Selten geht es im Joballtag ums reine Überleben. Doch wenn wir unter Stress stehen, schaltet unser Gehirn manchmal in den Verteidigungs- oder Totstell-Modus. Gegen diese Angstreaktion lässt sich allerdings etwas tun.

Von Natascha Battus


Sie holt zum Gegenschlag aus, bevor ihre Gegnerin sie angreift. So scheint es zumindest von aussen. Ein wissenschaftliches Experiment mit der Profiboxerin Susi Kentikian zeigt, was von blossem Auge kaum sichtbar ist: sie braucht, um einen Schlag auszulösen, eine Fünftelsekunde. Ihr Körper bemerkt, was die Gegnerin vorhat, bevor es dieser überhaupt selbst bewusst ist und spult automatisch eine trainierte Reaktion ab.

Um uns zu schützen, ist unser Körper ständig auf der Hut. Daran hat sich seit der Steinzeit nichts geändert. Obwohl wir – zumindest in unseren Breitengraden – auf dem Weg ins Büro nicht mit Überfällen rechnen müssen und unser Essen nicht jagen, sondern im Supermarkt kaufen.

Körper im Steinzeit-Modus

Unser Gehirn löst bei der kleinsten Unsicherheit Ur-Reaktionen aus: angreifen, weglaufen oder totstellen. Er sendet uns Warnsignale wie Herzklopfen am Rednerpult oder schweissnasse Hände im Meeting. Wir stehen unter Alarm. Vielleicht, weil unser Gehirn Analogien schafft zu einer Mobbing-Situation, die wir in der Primarschule erlebt haben.

Ohne dass uns dies in diesem Moment bewusst ist, greifen wir dann unser Gegenüber unsachlich an, reagieren beleidigt oder haben ein Blackout. Für unser Gehirn steht alles auf dem Spiel: In der Steinzeit bedeutete der soziale Ausschluss für einen Menschen Schutzlosigkeit und den sicheren Tod.

Going-Crazy-Technik

Hier können Beruhigungsmassnahmen wie bewusstes Atmen helfen, das eigene Eskalations-Muster zu durchbrechen. Oder die Going-Grazy-Technik: Gehen Sie aus der Situation raus, vielleicht auf die Toilette. Lassen Sie Ihre Augen (der Kopf bleibt still) langsam von links nach rechts schweifen. Nun stecken Sie die Zunge raus und lassen sie gegenläufig hin- und herwandern. Wenn die Augen nach links schauen, geht die Zunge in den rechten Mundwinkel und umgekehrt. So fokussieren Sie sich innerlich um. Zudem lockern Sie Ihre Gesichtsmuskulatur und Ihr Nervensystem beruhigt sich. Wenn Sie sich vor einem Spiegel machen, müssen Sie vielleicht sogar lachen.

Angst macht den Blick eng

Diese Übung ist eine Erste-Hilfe-Massnahme. Wenn wir unter Dauerstress stehen, werden wir dünnhäutig. Wir wissen dann oft gar nicht mehr, was uns genau Angst macht. Da ist schon beim Aufwachen ein beklemmendes Gefühl.

Das Wort Angst ist mit dem indogermanischen «anghu» verwandt, übersetzt mit «eng, bedrängend». Wir gehen in den Kampfmodus oder in die Resignation. Um aus diesem beklemmenden Zustand herauszufinden, brauchen wir wieder eine innerliche und körperliche Weite. Wie viel besser dieser Zustand ist, wissen Sie aus einem schönen Urlaub: Wenn Sie entspannt sind, kommen Sie auf neue Ideen.

Sich wieder spüren

Der Weg aus der Dauer-Angst führt zum einen über die Auseinandersetzung mit den eigenen Prägungen, Gefühlen und Verhaltensmustern. Er führt jedoch ebenso über den Körper und seine Bedürfnisse. Wo tut es weh? Was brauche ich? Meditation und Entspannungstechniken sind eine Möglichkeit, zu sich zu kommen. Doch sie eignen sich nicht für jeden.

Manche Menschen drängt es nach Bewegung wie Wandern, Tanzen oder Boxen, um sich wieder zu «spüren». Finden Sie heraus, was Sie in Gang bringt, körperlich und seelisch. Egal, ob mit Ruhe oder mit Power: Ihr Kopf wird klar und neue Perspektiven tun sich auf. So können Sie sich bei der nächsten Angstsituationen schneller selbst beruhigen und kommen wieder ins Lot.


Natascha Battus ist ZRM-Trainerin (Zürcher Ressourcen-Modell) und Businesscoach. Ihr neues Buch «Angstfrei! 5 Minuten gegen innere Unruhe, Angst und Panik» ist im Januar 2020 im Lübbe-Verlag Köln erschienen. Es zeigt, wie man auf überraschend einfache Weise Angstblockaden lösen kann, indem man die Balance zwischen Kopf, Gefühlen und Körper wiederherstellt.