Die politische Stabilität und das attraktive Rechts- und Steuersystem für ausländische Ultra-High-Net-Worth-Individuals und Unternehmer, die sich in jüngster Zeit im Tessin niedergelassen haben, hätten dem Finanzplatz ermöglicht, verlorenen Boden wieder zurückzugewinnen, erklärt Olivier Baggi im Interview.


Herr Baggi, BlueStar Investment Managers ist ein junger Schweizer Vermögensverwalter in Lugano, der 2016 gegründet wurde. Was war Ihre Motivation, diesen Schritt zu wagen?

Wir Gründungspartner kannten uns bereits seit mehr als zehn Jahren, bevor wir 2016 das Unternehmen gegründet haben. Die engen beruflichen Beziehungen während dieser Jahre, gepaart mit echter Freundschaft, haben uns geholfen, einen unabhängige Asset Manager zu gründen.

Ein Vorteil war sicher, dass wir dies ohne externen oder internen Druck in Bezug auf Portfoliomanagement-Entscheidungen und die Art und den Stil der zu lancierenden und zu verwaltenden Produkte wagen konnten. Daher teilen alle bei BlueStar die gleichen Werte der intellektuellen Unabhängigkeit in Verbindung mit einem starken Unternehmergeist.

Der Schweizer Asset-Management-Mark ist hart umkämpft: Welches sind Ihrer Erfahrung nach die entscheidenden Faktoren, um Fuss zu fassen und Wachstum zu generieren?

Der Markt ist tatsächlich hart umkämpft, sowohl in Bezug auf die Gebühren als auch auf die Produkte und Strategien. Ich bin der festen Überzeugung, dass man Nischen-Strategien anbieten muss, die von den grossen Akteuren noch nicht in breitem Umfang abgedeckt werden, wie es bei unserem Fonds zur Space Economy der Fall ist.

Die Tatsache, dass wir ein kleiner Asset Manager sind, verschafft uns diesen First-Mover-Vorteil, da wir die Flexibilität haben, neue Strategien mit geringem Startkapital aufzulegen. Auf der anderen Seite wollen wir uns bei den Mainstream-Strategien, zum Beispiel bei Multi-Asset-Fonds mit globaler Allokation, dadurch auszeichnen, dass wir aktiv und flexibel sind.

Dadurch sind wir in der Lage, auch mutige Entscheidungen zu treffen, wann immer dies gerechtfertigt ist, und mittel- bis langfristig in innovative Themen zu investieren. Mit anderen Worten: Wir wollen uns nicht zu sehr an einer bestimmten Benchmark orientieren. Natürlich wird von uns dennoch eine konstante Performance erwartet und wir werden von unseren Anlegerinnen und Anlegern ständig mit potenziellen Konkurrenten verglichen.

Unsere Unabhängigkeit ermöglicht uns jedoch eine enge Beziehung zu unseren Anlegern, die in all den Jahren unsere Transparenz und intellektuelle Ehrlichkeit zu schätzen wussten, insbesondere auch in weniger günstigen Zeiten.

Sie haben sich auf Themenfonds wie die Raumfahrt spezialisiert. Auf welche Kundschaft und Bedürfnisse zielen Sie damit ab?

Mit thematischen Fonds richten wir uns an Wealth Manager, die die Vermögensallokation ihrer Kunden intern vornehmen und spezifische Anlagethemen in bestimmten Anlageklassen benötigen.

Unser Wertversprechen ist ein Thema und/oder ein Sektor, der als Baustein in einer bestimmten Anlageklasse des Mandats des Vermögensverwalters betrachtet werden kann und im Vergleich zu traditionellen Finanzmarktindizes ein günstiges langfristiges Wachstumspotenzial bietet.

Nach verschiedenen Rückschlägen hat sich der Tessiner Finanzplatz wieder als dritte Kraft in der Schweiz etabliert: Was waren die entscheidenden Faktoren dafür?

Der Tessiner Finanzplatz hat in den letzten 20 Jahren sicherlich unter den verschiedenen Steueramnestien der italienischen Regierungen und dem Wegfall des Bankgeheimnisses gelitten, die alle nacheinander erfolgten. Dies hat insbesondere im Bankensektor zu einer grossen Konsolidierung geführt. Diese hat den Banken ermöglich, einen hohen Standard und eine breite Palette von Dienstleistungen für ihre Kunden aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus haben die politische Stabilität und das attraktive Rechts- und Steuersystem für ausländische Ultra-High-Net-Worth-Individuals und ausländische Unternehmer, die sich hier niedergelassen haben, dem Tessiner Finanzplatz ermöglicht, verlorenen Boden zurückzugewinnen.

Betrachten Sie die Finanzplätze Zürich und Genf als Konkurrenten?

Nein, überhaupt nicht. Wir betrachten Finanzplätze untereinander nicht als Konkurrenten. Für uns bestimmt den Wettbewerb eher die Produkteseite als die Geografie. Daher betrachten wir Zürich und Genf vielmehr als grosse Wachstumschancen für BlueStar.

Wie stark sind Sie mit BlueStar auf den italienischen Markt fokussiert, und welche Vorteile bietet er?

Der italienische Markt ist sicherlich wichtig in Bezug auf Grösse und geografische Lage. Aufgrund rechtlicher grenzüberschreitender Beschränkungen können wir diesen Markt jedoch nicht direkt bedienen. Daher ziehen wir es vor, unsere Anstrengungen vorerst auf den heimischen Markt zu konzentrieren.

In der Asset Management-Branche wird viel über einen Mangel an Spezialisten gesprochen: Wie gehen Sie und der Finanzplatz Tessin damit um?

Ich teile diese Ansicht nicht ganz. Natürlich sage ich das aus meiner Sicht bei BlueStar. Generell hängt es davon ab, welche Art von Dienstleistungen man anbieten will und welche Kompetenzen man braucht. Auf der anderen Seite ist dies auch abhängig davon, wie Sie diese Dienstleistungen erbringen wollen und wie Sie Zugang zu den erforderlichen Fähigkeiten erhalten.

Als kleiner Asset Manager können wir es uns nicht leisten, jeden benötigten Spezialisten intern zu beschäftigen. Wir neigen daher dazu, Partnerschaften und Kooperationen mit Personen und Unternehmen zu suchen, die über die von uns benötigten Fähigkeiten verfügen. Genau das ist bei unseren beiden thematischen Fonds der Fall, von denen der eine auf die Raumfahrtindustrie und der andere auf den Biotech-Sektor ausgerichtet ist.

Für beide arbeiten wir formell mit internationalen Spezialisten zusammen, die uns in wissenschaftlichen und technischen Fragen beraten und mit denen wir in ständigem Kontakt stehen. Darum bin ich der festen Überzeugung, dass wir in Lugano mit der Unterstützung von hochkarätigen, in der ganzen Welt ansässigen Akademikern und Spezialisten grossartige Dienste leisten können, indem wir bestimmte Strategien verwalten.

Vielleicht müssen wir in der Schweiz überdenken, wie wir nach Spezialisten suchen und mit ihnen zusammenarbeiten, insbesondere in dieser immer stärker vernetzten Welt.

Welches sind Ihrer Meinung nach die bestimmenden zukünftigen Trends im Asset Management?

In letzter Zeit hat eine Standardisierung stattgefunden, sowohl auf der Produktebene, zum Beispiel durch die Einführung zahlreicher ETFs, einschliesslich sektoraler Produkte, als auch auf der Dienstleistungsebene, insbesondere für kleine und mittlere Kunden.

Schaut man sich jedoch viele dieser standardisierten Produkte, etwa Branchen-ETFs, genauer an, so stellt man fest, dass die «üblichen» fünf bis sechs Aktien auch bei dieser Art von Index dominieren, insbesondere im Technologiesektor und den Subsektoren. Infolgedessen sind viele Anleger durch das Halten verschiedener Produkte in ihrem Portfolio nicht so diversifiziert, wie sie vielleicht denken.

Kleine bis mittelgrosse aktive Manager wie BlueStar haben gute Karten, indem sie «pure-play» Sektorstrategien anbieten, ohne sich zu sehr um die Produktkapazität kümmern zu müssen. Sie können so Anlegern eine grössere Diversifizierung bieten.


Olivier Baggi ist CEO von BlueStar Investment Managers, die er 2016 mit weiteren Partnern gegründet hat. Nach seinem Berufseinstieg im Sales-Trading trat er 2005 in das Gründungsteam einer Fondsmanagement-Gesellschaft in Luxemburg ein, wo er die Position des COO und Risikomanagers innehatte. Seit Ende 2006 ist er im Bereich der Vermögensverwaltung in Lugano tätig, sowohl als Fondsmanager als auch als Portfoliomanager. Olivier hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften am University College London und einen Master in Finanzen und Wirtschaft an der London School of Economics. Er ist ausserdem Inhaber eines CFA-Charters.

Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.43%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.85%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.14%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.01%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.57%
pixel