Wir sind in der Jahresmitte 2018 angelangt, und die sechs Monate, die hinter uns liegen, haben sich wie sechs Jahre angefühlt. Wie geht's weiter?

Von Kristina Hooper, Chief Global Market Strategist, Invesco

Die Kursausschläge haben erheblich zugenommen, und Anleger, die durchgehalten haben, könnten dafür mit einer negativen Halbjahresbilanz bestraft werden: In der Betrachtung seit dem 1. Januar 2018 lagen viele der grossen Indizes am 22. Juni im Minus – der «MSCI All Country World ex-USA Index» mit -3,53 Prozent, der «MSCI EAFE Index» mit -3,43 Prozent und der «MSCI Emerging Markets Index» mit -6,08 Prozent.

Eine der wenigen Ausnahmen ist der «S&P 500 Index», der im gleichen Zeitraum ein bescheidenes Plus von 3,04 Prozent schaffte.1 Was sagen uns die Märkte über die Verfassung der Weltwirtschaft? Für den weiteren Jahresverlauf 2018 sehe ich fünf Trends:

1. Die globale Wachstumsdynamik dürfte wieder anziehen.

In den USA gibt es bereits erste Hinweise auf eine Rückkehr zu einem höheren Wachstumstempo, und ich gehe davon aus, dass die anderen grossen Volkswirtschaften den amerikanischen Vorgaben folgen werden, wenn auch etwas verhaltener.

Ein synchronisierter globaler Aufschwung zeichnet sich zwar nicht ab. In den meisten Volkswirtschaften sollte sich das Wachstumsumfeld in der zweiten Jahreshälfte aber verbessern. Anders ausgedrückt halte ich die aktuelle Wachstumsabschwächung also nur für temporär.

2. Die Aktienmärkte steigen weiter – aber schwächer.

Die Aussicht auf eine globale Wachstumserholung in Verbindung mit der immer noch akkommodierenden Geldpolitik sollte die globalen Aktienmärkte stützen. Ich halte das Wachstum und eine wachstumsförderliche Geldpolitik für wichtige Kräfte, die dafür sorgen sollten, dass die Aktienmärkte das Jahr 2018 mit einer positiven Jahresbilanz abschliessen.

Mit der Straffung der Geldpolitik lassen diese positiven Impulse aber nach – gleichzeitig wird der Protektionismus zu einer zunehmenden Gefahr.

3. Ich rechne mit mehr Störereignissen und Volatilität.

Mit der Normalisierung der Geldpolitik schwindet auch die Unterstützung, die Aktien durch die Politik der US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) erfahren haben, wodurch auch an den Kapitalmärkten mit einer Normalisierung zu rechnen ist.

In diesem Umfeld dürften die Fundamentaldaten wieder an Bedeutung gewinnen und die Korrelationen zwischen Aktien entsprechend weiter abnehmen. Darüber hinaus dürfte die Rücknahme der akkommodierenden Geldpolitik für einen anhaltenden Anstieg der Marktvolatilität sorgen.

Durch geopolitische Störereignisse könnten sich die Kursausschläge nochmals verstärken. Auch wenn dies nicht mein Basisszenario ist, halte ich es für erwähnenswert, dass die Fed im Zuge ihrer fortschreitenden Bilanznormalisierung – einem schlagkräftigen Instrument – zu einer disruptiven Geldpolitik beitragen könnte. Geplant ist eine quartalsweise Erhöhung des Wertpapierabbaus in der Fed-Bilanz.

Dies könnte den gegenteiligen Effekt der Anleihenkäufe (des sogenannten Quantitative Easing oder «QE») auf die Aktienmärkte haben, sie also unter Druck setzen und zu einer höheren Volatilität führen. Noch komplizierter wird dieses Szenario dadurch, dass sich die Fed aktuell vor allem über die Entwicklung der Zinsstrukturkurve und die möglichen Folgen einer inversen Zinsstrukturkurve zu sorgen scheint.

Nicht auszuschliessen ist daher, dass die Bank ihre Bilanznormalisierung beschleunigen wird, um eine inverse Zinsstrukturkurve zu verhindern. Das könnte an den Märkten – vor allem den Aktienmärkten – für heftige Turbulenzen sorgen.

4. Der Schuldendruck dürfte grösser wachsen.

Die weltweite Verschuldung nimmt zu. Durch steigende Kreditkosten werden diese Schulden für Konsumenten, Unternehmen und Regierungen zu einem zunehmenden Problem. In seinem jüngsten Global Financial Stability Report warnt der Internationale Währungsfonds (IWF) vor den wachsenden Schuldenüberhängen in verschiedenen Ländern.2

Diese Problematik ist weit verbreitet und könnte negative Folgen für Volkswirtschaften haben, die ihre Zinsen erhöhen. Für kanadische Hauseigentümer mit variablen Hypothekenzinsen zum Beispiel wird die Lage bereits zunehmend prekär. Auch der Gegenwind, der vielen Schwellenmärkten entgegenweht, ist zumindest teilweise auf höhere Kreditkosten zurückzuführen.

Mit der fortschreitenden oder sogar beschleunigten Normalisierung der Geldpolitik dürfte dieser Druck in den nächsten Jahren zunehmen. Neben ihren kurzfristigen Auswirkungen hat die zunehmende Verschuldungsproblematik zudem eine langfristige Folge: Wenn mehr Geld für den Schuldendienst ausgegeben werden muss, ist weniger Geld für Investitionen da. Das bremst das längerfristige Wirtschaftswachstum.

5. Der Protektionismus wirft seine Schatten voraus.

Ich wiederhole gerne noch einmal: Zölle sind wie Bakterien in einer Petrischale — sie vermehren sich genauso schnell. Ich glaube nicht, dass die aktuellen protektionistischen Drohkulissen und Massnahmen vorübergehender Natur sind, sondern rechne eher mit einer Eskalation.

Bislang haben sich die Märkte beim ersten Anzeichen einer Entspannung in den internationalen Handelskonflikten schnell wieder von den Kursverlusten erholt, mit denen sie auf protektionistische Drohungen und Massnahmen reagiert hatten.

So reichten den Anlegern schon die beschwichtigenden Worte des chinesischen Präsidenten Xi Jinping beim Boao Forum im März, um den Aktienmärkten zu ihrem nächsten Höhenflug zu verhelfen. Aber wir alle wissen, wie es weiterging — mit einem erneuten Aufflammen des Handelsstreits, bei dem klar wurde, dass Xi kein Interesse an ernsthaften Zugeständnissen hat.

Was bedeutet all dies für Anleger?

In diesem Umfeld halte ich ein Engagement in Risikoanlagen für wichtig, um langfristige Anlageziele zu erreichen — zumal die Aktienmärkte meiner Ansicht nach weiter Aufwärtspotenzial bieten (wenn auch in abgeschwächter Form).

Ein solches Engagement sollte meiner Ansicht nach aber in jedem Fall von Massnahmen zur Minderung des Verlustrisikos begleitet sein, zum Beispiel einer breiten Diversifikation.


1 Quelle: Bloomberg, L.P., Stand: 22. Juni 2018
2 Quelle: IWF Global Financial Stability Report, Oktober 2017


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