Der Herbst bietet grossartige Sonnentage im Tessin. Das weckt Assoziationen an ein Glas Merlot. Vier von fünf Rebstöcken im Tessin tragen diese Traube. Daraus werden Spitzenweine gekeltert, wie die fünf Beispiele von finews.ch-Weinredaktor Peter Keller zeigen.

Das Tessin ist mit einer Rebfläche von knapp 1'000 Hektaren das kleinste Weinanbaugebiet der Schweiz. Gut vier Fünftel davon entfallen auf den Merlot, die Hauptsorte einer Gegend, die für viele einheimische und ausländische Touristen so etwas wie ein Sehnsuchtsort darstellt.

Die Sonnenstube des Landes bietet zwar viel Wärme, muss aber auch mit viel Niederschlag leben. Dies vereinfacht den Weinbau nicht zwingend. Der eher früh reifende Merlot hat sich gut an dieses oftmals feuchte Klima angepasst. Der Tessiner Weinbau ist kleinstrukturiert. Rund 3'800 Bauern bewirtschaften oftmals nur winzige Parzellen – als Nebenerwerb. Die Trauben werden in Kellereien zur Weiterverarbeitung geliefert.

Grosses Vorbild Bordeaux

Es gibt aber auch rund 30 professionelle Winzer, die eigenen Wein erzeugen. In den achtziger Jahren suchten viele Deutschschweizer «Aussteiger» ihr önologisches Glück im Süden. Namen wie Christian Zündel, Werner Stucky und Daniel Huber investierten in Qualität und neue Ausbau-Formen wie den Einsatz der Barriques, der kleinen Holzfässer.

Sie lehnten sich an das grosse Vorbild Bordeaux an. Die Einheimischen zogen mit. Heute werden im Tessin aus Merlot Spitzenweine produziert, die schon manchem Bordeaux das Fürchten gelernt haben.

Komplexe Weine im Barrique

Ich habe fünf unterschiedliche Crus ausgewählt, die man kennen sollte und die vor allem viel Genuss bereiten. Komplexe Weine, die im Barrique reifen, fruchtbetonte Weine, die teilweise im Stahltank ausgebaut werden – für jeden Geschmack ist etwas dabei.

1. Balin 2018, Cantina Kopp von der Crone Visini, Barbengo

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Der exzellente Merlot wird in neuen und gebrauchten Barriques sowie in Keramik-Amphoren ausgebaut. Es ist ein Wein, der lange reifen kann und somit ein gutes Alterungspotenzial besitzt. Gehört zur Schatzkammer der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses. Seine aromatische Komplexität, seine Kraft, seine Tiefgründigkeit und Länge zeichnen den Balin aus. Preis: 47 Franken; www.cantinabarbengo.ch.

2. Castello di Morcote 2017 Riserva, Castello di Morcote

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Dieser biodynamisch erzeugte und im Barrique ausgebaute Merlot besitzt ausgezeichnete Anlagen und ein langes Alterungspotenzial. In der Nase dominieren schwarze Früchte, Vanille- und Röstnoten. Im Geschmack ist er mittelgewichtig und dicht. Den Wein prägen präsente Gerbstoffe und eine markante Säure. Langanhaltend im Nachhall. Preis: 59 Franken; www.moevenpick-wein.com.

3. Terraferma 2017, Weingut Christian Zündel

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Wohl keiner erzeugt solch finessenreiche und elegante Merlots wie der aus der Deutschschweiz stammende Christian Zündel. Jetzt steht Tochter Myra Zündel in der Mitverantwortung. Sie wird den Stil nicht verändern. Der Terraferma überzeugt durch ein vielschichtiges Bouquet. Im Gaumen fallen die kompakte Struktur, Tiefgründigkeit und Länge auf. Exzellenter, Barrique-ausgebauter Merlot, der noch etwas Zeit braucht. Preis: 36 Franken; www.vinothek-brancaia.ch.

4. Merlot Novidal Drunpa 2016, Weingut Mauro Ortelli

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Kürzlich habe ich diesen Jahrgang degustiert. Der Wein hat jetzt eine tolle Genussreife erreicht. Nichts ist überzeichnet, aromatischer Duft von roten Beeren und würzigen Noten, im Gaumen mit schöner Frucht, dicht, elegant und mit weichen, reifen Gerbstoffen ausgestattet. Gute Länge. Auf dem Gut, das lediglich fünf Hektaren Rebfläche bewirtschaftet, ist jetzt der 2018er erhältlich. Preis: 26 Franken; www.ortellivini.ch.

5. Tera Creda 2019, Enrico Trapletti

Balerna: Enrico Trapletti produttore di vino. Nella foto  Enrico Trapletti mentre degusta il suo vino.© CER/Ti-Press/Davide Agosta

Der Autodidakt Enrico Trapletti ist in Kürze an die Spitze im Tessin aufgestiegen. Der Merlot reift zu 30Prozent in Barriques und zu 70 Prozent im Stahltank. Das Resultat im Glas fällt überzeugend aus. In der Nase lassen sich Noten von Waldbeeren, Gewürzen, Tabak und mineralische Töne ausmachen. Im Gaumen präsentiert sich der Wein mit schöner Struktur, gut integrierten Tanninen und Geschmeidigkeit. Ausgewogen. Preis: 31 Franken; www.gerstl.ch.