Mit neuen «Master Classes» vergrössert das Swiss Finance Institute das Wissenskapital auf dem Finanzplatz und steigert damit seine Wettbewerbsfähigkeit , sagt Silvia Helbling im Interview mit finews.ch.


Frau Helbling, die Finanzwissenschaft entwickelt sich rasant. Wie geht das Swiss Finance Institute (SFI) als Forschungs- und Bildungsinstitut damit um?

Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen der akademischen Welt und der Berufspraxis. Es ist deshalb unsere erste Aufgabe, den Beschäftigten im Finanzsektor neueste finanzwissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah und effizient zu vermitteln sowie relevante Fragestellung aus der Finanzindustrie aufzugreifen und zu vertiefen.

Zusammen mit unserer Trägerschaft, namentlich den Banken in der Schweiz, wollen wir das Wissenskapital auf dem Finanzplatz vergrössern und damit indirekt auch die Wettbewerbsfähigkeit des Bankenplatzes steigern.

Auch die Art der Wissensvermittlung verändert sich permanent. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?

Zuerst einmal indem wir unser eigenes Weiterbildungsangebot immer wieder kritisch hinterfragen und dabei auch den Mut aufbringen, neue Wege in der beruflichen Weiterbildung zu beschreiten, wie unsere jüngste Initiative mit den «Master Classes» unterstreicht.

«Die Weiterbildungsangebote müssen effizienter und deutlich flexibler ausgestaltet werden»

Als Orientierungshilfe dient uns dabei der enge Austausch mit unserer Trägerschaft, die letztlich das grösste Interesse an gut ausgebildeten Fachkräften hat.

Was wird heute erwartet bei der Wissensvermittlung?

Analytisches Wissen sowie die Fähigkeit, vernetzt zu denken und zu handeln sind heute entscheidende berufliche Erfolgsfaktoren. Die traditionelle Wissensvermittlung wird den heutigen Bedürfnissen der Berufstätigen nur noch bedingt gerecht – die Arbeitswelt dreht sich immer schneller und Weiterbildungsangebote müssen effizienter und deutlich flexibler ausgestaltet werden, damit sie mit der Berufspraxis und den Anforderungen an die Fachkräfte Schritt halten können.

«Längere, ausbildungsbedingte Absenzen am Arbeitsplatz sind nicht mehr zeitgemäss»

Dazu gehört einerseits ein inhaltlicher Fokus auf analytische Kompetenzen, die es erlauben, die verschiedensten Entwicklungen zu verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse miteinander zu vernetzen. Andererseits muss der Erkenntnisgewinn effizient und in konzentrierter Form erfolgen – längere, ausbildungsbedingte Absenzen am Arbeitsplatz sind nicht mehr zeitgemäss und in der Regel wenig produktiv.

Was ist an den «Master Classes» grundsätzlich neu?

Wir fokussieren klar auf die Fähigkeit vernetzt zu denken und Problemstellungen interdisziplinär anzugehen. Gerade in der beruflichen Weiterbildung wollen wir nicht per se frei verfügbares Grundlagenwissen über den klassischen Frontalunterricht, sondern akademisch abgestütztes Expertenwissen über kurze, intensive Lerneinheiten vermitteln. Unsere Absolventen sollen in der Lage sein, komplexen Fragestellungen in ihrer Arbeitswelt mit tragfähigen Lösungsansätzen, die auf aktuellen Erkenntnissen aus der finanzwissenschaftlichen Forschung beruhen, zu begegnen.

Wer ist das Zielpublikum für die «Master Classes»?

Unser Angebot richtet sich klar an Berufserfahrene aus dem Bankensektor, die über eine gewisse Seniorität verfügen, und die bereits über das notwendige Grundlagenwissen verfügen, um am SFI die nächste Weiterbildungsstufe, den Experten-Level sozusagen, zu absolvieren.

Können Sie uns den Ablauf einer solchen «Master Class» beschreiben?

Die einzelnen Lerneinheiten der «Master Classes» sind immer auf einen halben Wochentag ausgelegt und finden in der Regel nachmittags statt. Die Teilnehmer werden von einem SFI-Professor in einen thematischen Schwerpunkt eingeführt, der anschliessend mit versierten Praxisreferenten höchster Seniorität vertieft wird.

Dabei werden neueste akademische Erkenntnisse mit dem Erfahrungswissen aus der Praxis verknüpft, in einen grösseren Zusammenhang gestellt sowie im Gremium eingehend diskutiert. Den Abschluss jeder Lerneinheit bildet eine Networking-Komponente mit dem Ziel, die Teilnehmer untereinander in einen dauerhaften Kontakt zu bringen.

«Konventionelles Grundlagenwissen wird in den Master Classes per Definition nicht vermittelt»

Ziel ist es, über fokussierte Ausbildungs- und Lerneinheiten neueste Erkenntnisse und Thought Leadership aus der Finanzindustrie, basierend auf dem aktuellen Stand der modernen Finanzwissenschaften, in komprimierter Form effizient und zeitnah zu vermitteln. Abhängig von der individuellen Expertise der Teilnehmenden und gleich einem Baukastenprinzip können die Lerneinheiten selektiv und entlang der eigenen Weiterbildungsbedürfnisse absolviert werden.

Was werden die Themen, und wer werden die Professoren sein, welche die «Master Classes» bestreiten?

Jedes Lernmodul wird von einem versierten SFI-Professor konzipiert und geleitet. Dadurch ist sichergestellt, dass allen Lerneinheiten immer das Expertenwissen unserer Fakultät zu Grunde liegt und diese damit jederzeit einem hohen akademischen Qualitätsanspruch entsprechen.

Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass alle Dozenten ihre Expertise aus verschiedenen Disziplinen aktiv einbringen – konventionelles Grundlagenwissen wird in den Master Classes per Definition nicht vermittelt, sondern im Gegenteil von den Teilnehmenden zum grössten Teil erwartet.

Welchen Mehrwert werden die Teilnehmenden einer «Master Class» mitnehmen können?

Sie werden gegenüber konventionell ausgerichteten Weiterbildungsangeboten in der Lage sein, komplexe Finanzthemen ganzheitlich zu erfassen und mit aktuellen Erkenntnissen aus der Finanzforschung zu verknüpfen.

«Die Kosten für die Master Classes werden von der Trägerschaft des SFI übernommen»

Sie sollen dadurch in die Lage versetzt werden, den Wandel in der Finanzindustrie aus einer Position der wissensbasierten Stärke heraus aktiv mitzugestalten.

Welchen Beitrag leisten die Schweizer Banken als Trägerschaft des SFI?

Die Kosten für die «Master Classes» werden von der Trägerschaft des SFI vollumfänglich übernommen, beziehungsweise werden jene für die Mitarbeitenden der Unternehmen, die der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) angeschlossen sind, unentgeltlich angeboten. Die Banken in der Schweiz sowie die SIX-Gruppe leisten hier einen substanziellen Standort-Beitrag und setzen darüber hinaus ein klares Zeichen der Wertschätzung gegenüber ihren Beschäftigten.

Wann geht es los mit den «Master Classes»?

Die ersten «Master Classes» werden bereits im Juni stattfinden und nach der Sommerferienpause werden wir die Duchführungsintensität fortlaufend steigern.


Silvia Helbling ist Head Knowledge Exchange & Education am Swiss Finance Institute (SFI) und Member of the Management Board. Sie studierte an der Universität Zürich (lic.oec.publ) und promovierte an der University of York in Grossbritannien auf den Gebieten der Preisbildung am Finanzmarkt und der Informationsökonomie. Ihre beruflichen Erfahrungen sammelte sie in diversen Banken sowie im Rohwarenhandel, bevor sie sich vor mehr als 20 Jahren der Erwachsenenbildung zuwandte, wo sie in unterschiedlichen Führungspositionen die Entwicklung zahlreicher strategischer Initiativen mitprägte. Mit ihren breiten Erfahrungen im Finanz- und Weiterbildungsbereich unterstützt sie als Mentorin der Universität Zürich junge Talente.