Modernes und zeitgemässes Arbeitsumfeld? Ein Martyrium mit manchmal tödlichem Ausgang, sagt der renommierte Stanford-Professor Jeffrey Pfeffer. Auch die Unternehmen seien Verlierer.

Menschen sind bereit, für ihr Salär zu sterben. Das sagt Jeffrey Pfeffer in seinem Buch «Dying For A Paycheck». In diesem beschreibt der Wirtschaftswissenschafter und Stanford-Professor für Organisationstheorie, wie moderne Managementmethoden und sogenannte flexible Arbeitsumfelder die Gesundheit von Angestellten ruinieren und die Unternehmensleistung beeinträchtigen.

Stress, Leistungsdruck und enorme Arbeitsbelastung seien heutzutage die bestimmenden Einflüsse im Alltag eines Mitarbeiters eines Grossunternehmens, sagt Pfeffer im Interview mit «Think: Act», einer Publikation des Beratungsunternehmens Roland Berger.

Nur mit Drogen

Abgesehen davon, dass viele Angestellte nur durch die Einnahme von Drogen fähig seien, dem Druck im Unternehmen und den langen Arbeitszeiten standzuhalten, schaffe auch der Zwang, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, grossen Stress.

«Angestellte werden heute bis ins kleinste Detail gemanagt und jede Bewegung wird kontrolliert und aufgezeichnet», beschreibt der Stanford-Professor das zeitgemässe nach modernen Methoden designte Arbeitsumfeld, in welchem sich hochqualifizierte und ebenso hoch bezahlte Menschen behaupten müssen.

Unternehmen: Menschliche Nachhaltigkeit

Wer sich als Angestellter verpflichtet, «vertraut seine psychische und physische Gesundheit der Organisation an», sagt Pfeffer. «Ich glaube nicht, dass Unternehmen diese Verantwortung ernst nehmen».

Angestellten, die zu sehr unter dem Stress litten, werde zum Jobwechsel geraten. Dies sei bloss Ausdruck einer Art Individualismus im freien Markt, in welchem Menschen mit ihren Entscheidungen allein gelassen würden. «Und wenn sich Menschen zu Tode arbeiten wollen, dann können sie das», beobachtet Pfeffer, der für eine Art menschliche Nachhaltigkeit plädiert.

Eine «lose-lose»-Situation

Gesundheit und Wohlbefinden leisteten deutlich höhere Beiträge zur Produktivität von Arbeitnehmern als Stress und lange Arbeitszeiten. Dies sei in mehreren Studien bewiesen worden, sagt Pfeffer. Denn Stress führe zu einer höheren Fluktuation und diese führe wiederum zu höheren Kosten.

Das Ergebnis dieser Entwicklung sei eine «lose-lose Situation, in welcher Unternehmen Mühe haben, leistungsfähige Angestellten zu behalten, während diese an Stress leiden und krank werden.»

Mit 34 Jahren arbeitsunfähig

Pfeffer bringt das Beispiel einer 34-jährigen Frau an, Abgängerin einer Elite-Universität, MBA-Absolventin in Harvard. «Sie hat aufgehört», so Pfeffer. Ihr Vorgesetzter, der nur wenig älter sei als sie, habe bereits zwei Herzinfarkte gehabt. Sie habe sich darum entschlossen, mit arbeiten aufzuhören.

«Man denke nur daran, wieviel sie in ihre Ausbildung und ihre Karriere investiert hat und jetzt ist sie soweit, dass sie nicht mehr arbeiten kann», sagt Pfeffer. Die Erkenntnis sei leider: «Wenn dein Arbeitsplatz dich umbringt, dann musst du da raus.»