Je nachdem, mit wem Sie sich austauschen, wird Gold als ein Inflationsschutz, als Proxy-Währung, als sichere Vermögensanlage betrachtet – oder als eine reine Zeit- und Geldverschwendung.

Von Jim Iuorio, Geschäftsführer von TJM Institutional Services

Ungeachtet der persönlichen Meinung zu Gold herrscht in zwei Punkten meist Einigkeit:

  • Erstens neigt Gold zu einer starken Performance, wenn der Dollar schwächelt, was durchaus Sinn ergibt, da Gold in Dollar gehandelt wird.
  • Zweitens wirken sich niedrige oder sinkende Zinsen positiv auf den Goldpreis aus. Dies erscheint ebenfalls logisch, da die Kosten beim Halten unverzinslicher Vermögenswerte mit den Opportunitätskosten sinken.

Korrelation zwischen Goldpreis und Dollar

Der Goldpreis und der Dollar sind schon oft zusammen gestiegen – meistens ausgelöst durch globale makroökonomische Spannungen. Die positive Korrelation zwischen dem Goldpreis und dem Dollar rückt dabei schnell in den Hintergrund, wenn sich die Risikosituation verbessert.

Dennoch wurde in den vergangenen 14 Monaten eine ungewöhnliche Entwicklung verzeichnet: Von Anfang September 2018 bis Anfang Oktober 2019 zogen beide Kurse gleichermassen stetig an. Dabei ist der Dollar um 11 Prozent und der Goldpreis um 30 Prozent gestiegen (Gold hat im November 2019 teilweise an Stärke verloren, verzeichnet aber gegenwärtig ein Plus von 23 Prozent).

Dabei ist bemerkenswert, dass die 10-jährigen US-Treasury-Rendite im selben Zeitraum von 3,25 Prozent auf gegenwärtig 1,8 Prozent gesunken ist. Zugegebenermassen könnten wir uns hier einfach auf die Diskrepanz zwischen dem Dollar und den [US-]Zinsen konzentrieren, da die Details in etwa gleich gelagert sind. Was mich hier jedoch eher bewegt, ist die Frage, wie ich mich im Gold positionieren sollte.

Positive Anzeichen

Interessanterweise lässt sich bei der Wertentwicklung des Edelmetalls feststellen, dass der Anstieg des Dollars völlig aussen vor bleibt – der Fokus liegt stattdessen auf rückläufigen Zinsen. Was ist der springende Punkt?

Meiner Meinung nach zeigen die Finanzmärkte, dass die Stärke des Dollar nicht gleichmässig entsteht. Der Dollar-Index ist eine Momentaufnahme des Dollarwertes gegenüber den sechs wichtigsten Weltwährungen, einschliesslich dem Euro. Ein starker und langfristiger Anstieg des Dollar deutet auf eines von zwei Dingen:

  • 1) Der Ausblick für die Binnenkonjunktur ist gut – oder die Aussichten für den Rest der Welt sind weniger rosig. (Ich kann schon mal verraten: Das Letztere trifft zu.)
  • 2) Wenn wir den starken Dollar den sinkenden Zinsen und den steigenden Goldpreisen gegenüberstellen, so scheint es offensichtlich, dass der Ausblick für die Binnenkonjunktur neutral ist, während die Konjunkturaussichten für den Rest der Welt als schwierig eingeschätzt werden.

Einige Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass der anhaltende Handelskrieg teilweise dafür mitverantwortlich ist. So hat der eng mit der chinesischen Wirtschaft verbundene australische Dollar seit seinen Höchstständen im Jahr 2018 bis Dezember [2019] 16 Prozent eingebüsst und gehört damit zu den schwächsten Währungen. Daraus lässt sich schliessen, dass der andauernde Handelskrieg die globale Wirtschaft nach unten zieht und nur die US-Wirtschaft in der Lage ist, mit den Auswirkungen am besten fertig zu werden.

Handelsthemen 2020

Aus meiner Sicht könnte der zentrale Faktor für einen Ausreisser im Goldmarkt in einer einsetzenden Abschwächung der US-Konjunktur liegen, die den Dollar mit sich zieht. Sollten die Goldliebhaber spüren, dass das letzte – und potenziell wichtigste – Puzzleteilchen für ein positives Bild passt, könnten dies für Enthusiasmus sorgen.


Jim Iuorio ist Geschäftsführer von TJM Institutional Services und langjährig erfahrener Futures- und Optionshändler. Im Laufe seiner Broker-Karriere war er für bedeutende institutionelle Kunden in den Bereichen Aktienindizes, Rohstoffe, Zinsprodukte und Devisen tätig. Bei seinen Empfehlungen kombiniert er makroökonomische Einblicke mit technischen Analysen.