Der Avaloq-Gründer Francisco Fernandez ist mit seinen Startup-Beteiligungen gefordert: Das Agrotech-Unternehmen Innoterra hat er eben restrukturiert und sucht nun nach weiteren Investorengeldern. Neue Dinge zu bauen, sagt der 61-jährige Entrepreneur zu finews.ch, fasziniere ihn heute noch so sehr wie früher als Kind.


Herr Fernandez, vor gut drei Jahren haben Sie den Bankensoftware-Entwickler Avaloq, Ihr Lebenswerk, an den japanischen IT-Konzern NEC verkauft. Ist das alles mittlerweile schon weit weg für Sie?



Keineswegs. Ich sitze weiterhin im Verwaltungsrat von Avaloq und bin Präsident des einstigen Avaloq-Wagniskapital-Fonds Five T Fintech. Dort sind wir gerade daran, einen zweiten Fonds mit Fokus auf Jungfirme im Bereich Distributed Ledger Technology zu äufnen. Sie sehen, ich bin weiterhin stark im Bereich Fintech involviert.



Aber nicht nur, richtig?



Ich hatte im Jahr 2017 nach dem Verkauf von Avaloq-Anteilen an die Finanzinvestorin Warburg Pincus einen Liquidität-Event erlebt.

«Für mich macht diese Intensität erst das Leben aus»

Schon damals begann ich, weitere Firmen aufzubauen und meinen Aktionsradius zu verbreitern: So im E-Sports-Bereich mit dem Formel-1-Simulator Racing Unleashed, im Immobiliensegment mit Crowdhouse und mit Innoterra im Bereich der Lieferketten für gesunde Agrarprodukte von Kleinbauern. Ich wusste, es gibt noch ein Leben nach Avaloq – und ich hatte die Energie, mit diesen Firmen nochmals von vorne zu beginnen.



Das klingt nach einem gedrängten Programm.



Es ist zurzeit noch intensiver als zu Avaloq-Zeiten. Ich absolviere nahezu 80-Stunden-Wochen.



Sie zählen zu den reichsten Schweizern und sind 61 Jahre alt. Sie müssten sich das nicht mehr antun.



Für mich macht diese Intensität erst das Leben aus. Ich will stets den Status quo auf diesem Planeten hinterfragen und herausfinden, wo ich einen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann. Das bereitet mir persönlich Freude.



Sie haben aber wiederholt gezeigt, dass Sie auch ein genau kalkulierender Geschäftsmann sind. Wenn wir nun etwa das Startup Innoterra betrachten: wo liegt da aus marktwirtschaftlicher Sicht der ‹Sweet spot›?



Bei der gesunden Ernährung der Weltbevölkerung, dem Thema, das Innoterra so interessant macht. Dabei geht es nicht nur um die Lebensmittel-Produktion. Sondern vermehrt um Lieferketten und damit die Frage, wie gesunde Nahrung vom Hof oder der Farm auf den Tisch der Konsumenten gelangt – und wie sich das effizienter gestalten lässt. Im Jahr 2050 müssen wir wohl 10 Milliarden Menschen ernähren. Da leuchtet es ein, das Potenzial der heute über 500 Millionen Kleinbauern weltweit zu nutzen, die heute schon 80 Prozent der Nahrungsmittel in den Schwellenländern erzeugen.



Doch da stehen noch einige Hürden im Weg?



Diese für die Weltbevölkerung enorm wichtigen Kleinbauern sind sozial schwach aufgestellt. Sie haben nur begrenzten Zugang zu Absatzmärkten, zu Kapital, Bildung sowie Infrastruktur. Sie leben häufig an oder unter der Armutsgrenze. Dabei würden sie es nur schon wegen ihrer Bedeutung verdienen, ein anständiges Auskommen zu erzielen.

«Bei Avaloq hatten wir nicht weniger als fünf Krisen zu bewältigen»

Dort setzt Innoterra an: Wir kaufen den Kleinbauern Reis, Gewürze, Früchte, Gemüse und Milch ab und verbinden sie über eine datengetriebene Plattform mit Abnehmern weltweit. Mit dem Einsatz moderner Technologie werden Angebot und Nachfrage transparent und lassen sich viel besser austarieren.



Sie sind vom Bankensoftware-Schmied zum Reishändler geworden?



Wir vertreiben Reis und Gewürze aus Indien nicht nur auf dem Subkontinent selber, sondern auch in den Nahen Osten, nach Afrika und mittlerweile sogar nach Amerika und Europa. Mit 200 Mitarbeitenden erzielen wir einem Umsatz zwischen 50 und 60 Millionen Franken. Indem wir ohne lokale Agenten und Zwischenhändler auskommen und den Handel automatisieren, erzielen wir heute schon eine Marge mit unseren Aktivitäten. Damit zeigen wir der Welt, dass dies auch in diesem Bereich möglich ist.



Das ist ein typischer Fintech-Anspruch: den Intermediär zu eliminieren.



Das haben wir schon bei Avaloq nicht angestrebt. Wir wollten die Banken nie aus dem Rennen werfen, sondern umgekehrt dafür sorgen, dass alle Markteilnehmer effizienter arbeiten. Am Ende ist auch Innoterra ein Effizienz-Game.



Allerdings musste auch das Startup zuletzt sparen. Innoterra hat zwar viel Kapital verbraucht, ist aber hinter den ursprünglichen Zielen zurückgeblieben. Was war da los?



Der unternehmerische Erfolg ist nicht wie eine Rolltreppe, die einen stetig in die Höhe befördert. Vielmehr handelt es sich um eine Strasse voller Schlaglöcher, und darin gleichen sich alle Unternehmen – ich erinnere mich, dass wir bei Avaloq nicht weniger als fünf Krisen zu bewältigen hatten. Schon Charles Darwin war der Meinung, dass nicht die Grössten und Stärksten überleben, sondern jene, die sich am besten anpassen können.



Das heisst?



Jetzt hat sich eben das Umfeld für Jungfirmen geändert: Wagniskapitalgeber waren in den vergangenen Jahren stets auf Umsatzwachstum aus. Nun suchen sie vermehrt Profitabilität. Darauf muss ein Startup reagieren können.



Was bedeutet dies für Innoterra konkret?



Wir haben das Management und die Governance gestärkt, zudem die Produkte vereinheitlicht und das Unternehmen auf eine sinnvolle Grösse geschrumpft – rigoros ausgerichtet auf die operativen Abläufe. Im Februar dieses Jahr haben wir den operativen Breakeven erreicht. Es ist erstaunlich, was wird damit in so kurzer Zeit erreichen konnten. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was das neue Führungsteam erreicht hat.



Mussten Sie Mitarbeitende entlassen?



Wir haben uns von Geschäftsbereichen getrennt, aber auch neue Mitarbeitende rekrutiert. Das geschieht, wenn eine Unternehmung ihre Grösse anpassen muss.



Jungunternehmen verbrennen viel Kapital. Ist die Finanzierung von Innoterra vorläufig gesichert?



Ich versuche mit einer Firma immer, die Profitabilität so schnell zu erreichen wie nur möglich. Denn dies verleiht der Führung unternehmerische Freiheit. Unternehmen sollten sich durch ihre Kunden finanzieren, und nicht durch die Investoren.

«Damals sagte jeder: vergiss es»

Innoterra hat die Profitabilitäts-Schwelle auf Monatsbasis praktisch erreicht; insofern haben wir nun eine neue Finanzierungsrunde gestartet, um neues Kapital und neue Geldgeber zu finden. Wir haben bereits rund die hälfte der Kapitalrunde erfolgreich abgeschlossen. Nun arbeiten wir daran, auch die zweite Tranche noch ins Ziel zu bringen. 


Investieren Sie selber auch?



Ich unterstütze Innoterra weiterhin mit meinem Geld, meiner Zeit und meinem Netzwerk. Ich bin mit Haut und Haaren dabei.



Gilt das auch weiterhin für die anderen Jungfirmen, in die Sie ab 2017 investiert haben?



Es ist wie bei jedem Portfolio: In der Momentaufnahme entwickelt sich die eine Firma schnell, die andere ein Bisschen langsamer. Derzeit sehen wir ein gewaltiges Momentum im Bereich Gesundheit und Künstliche Intelligenz. Auch die Engagements im E-Sport-Bereich wachsen zweistellig. An anderen Orten müssen wir hingegen anpassen oder gar restrukturieren. Wenn das nicht so wäre, bräuchte es uns als Manager nicht mehr.



Im Jahr 2022 haben Sie die ursprünglich deutsche Firma Partex nach Zug geholt; das Healthcare-Startup nutzt Künstliche Intelligenz für die Suche nach Wirkstoffen und die Entwicklung von Krebsmedikamenten. Auch bei Utopia, einem weiteren Startup im Bereich von Musik-Urheberrechten, sowie bei Racing Unleashed ist die Hype-Technologie im Spiel. Hatten Sie bei Ihren Investitionen einen guten Riecher – oder doch eher Glück?



Ich habe an der ETH Zürich schon vor 30 Jahren zu Künstlicher Intelligenz geforscht. Damals sagte jeder: vergiss es, das ist eine Spielerei für Wissenschafter, das wird ökonomisch nie funktionieren. Wir haben aber zu jener Zeit schon bewiesen, dass Menschen selbstlernende Maschinen bauen können. Jetzt erleben wir dank der massiv gestiegenen Rechenleistung die Umsetzung. Aber ich setze KI nur dort ein, wo sie Nutzen stiftet und Geschäftsmodelle auf Vordermann bringt.



KI ist höchst umstritten. Sind Sie der Technologie gegenüber aber grundsätzlich positiv gestimmt?



Ich bin ein Technologie-Fan und versuche, Trends sehr früh aufzugreifen. Mit der Blockchain und dem Bitcoin habe ich mich schon vor zwölf Jahren beschäftigt, und vor drei Jahrzehnten eben mit KI. Wenn ich das Gefühl habe, dass eine Technologie die Gesellschaft verändern wird, dann bin ich dabei.



Die Frage drängt sich natürlich auf: Was ist der nächste heisse Tech-Trend, den Sie erkannt haben?



Alles, was mit Longevity zu tun hat, also der Suche nach lebensverlängernden Faktoren für den Menschen, birgt dieses Potenzial. In westlichen Ländern ist die Lebenserwartung in den vergangenen 50 Jahren im Schnitt etwa um 20 Jahre gestiegen.

«Ich habe schon als Kind gerne konstruiert, mit Fischertechnik oder Lego»

Wir wollen länger und in einer höheren Qualität leben, was auch wieder mit der richtigen Ernährung zu tun hat. Deshalb analysieren wir derzeit mit Innoterra die Superfood-Industrie. Dies, um herauszufinden, wie wir mit gesunder Ernährung unserem Ogranismus Sorge tragen können. Wir werden ja auch künftig nicht nur im Metaverse leben.



Die künstlichen Welten des Metaverse sind also auch aus Ihrer Sicht nur Science Fiction?



Künstliche Intelligenz wird Millionen von Arbeitsplätzen verändern oder ganz ablösen. Vielleicht arbeiten wird dann nicht mehr acht Stunden pro Tag, sondern nur noch drei. Damit stellt sich doch die Frage, wie sich der Mensch in der freien Zeit beschäftigt. Das führt uns wieder zu E-Sports.



Doch selber arbeiten Sie mehr denn je. Was halten Sie persönlich von der Vision eines überlangen Lebens – finden Sie das erstrebenswert?



Jeder möchte wohl möglichst lange leben. Ich selber wünschte mir, dies qualitativ gut tun zu können. Ich möchte intensiv leben. Einen Beitrag leisten. Neue Dinge bauen. Ich habe schon als Kind gerne konstruiert, mit Fischertechnik oder Lego. Wenn daraus etwas Brauchbares entsteht: umso besser.


Francisco Fernandez ist Gründer von Avaloq; nachdem die Schweizer Banken-IT-Entwicklerin im Jahr 2020 für gut 2,2 Milliarden Dollar an den japanischen Technologie-Konzern NEC verkauft wurde, sitzt er weiterhin im Verwaltungsrat des Unternehmens. Als Investor ist Fernandez in zahlreichen weiteren Bereichen aktiv, so bei Firmen mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Cloud-Technologie, Fintech, Agritech, Proptech, E-Sports, Healthcare und Musik. Fernandez hat spanische Wurzeln und ist in Luzern aufgewachsen. Er studierte Informatik und Betriebswirtschaft an der ETH Zürich.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.4%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.86%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.14%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.99%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.62%
pixel