In den «Fed Fund Futures» sind für 2018 tatsächlich nur zwei Zinserhöhungen eingepreist. Eine US-Investmentbank geht stattdessen von acht Zinserhöhungen in Folge in den nächsten zwei Jahren aus. Wer liegt richtig?

Da muss ich mich klar der Marktmeinung anschliessen: Die hoch liquiden Zinsmärkte hatten – zumindest in den vergangenen Jahren – immer Recht. Worauf die Fed bei ihren Aktionen ein besonderes Augenmerk werfen dürfte und was man in der Presse selten wahrnimmt, sind die Entwicklungen am amerikanischen Häusermarkt, wo sich gewisse Überhitzungstendenzen manifestieren.

Können Sie das noch genauer erläutern?

Gemessen am S&P Cash-Shiller-Hauspreisindex sind die Preise seit Anfang 2012 um über 45 Prozent gestiegen, und wir befinden uns über dem Niveau von 2006. Ab 2005 begann die Fed die Zinsen schrittweise von 1 Prozent auf 5,25 Prozent zu erhöhen. Was danach folgte, dürfte vielen Anlegern noch bös in Erinnerung sein; der grösste weltweite Wirtschaftseinbruch seit Ende der grossen Depression 1929.

Führen die beschlossenen Steuersenkungen in den USA nicht zu einer unnötigen Stimulierung, die dazu führen könnte, dass die US-Notenbank ihre Geldpolitik viel aggressiver zurückfahren muss – um ein Überschiessen der Teuerung zu verhindern? Was wären die Konsequenzen, auch in Bezug auf den Bondmarkt?

Es ist heute in Zahlen relativ schwierig abzuschätzen, wie stark sich die Steuerreform über die kommenden Jahre auf das Wachstum der USA auswirken wird. In erster Linie dürften die Steuersenkungen einen positiven Einfluss auf die Investitionen von Firmen haben, die im binnenländischen Geschäft tätig sind, sowohl auf der Ertrags-, als auch auf der Kostenseite, etwa im Bau, Einzelhandel und im Gesundheitswesen.

Warum?

Diese Firmen hatten bisher einen relativ hohen effektiven Steuersatz. Die Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent – von bisher rund 35 Prozent – wird sich in deren Cashflows niederschlagen und diese werden inskünftig zur Verfügung stehen, um Investitionen zu tätigen. Aber die Investitionsquote, das heisst der Anteil der Investitionen an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage beträgt in den USA lediglich rund 15 Prozent.

«Im Zuge der US-Steuerreform werden die Staatsschulden aufgrund signifikanter Steuerausfälle massiv anschwellen»

Hingegen beträgt die Konsumquote etwa 70 Prozent. Die Auswirkungen auf diese viel wichtigere Nachfragekomponente ist wesentlich schwieriger abzuschätzen und ist eine weitaus komplexere Angelegenheit. Ein Überschiessen der Teuerung müsste folglich konsumgetrieben sein. Dem stehen wir jedoch eher skeptisch gegenüber.

US-Präsident Donald Trump hat sich in jüngster Zeit für einen starken Dollar ausgesprochen. Die aktuelle Tendenz sieht jedoch anders aus. Wie passen Zinserhöhungen in den USA bei einem gleichzeitig erstarkenden Euro zusammen?

In den vergangenen fünf Jahren bewegte sich der Dollar/Euro-Wechselkurs in einer Spanne von 1.05 bis 1.40. Was neben den unklaren, politischen Aussichten auf dem Dollar lastet, sind die nach wie vor herrschenden Zwillingsdefizite. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass im Zuge der geplanten Steuerreform, durch signifikante Steuerausfälle die Staatsschulden deutlich anschwellen werden.

Daneben ist gegenwärtig zu beobachten, dass die konjunkturellen Überraschungsmomente vor allem aus der Eurozone kommen und die Dynamik in den USA nachlässt. Die erwarteten Zinserhöhungen durch die Fed sind wohl im Markt schon vorweggenommen.

Wann wird die Europäische Zentralbank (EZB) die ersten Zinserhöhungen einleiten?

Wenn ich das genau wüsste, würde ich mich entsprechend positionieren. Das Hauptproblem, worunter die Eurozone immer noch leidet, ist keine erkennbare, durchgreifende Teuerungsbeschleunigung, was strukturell bedingt ist.

«Die SNB wird keinen Alleingang bei ihren Zinsentscheidungen wagen»

So verharrte die Kernteuerung auch im Dezember auf Jahresbasis gerechnet unverändert bei 0,9 Prozent. Ich gehe davon aus, dass die EZB zumindest bis Ende Jahr an ihrer Nullzinspolitik festhalten wird.

Wie unabhängig kann die Schweizerische Nationalbank (SNB) agieren?

Die SNB wird – insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Wechselkursbewegungen – keinen Alleingang bei ihren Zinsentscheidungen wagen. Somit bleibt hierzulande das negative Zinsumfeld leider auf absehbare bestehen.


Siegbert «Sigi» Böttinger ist Mitgründer der in Zürich ansässigen Firma Pilatus Partners und als Chief Investment Officer für die Fixed-Income-Strategie und deren Umsetzung verantwortlich. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz. Im Bereich Makro- und Bondresearch bringt er 30 Jahre Erfahrung mit und besitzt einen über 20-jährigen Leistungsausweis als Manager von Obligationenfonds.