Seit jeher ist das Investmentbanking für Berufseinsteiger ein hartes Pflaster. Nun geht die Branche einmal mehr durch eine Durststrecke. Doch diesmal soll dies nicht zu Lasten des Nachwuchses gehen, versprechen die Banken.

«Ich erinnere mich, dass junge Investmentbanker früher oftmals als Ressource betrachtet wurden, die jederzeit abrufbar zu sein hatte», sagt Urs Raeber. Als Veteran weiss er, wovon er spricht: Raeber ist seit den 1990er-Jahren im Metier tätig, seit mehr als zehn Jahren führt er nun das Investmentbank-Geschäft der Deutschen Bank in der Schweiz. Im Vergleich zu damals, sagt er nun zu finews.ch, habe sich der Umgang mit dem Nachwuchs stark geändert.

Wenn dem tatsächlich so ist, stehen die neuen Spielregeln vor einer Nagelprobe. Denn: seit Ausbruch der Corona-Krise hat sich das klassische Investmentbanking mit der Beratung von Firmen bei Fusionen und Übernahmen (M&A) zu einem Stop-and-go-Geschäft entwickelt. Und in den vergangenen Monaten wechselten die Ampeln im Business erneut auf rot.

40 Prozent weniger Gebühren

Nicht von ungefähr fühlen Beobachter sich an das Jahr 2020 erinnert. Damals ging für die Investmentbanker angesichts der Pandemie kaum noch etwas – das Volumen im M&A-Geschäft sank weltweit von zuvor knapp 4 Billionen auf weniger als 3,5 Billionen Dollar, folgt man den Daten des Analysehauses Dealogic. 2021 löste sich der Knoten, und die angestaute «Pipeline» an Transaktionen musste in Rekordzeit abgearbeitet werden. Die globalen Deal-Volumen schnellten auf gegen 6 Billionen Dollar hoch.

Doch im vergangenen Jahr war schon wieder Schluss. Bis im November 2022 wurden global M&A-Geschäfte im Umfang von nur noch etwas mehr als 3,4 Billionen Dollar abgefertigt. Über den Daumen gepeilt sind damit auch die Gebühren im Kapitalmarkt- und M&A-Geschäft im Jahr 2022 gegenüber 2021 um rund 40 Prozent gesunken. Das bleibt nicht ohne Folgen. Noch diesen Januar dürfte Goldman Sachs, ein Schwergewicht unter den Wallstreet-Banken, bis zu 4’000 Jobs streichen. Damit ist der Takt auch für die Konkurrenz vorgegeben.

Erneute Wende im zweiten Semester

Mitte Jahr könnte die Marktlage nun abermals drehen, traut man den neuesten Voraussagen der Branche. Einmal mehr würden sich dann angestaute Deals plötzlich entladen – und erneut wären zu wenig Hände bereit, um dringliche Transaktionen abzufertigen. Gerade die Wasserträger in den untersten Rängen drohen damit bis an ihr Limit «beübt» zu werden.

Zur Erinnerung: Wegen der Arbeitslast war es bei Goldman Sachs Anfang 2021 zu einem so noch nie da gewesenen Aufstand der Jungbanker gekommen. Bald sah sich die ganze Branche zu Zugeständnissen gezwungen. Die Grossbank Credit Suisse sorgte dazumal mit einem «Lifestyle-Bonus» von 20’000 Dollar an ihre jungen Investmentbanker für Aufsehen.

Inzwischen haben sich auch die Strukturen bewegt, folgt man Raeber von der Deutschen Bank in der Schweiz. «Der Einsatz der jungen Kräfte wird inzwischen viel besser geplant als früher», sagt der Bankmanager. Wochenende-Einsätze gebe es zwar weiterhin. Aber diese seien wenn immer möglich im Voraus abgesprochen und die Arbeitskräfte informiert. «Ebenfalls versuchen wir, Leerläufe im Betrieb zu verringern und die Visibilität für alle zu erhöhen», so Raeber.

Die Krux mit dem Zyklus

Das sich die Bedingungen für die Berufseinsteiger verbessert haben, bekräftigt man auch beim Schweizer Investmentbank-Arm von J.P. Morgan, der grössten Bank Amerikas. «Wir haben vor einigen Jahren unsere Politik des geschützten Wochenendes eingeführt, um sicherzustellen, dass unsere Junior-Investmentbanker nicht an Wochenenden arbeiten, wenn sie nicht an anstehenden Geschäften beteiligt sind», sagt dort Schweiz-Chef Reinout Boettcher. Ebenfalls hat J.P. Morgan – wie einige andere Banken auch – die Löhne für Jung-Investmentbanker im Jahr 2021 angehoben.

Das wird insbesondere in den kommenden Wochen von Belang sein: Dann beginnt im Swiss Banking die Bonus-Saison, und die Vorlage aus den USA zeigt, dass sich die Sonderzulagen im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt halbiert haben. Dies könnte die Fliehkräfte bei den Instituten verstärken. Mit den angekündigten Entlassungen wie nun bei Goldman Sachs tun sich die Investmentbanken über den Zyklus besehen ebenfalls keinen Gefallen: Wer im «Downturn» zu viele Leute entlässt, dem werden diese bei der Markterholung fehlen.

Hohe Leistungsbereitschaft nach wie vor gefordert

Bei der Deutschen Bank gibt sich Raeber dennoch grundsätzlich optimistisch, was den Nachwuchs angeht. «Das Investmentbanking bietet gerade für junge Einsteiger eine Top-Ausbildung in vielen Belangen des Banking», erklärt er. Entsprechend gebe es dafür weiter genügend Kandidaten.

Weiterhin werde im Metier eine hohe Leistungsbereitschaft vorausgesetzt. «Das wird auch von unseren Kunden gefordert und soll sich nicht zuletzt in den Karrieren widerspiegeln», sagt der Investmentbank-Veteran. «Wer sich einsetzt und gute Arbeit liefert, wird regelmässig befördert.» Wer den gemeinsam gesteckten Zielen nicht gerecht werde, sollte sich hingegen anderswo umschauen.