Der grösste psychische Kollateralschaden der Corona-Pandemie ist die Depression. Diese lässt sich auch aus dem Homeoffice bekämpfen. Online-Kurse in positiver Psychologie gehören zu den populärsten an den US-Elite-Universitäten.

Als der Dozent Tal Ben-Shahar 2006 an der Harvard Business School den Kurs «Positive Psychology 1504» gab, war es eine Sensation: Mehr als 1'400 Studenten schrieben sich dafür ein – der Rekord hält sich bis heute.

Die Sensation war: In allen Semestern zuvor waren jeweils die Einführungskurse in die Betriebswirtschaft und Finance die meist besuchten gewesen, «the classes on how to make money» – denn dafür ging man schliesslich an die Universität der künftigen Wirtschaftselite.

Tal Ben-Shahar ist inzwischen ein international gefragter Experte für positive Psychologie. Und in Harvard ist wieder Normalität eingekehrt: Computer-Wissenschaften, Einführung in die Künstliche Intelligenz, Game-Programmieren – und natürlich die verschiedenen Business Classes stehen in der Popularität ganz oben.

Yale wiederholte den Harvard-Rekord

Doch das Thema und die Wissenschaft der Positiven Psychologie haben sich nicht nur gehalten. Dank enormen Forschungsfortschritten in der Hirnforschung und Neurolinguistik haben sich solche Themen wissenschaftlich etabliert.

In Yale, die Elite-Universität der angehenden Juristen und Anwälte, wiederholte die Professorin in Psychologie Laurie Santos 2018 den Erfolg von Tal Ben-Shahar. Ihr Kurs «Psychology and the Good Life» wurde der populärste in der Geschichte der rund 300 Jahre alten Universität.

300'000 eingeschriebene Teilnehmer

Diesen Herbst entschied sich Santos, den Kurs auch online anzubieten – schliesslich war der Yale-Campus praktisch leer. Die Studenten blieben zu Hause – wie grosse Teile der Schweizer auch, die in Dienstleistungsbranchen wie Banking und Finance arbeiten.

In den ersten zwei Wochen nach der Ausschreibung hatten sich 300'000 Teilnehmer für «The Science of Well-Being» – so heisst der Kurs nun – eingeschrieben. Frühere Studenten berichten davon, dass Santos Vorlesung ihr Leben verändert habe – zum Positiven.

Doppelt so viele Depressive

In der laufenden Corona-Pandemie ist das ein Hoffnungsschimmer: Studien in Grossbritannien zeigen, dass im laufenden Jahr 20 Prozent aller Erwachsenen Symptome von Depression aufweisen. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.

Die «New York Times» hatte 2018 dem Yale-Phänomen einen langen Artikel gewidmet. Gefragt, warum sie die Vorlesung von Santos besuche, sagte eine Studentin damals: «Viele von uns haben Angstzustände, sind gestresst, unglücklich und gefühllos.» Bedenkt man die Konsequenzen der Corona-Pandemie auf das soziale Leben, berufliche und finanzielle Konsequenzen, dürfte sich kein geringer Teil der Menschen heute ähnlich fühlen.

Mythen des Glücks

Santos sagte in einem Interview: «Wir glauben, Geld und Besitztum schaffen uns Glück und Zufriedenheit. Aber es geht um etwas ganz anderes: Es geht darum, sich Zeit für andere Gedanken zu nehmen, für persönliche Beziehungen und für Achtsamkeit.»

In wöchentlichen Fortsetzungen erklärt Santos in Video-Vorlesungen, die sie zu Hause aufzeichnet, welche falschen Vorstellungen die Konsumgesellschaft von Zufriedenheit und Glück hat, wie man die Denkfehler überwindet und am persönlichen Wohlbefinden arbeiten und entsprechende Gewohnheiten entwickeln kann.

Den nächsten Schritt machen

Dabei bedient sich Santos aus Erkenntnissen der Psychologie wie auch der Verhaltensökonomie. Und sie liefert Strategien, die in der Praxis geübt und umgesetzt werden können, um einerseits die psychische Gesundheit herzustellen und widerstandsfähiger zu machen.

Der Kurs helfe ihr, sagte die Studentin damals der «New York Times», im weiterhin stressigen Alltag sich wieder auf ihre Arbeit konzentrieren zu können oder einfach nur, den nächsten Schritt zu machen.