Der kürzliche Rekordpreis von 2'400 Dollar je Unze Gold zeigt, dass das Geschäft mit dem gelben Edelmetall in eine neue Phase getreten ist. Das Goldhandels-Unternehmen Degussa bereitet sich auf einen weiteren Kursanstieg vor und will in weitere Länder expandieren, wie Andreas Hablützel im Gespräch mit finews.ch erklärt.  

Parallel zum gestiegenen Wert von Kryptowährungen hat auch der Preis für Gold in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt und im vergangenen März erstmals die Marke von 2'000 Dollar pro Unze übertroffen, und nun sogar kurz die Marke von 2'400 Dollar gestreift.

Diese Entwicklung ist insofern bemerkenswert, als es sich dabei um zwei Anlageklassen handelt, die sich ausserhalb des klassischen Finanzsystems entwickeln: Gold seit Jahrtausenden; digitale Anlagen seit wenigen Jahrzehnten.

Misstrauen in Papiergeld

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Andreas Hablützel, Degussa Goldhandel Schweiz (Bild: zvg)

Entsprechend beobachtet auch Andreas Hablützel die jüngsten Kursavancen im gelben Edelmetall mit weitaus grösserer Gelassenheit als etwa die derzeit euphorischen Jüngerinnen und Jünger rund um Bitcoin oder Ethereum. Fest steht für ihn aber, dass sich in dieser neuerlichen Hausse das latente und in jüngster Zeit wieder verstärkte Misstrauen in unser traditionelles Währungssystem manifestiert.

«Ob Krypto oder Gold, die Leute wollen zunehmend mindestens einen Teil ihres Vermögens ausserhalb des Fiat-Systems haben», sagt der CEO der Degussa Goldhandel Schweiz im Gespräch mit finews.ch. Unter Fiatgeld – aus dem lateinischen Wort fiat («Es geschehe! Es werde!») abgeleitet – versteht man das herkömmliche oder gebräuchliche Papier- und Münzengeld.

Drei Faktoren und eine neue Preismacht

«Ich denke, es ist eine Kombination aus drei Faktoren, die jetzt gleichzeitig auftreten und den Preis beflügeln», sagt Hablützel. «Erstens sehen wir, dass China seine Dollar-Reserven in Gold umschichtet. Um das vorgegebene Ziel schneller zu erreichen, haben sie den Aufbau ihrer Goldreserven etwas beschleunigt.»

Hinzu kommt, dass Schwellenländer in der Vergangenheit zwar die grössten Endverbraucher waren. Doch konnten sie wegen des «schnellen Geldes» im Westen nie eine Preismacht ausüben. Das hat sich geändert, da das viele «neue» Geld in den aufstrebenden Märkten eine Preismacht darstellt.

Warnung schon vor 20 Jahren

Der zweite Faktor ist tatsächlich die weltweite Abkehr von Fiat-Währungen zugunsten von Gold, da die Anleger aufgrund der anhaltenden und wachsenden wirtschaftlichen Probleme in der EU weniger Vertrauen in Währungen wie dem Euro haben.

Und zu guter Letzt ist da die wachsende geopolitische Unsicherheit in Bezug auf Israel und den Iran, die zu einem möglichen Kriegsszenario im Nahen Osten führen könnte, vor dem Experten schon vor 20 Jahren hingewiesen haben.

Dominoeffekt als Preistreiber

Für Hablützel ist die Entwicklung des Goldpreises recht eigentlich etwas Langweiliges, denn über längere Zeitabschnitte legt das gelbe Edelmetall «bloss» zu, was einem ausgewogenen Portefeuille auch eine gewisse Stabilität verleiht, sofern darin zwischen 5 und 15 Prozent Gold enthalten sind. Unter diesen Prämissen sind auch regelmässige Kurskorrekturen absolut verkraftbar, wie sie auch immer wieder vorkommen.

Die drei erwähnten Hauptfaktoren führen nun zu einem Dominoeffekt. Aufgrund der wachsenden geopolitischen Unsicherheiten im Nahen Osten erhöhen die Anleger den Goldanteil in ihren Anlageportfolios von derzeit etwa 5-7 Prozent auf etwa 10-15 Prozent. «Dies ist ein zusätzlicher Preistreiber für Gold, der nicht unterschätzt werden sollte», sagt Hablützel.

Preiskorrektur bis zum «Sommerloch» befürchtet

Gerade auch jetzt hält er den Goldmarkt wieder einmal für «überkauft» und geht bis zum «Sommerloch» von einer Preiskorrektur in der Grössenordnung von 150 Dollar aus. Mit dem kürzlichen Anstieg deutlich über die Marke von 2'000 Dollar habe das gelbe Edelmetall jedoch ein neues Niveau gefunden, das nicht so schnell wieder unterschritten werden dürfte.

«Ich denke, dass das, was wir derzeit sehen, erst der Anfang einer längeren Reise ist. Diese Reise wird langsam verlaufen, nicht chaotisch und auch nicht in einem Crash enden», sagt der Degussa-Manager. Das Vertrauen in Währungen wie dem Euro oder dem Dollar werde weiter sinken, und die Anleger würden sich anderen Möglichkeiten zuwenden, um den Wert ihres Geldes zu erhalten.

Ausstieg vieler Banken aus dem Goldgeschäft

Vor dem Hintergrund der jüngsten Hausse entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass viele Schweizer Banken das einstmals beliebte Goldgeschäft aufgegeben haben. Offenbar rechnen sich Kauf und Verkauf der zumeist physischen Barren nicht mehr respektive lassen sich damit nicht mehr genügend hohe Gebühreneinnahmen generieren. Bestenfalls noch eine gute Handvoll Banken, darunter die UBS, Raiffeisen oder die Zürcher Kantonalbank verkaufen noch Goldbarren an die breite Kundschaft.

In die Bresche springen spezialisierte Goldhändler wie Degussa oder andere Firmen, wie finews.ch bereits früher berichtet hat. Diese Unternehmen haben ein Angebot an Goldprodukten, für das es gerade in der Schweiz durchaus eine Nachfrage gibt.

Auslandsexpansionen geplant

«Insofern hat es für alle diese spezialisierten Goldhändler Platz im Markt», betont Hablützel und verweist gleichzeitig darauf, dass Degussa seine beiden Schweizer Standorte in Zürich und Genf in den vergangenen zwei Jahren personell sogar ausgebaut habe; in der Limmatstadt arbeiten mittlerweile 20 Leute, in der Rhonestadt fünf.

Weitere Expansionen sind geplant, allerdings nicht in der Schweiz, sondern ausserhalb Europas. «Wir prüfen für 2025 einen Markteintritt in andere Länder, unter anderem in Singapur», sagt Hablützel. Die Eröffnung einer Niederlassung im südostasiatischen Stadtstaat wäre eine Rückkehr, wie Hablützel einräumt, der auch für die internationale Präsenz des Unternehmens zuständig ist. Denn Degussa eröffnete schon 2016 eine Niederlassung in Singapur, schloss diese aber nach wenigen Jahren wieder.

Anlaufstelle für Family Offices und Vermögensverwalter

Bei der jüngsten Expansion zielt man im Gegensatz zu früher auch nicht mehr auf die Retail- oder Laufkundschaft, sondern versteht sich nun klar als Anlaufstelle für Family Offices, unabhängige Vermögensverwalter oder andere professionelle Finanzinstitutionen, wie Hablützel präzisiert.

Mit dieser Neuausrichtung ging auch der kürzliche Entscheid einher, fortan keine physischen Goldprodukte wie Schachfiguren und -bretter oder Uhren, Kugelschreiber und andere Dekorationsgegenstände mehr anzubieten, sondern sich auf kleinere und grössere Goldbarren sowie auf klassische, bekannte Goldmünzen wie Goldvreneli, Krügerrand, Canadian Maple Leaf oder American Eagle zu fokussieren.

Generationenwechsel vollzogen

Sowohl die Expansionspläne als auch die Straffung des Angebots an Goldprodukten gehen auf die neue Geschäftsleitung der Degussa-Gruppe zurück, die seit 2022 in den Händen von François von Finck liegt, dem Sohn des Ende November 2021 verstorbenen Patrons August Baron von Finck, der sich ab 2010 im Goldhandel engagiert und dazu die Namensrechte des Degussa-Konzern erworben hatte, um diese dann für die vor 14 Jahren gegründete Firma Degussa Goldhandel zu nutzen

Damit hat sich nun ohne grosses, externes Aufheben ein Generationenwechsel vollzogen, der das Geschäft mit einem Jahrtausende alten Handelsgut neu dynamisieren dürfte. Erste Anfänge deuten sich bereits an.