Allerdings steigen die Hürden für Frauen mit jeder Hierarchiestufe. Beförderungen und Kaderneuzutritte sind deutlich zugunsten der Männer und auch zugunsten der Vollzeitmitarbeitenden (im Vergleich zu Mitarbeitenden in 80-Prozent- bis 99-Prozent-Pensen).

Teilzeit und Führung bleibt eine Illusion

Auch wenn es vereinzelt Beispiele gibt – die Ergebnisse des Banken-Benchmarkings unterstreichen, dass Teilzeit in Führungspositionen weiterhin eine Ausnahme ist. Der durchschnittliche Beschäftigungsgrad bei Kaderpersonen mit Personalverantwortung liegt bei den Männern bei 99 Prozent und bei den Frauen bei 94 Prozent.

Über alle Mitarbeitenden betrachtet, ist der Beschäftigungsgrad der Frauen in den Banken um 12 Prozent tiefer als derjenige der Männer. Bei manchen Kantonalbanken beträgt die Differenz fast 20 Prozent. Das deutet auf ein traditionelles Rollenverständnis hin.

Männer arbeiten Vollzeit, Frauen Teilzeit – insbesondere ab 31 Jahren. Dieser Umstand erklärt einen erheblichen Teil des tiefen Anteils von Frauen in Kaderpositionen. Im branchenübergreifenden Benchmarking zeigen sich in den öffentlichen Verwaltungen leicht mehr Teilzeitmöglichkeiten in Kaderpositionen, allerdings auch nur in Vollzeit nahen Pensen von 80 Prozent und darüber.

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Historisch einmalige Chance

Die Männer in den Banken sind älter als die Frauen, besonders auch im Kader. In den meisten Banken sind etwa ein Drittel der Kadermänner über 50 Jahre alt, in einigen Banken sind sogar mehr als 40 Prozent der Kadermänner älter als 50 Jahre. Hier besteht bei der anlaufenden Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation die Gefahr eines Wissensverlustes.

Gleichzeitig ergibt sich damit aber auch die historisch einmalige Chance, den Frauenanteil im Kader markant zu erhöhen. Voraussetzung ist eine rechtzeitige Nachfolgeplanung und ein gezieltes Talent-Management mit Fokus auf Frauen.

Was ist zu tun?

Beförderungen und Kader-Neuzutritte müssen auf transparenten Prozessen beruhen, also mit klaren Kriterien und Beförderungs-Councils. Frauen müssen jetzt auf die zukünftigen Führungsaufgaben vorbereitet werden. Frauen im unteren und mittleren Management brauchen Visibilität, zum Beispiel durch strategische wichtige Projekte, Career Coaching, Mentoring und Role Models.

Mehr und bezahlbare Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind selbstredend eine wichtige Unterstützungsmassnahme. Und letztlich braucht es auch einen Mindset-Change, dass Frauen auch dann gute Mütter sind, wenn sie Vollzeit oder Vollzeit-nah arbeiten und Männer keine Weicheier und nicht Karriere desinteressiert, wenn sie 80 Prozent arbeiten.

Klare Vollzeit-Kultur

Eine höhere Flexibilität der Arbeitszeiten und ein agileres Arbeiten machen höhere Arbeitspensen einfacher – auch für junge Männer. Eine solche Angleichung der Arbeitspensen wiederum ist unerlässlich für gleiche Aufstiegschancen.

Unsere Ergebnisse zeigen in Kaderpositionen noch immer eine klare Vollzeit-Kultur in den Banken und in der gesamten Privatwirtschaft. Möglicherweise ändert sich das in den nächsten Jahrzehnten mit den Bedürfnissen der jüngeren Generation. Wir werden sehen.


Gudrun Sander ist Titularprofessorin für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berücksichtigung des Diversity Managements an der Universität St. Gallen. Sie ist Direktorin des Competence Centre for Diversity and Inclusion CCDI an der Forschungsstelle für Internationales Management, wo sie mit ihrem Team Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und NPO bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Massnahmen im Bereich Diversity & Inclusion unterstützt.

Zudem leitet sie mit Ines Hartmann das St. Gallen Diversity-Benchmarking. Seit zehn Jahren ist sie auch akademische Direktorin der Management-Weiterbildung «Women Back to Business» an der Executive School, ein Wiedereinstiegsprogramm für gut ausgebildete Frauen nach einer Familienphase. 

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