An den Flughäfen bevölkerten sie die Business Lounges und sie füllten die Sitzreihen der frühen Flüge nach London, Frankfurt oder Moskau: Investmentbanker. Seit Wochen sind sie gegroundet – ob das so bleibt?

Als finews.ch vor rund einem Monat mit Thorsten Pauli sprach, dem Leiter des Bereichs Equity Capital Markets der Bank of America in der Schweiz, Deutschland und in Österreich, war sein Fazit zu seiner Tagesstruktur im Homeoffice nach einem knappen Monat Lockdown klar: Keine Flüge mehr, dafür eine Telefon- und Videokonferenz nach der anderen. Effizienter sei das, so Pauli, er verbringe keine unproduktive Zeit an Flughäfen.

«High flying» Investmentbanker wie Pauli waren vor der Corona-Pandemie schon mal an vier von fünf Arbeitstagen pro Woche in der Luft. Investmentbanker gefielen sich – ähnlich wie die Private Banker – darin, ihr Geschäft als «Peoples Business» zu bezeichnen. Man müsse dem Kunden Auge in Auge gegenüber sitzen, um ihn beispielsweise bei einem M&A-Deal beraten zu können.

Wo bleiben die alten Gewohnheiten?

Entsprechend liessen Investmentbanker alles stehen und liegen, wenn ein Kunde rief und flogen um den halben Erdball – auch wenn es nur für ein halbstündiges Meeting war.

Nicht mehr. Seit Ende Februar sitzen auch die High Flyer im Homeoffice fest. Und mit der nun beginnenden Lockerung des Lockdowns wollen die Investmentbanker offenbar nicht mehr zu ihren alten Gewohnheiten zurück.

«Wenn wir den Virus überwunden haben, ist klar: Unser Verhalten wird sich ändern», sagte beispielsweise Frazer Ross von der Deutschen Bank gegenüber der britischen Nachrichtenseite «Financial News» (Artikel bezahlpflichtig).

Und Philip Drury, der in der Capital-Markets-Abteilung der Citigroup arbeitet, sagte: «Wenn wir zu einer Art Normalität zurückkehren, werden wir einige der nun getesteten Arbeitsweisen weiterführen. Wir können so effizient arbeiten. Als Banker ständig um die Welt zu fliegen ist dafür keine Voraussetzung.»

Flug- und Reisespesen sinken massiv

Tatsächlich bieten das Arbeiten aus dem Homeoffice und das Abhalten von Sitzungen und Kundentreffen mit Videokonferenzen erhebliche Effizienzvorteile – zeitlich und finanziell. finews.ch rechnete kürzlich vor, dass die gesammelten Flugmeilen eines internationalen Finanzkonzerns jährlich in die Hunderten von Millionen gehen und die Kosten dafür einen rasch einen hohen zweistelligen Millionenbetrag erreichen.

Mit jeder wegfallenden Flugmeile reduzieren sich auch die sonstigen Reisespesen. Insofern wird das Einrichten einer Post-Corona-Arbeitswelt zu einem Effizienzprogramm, vor allem in den Investmentbanken, die jeweils besonders viele Flugmeilen angesammelt haben.

Fliegen wird mühsam

Die andere Seite ist: In der Post-Corona-Zeit werden Geschäftsreisen nicht mehr das sein, was sie mal waren. Das Check-In-Prozedere wird aufgrund schärferer Passkontrollen und Hygieneregeln umständlicher, die Flugfrequenzen werden abnehmen, die Risikowahrnehmung beim Fliegen wird insgesamt steigen. Kurzum: Die frühere Effizienz einer Flugreise wird deutlich sinken.

Und selbst wenn Investmentbanker wieder fliegen wollten: Wollen ihre Kunden sie überhaupt noch physisch treffen? Ein Senior Banker sagte gegenüber «Financial News», er könne sich für die nächsten zwölf bis 18 Monate schlecht vorstellen, dass Kunden sich mit einem Investmentbanker, der gerade aus einem anderen Land angekommen ist und auf seiner Reise möglicherweise auf Flughäfen habe umsteigen müssen, in einen Raum begeben wollen: «Ich glaube nicht, dass solches Verhalten in der näheren Zukunft noch auf Akzeptanz stösst.»

Ein weiterer positiver Effekt: Steigt die Hürde für physische Meetings wird sich dies auch auf die Nachhaltigkeitsbemühungen der Banken positiv auswirken.

Weniger Volumen, mehr Arbeiten

Doch es gibt zwei weitere Gründe, welche die Investmentbanker noch länger «grounden» werden – und diese sind nicht nur angenehm. Die ersten Daten aus der Corona-Pandemie haben gezeigt, wie stark die Wirtschaft tatsächlich eingebrochen ist. Gemäss dem Research-Unternehmen Refinitiv brach das M&A-Volumen mit der Corona-Pandemie um 40 Prozent ein. Aufgrund der schwierigen Prognoselage wurden Deals schlicht abgesagt und es ist unsicher, ob die Transaktionsvolumen wieder alte Niveaus erreichen.

Der andere Grund ist: Investmentbanker haben im harten Test bewiesen, was vorher für unmöglich gehalten wurde. Sie können «remote« arbeiten, sie können Kundentreffen aus dem Homeoffice ab- und Deadlines einhalten. Mit anderen Worten: Die Arbeit aus dem Homeoffice ist im Investmentbanking so effizient, dass Abwesenheiten für Kundenmeetings und dergleichen weniger bewilligt werden.

Keine schöne neue Welt

Die Folgen dieser neuen Arbeitsorganisation haben sich bereits im Corona-Lockdown abgezeichnet. Die für ihre gewaltigen «Workloads» berüchtigten Investmentbanker haben im Homeoffice wegen der permanenten Erreichbarkeit und der schwierigeren Abgrenzung noch mehr Arbeitsstunden geleistet.

Das Grounding hat den Banken zwar Wege in die neue Arbeitswelt gezeigt, ob diese aber so wunderbar zukunftsträchtig ist, darf auch angezweifelt werden.