Für Sigi Böttinger war 2022 ein Jahr, wie er es in diesem Ausmass noch nie erlebt hat. Selbst das oft zitierte 1994, das als Bondcrash-Jahr in die Geschichte eingegangen ist, müsse im Vergleich zu den Geschehnissen von 2022 als harmlos eingestuft werden. Für 2023 gibt sich der Obligationen-Spezialist zuversichtlich, zumal auch das Unternehmen, das er mitgegründet hat, ein stolzes Jubiläum feiert. 


Herr Böttinger, was feiert die Firma Pilatus Partners in diesem Jahr?

Vor exakt zehn Jahren wurde Pilatus Partners als Finanzboutique gegründet. Wir sind seither auf festverzinsliche Anlagen (Fixed Income) spezialisiert und unterstehen bereits seit 2014 direkt der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) als Verwalter von Kollektivvermögen nach Finig.

Mit unseren Lösungen in Form von Spezialmandaten oder Schweizer Effektenfonds sind wir ein etablierter Partner für Vermögensverwalter, Family Offices oder vermögende Privatkunden in der Schweiz sowie im deutschsprachigen Raum.

Unserem Grundsatz sich auf Fixed-Income-Lösungen zu spezialisieren, sind wir die vergangenen zehn Jahre treu geblieben, was unsere Kunden sehr zu schätzen wissen, vor allem, weil wir auch in stürmischen Zeiten jederzeit erreichbar sind.

Kürzlich hat Pilatus Partner einen Lipper Group Award verliehen bekommen. Wofür?

Der Lipper Award «Bond Small Company – Best Group over 3 Years» wird nur einem Asset Manager pro Land verliehen, welcher mindestens drei Fonds in der gleichen Assetklasse in drei verschiedenen Referenzwährungen verwaltet.

«Tatsächlich war 2022 ein Jahr, wie ich es in diesem Ausmass noch nie erlebt habe»

Unsere Bond-Lösung in Franken, Dollar und Euro, die aus drei verschiedenen Investmentvehikeln besteht, hat diese prominente Auszeichnung erhalten.

Haben Sie in Ihrer fast 35-jährigen Berufserfahrung ein Bond-Jahr wie 2022 schon erlebt?

Tatsächlich war 2022 ein Jahr, wie ich es in diesem Ausmass noch nie erlebt habe. Selbst das oft zitierte Jahr 1994, das als Bondcrash in die Geschichte eingegangen ist, muss im Vergleich zu den Geschehnissen von 2022 als harmlos eingestuft werden.

Warum?

Der grosse Unterschied von heute zu 1994 besteht darin, dass sich damals die Renditen noch im Bereich von 7 Prozent bis 8 Prozent bewegten, und die damals verbuchten Ertragsrückgänge aufgrund der Zinseszins-Effekte im Zeitablauf wieder schnell kompensiert wurden.

«Allerdings ist das nicht das Ende der Bondmärkte, sondern eher eine Phase der Wiederauferstehung»

Im vergangenen Jahr hingegen stiegen die Renditen – ausgehend von bereits sehr tiefen Niveaus – noch stärker an als 1994. So kletterten die Sätze für 10-jährige US-Treasuries von 1,5 Prozent auf knapp 3,9 Prozent, jene von deutschen Bundesanleihen von -0,18 Prozent auf 2,57 Prozent und die entsprechenden Sätze von Schweizer Eidgenossen von -0.14 Prozent auf 1,62 Prozent.
Hinzu kam als Doppelschlag, dass sich im gleichen Zeitraum auch noch die Risikoprämien bei Unternehmensanleihen in allen Sektoren und Ratingkategorien zum Teil signifikant ausweiteten.

Was hatte das für Folgen?

Beide Entwicklungen führten dazu, dass es bei Obligationenanlagen zu historisch beispiellosen Ertragseinbussen kam. Gemessen am breit gefassten «Bloomberg Aggregate Indices» verloren Anlagen in Dollar -13,01 Prozent und jene in Euro sogar -17,18 Prozent an Wert. Mit einem Verlust von -12.10 Prozent kam der Schweizer Bondmarkt noch glimpflich davon, wie sich dem Swiss Bond Index (SBI) AAA – BBB ablesen lässt.

Warum waren 2022 die Obligationen kein Puffer gegen die schlechte Performance der Aktien?

SB 2

Im vergangenen Jahr hat die 40/60-Strategie, das heisst 40 Prozent Bonds und 60 Prozent Aktien, tatsächlich versagt, indem bei beiden Assetklassen in etwa das gleiche Vermögen verloren ging. Auslöser dieser Entwicklungen waren die scharfen Zinsmassnahmen der Zentralbanken rund um den Globus zur Eindämmung der ausufernden Inflationsraten, was unweigerlich eine Bewertungskorrektur an den Märkten erforderte.

Allerdings ist das nicht das Ende der Bondmärkte, sondern eher eine Phase der Wiederauferstehung. Schon rein aus Portfolio-theoretischer Sicht ist «Fixed-Income» unerlässlich, um ein mit dem Kunden definiertes Risikoprofil einhalten zu können. Dazu kommen im institutionellen Bereich regulatorische Vorgaben zum Tragen, welche vor allem im Pensionskassenbereich Mindestquoten von Obligationen im Bereich von 30 Prozent und mehr zwingend vorschreiben.

Das Angebot an Exchange Traded Funds (ETF) steigt auch im Obligationenbereich stetig. Ist es sinnvoll nun passive Strategien zu implementieren?

Im vergangenen Jahr haben die breit gefassten Markt-Indizes historische Ertragseibussen erlitten. Werden passive Strategien darauf eingesetzt, widerspiegeln sich diese Verluste 1:1 im Portfolio.

«Zumindest am US-Markt hat sich inzwischen eine klare Kehrtwende vollzogen»

Natürlich existieren auch Lösungen für verschiedene Laufzeiten-Segmente und Sektoren, aber dazu braucht es eine klare Sicht bezüglich der Renditeerwartungen und der zyklischen Kreditprämien-Entwicklungen. Womit wir bereits wieder bei einer teil-aktiven Strategie landen.

Dazu kommt, dass weder eine Länder-, Sektor- noch Kreditpräferenz implementiert werden kann. Deshalb bin ich weiterhin der Meinung, dass sich insbesondere bei Bondportfolios ein aktiver Managementstil auf mittlere bis lange Sicht auszahlt.

Was hat sich seit der scharfen Korrektur an den Obligationenmärkten verändert?

Zumindest am US-Markt hat sich inzwischen eine klare Kehrtwende vollzogen, insbesondere wenn man das Verhältnis der Bondrenditen zu den Dividendenrenditen vergleicht. Inzwischen rentieren 2-jährige US-Staatspapiere mehr als 4,8 Prozent, während jene der 10-jährigen Papiere bei knapp 4 Prozent liegen. Gleichzeitig notiert die Dividendenrendite des S&P 500 lediglich 1,7 Prozent.

«Eine Normalisierung ist also nur eine Frage der Zeit und wird von den Marktkräften vollzogen»

Historisch gesehen betrug die Risikoprämie für Aktien zwischen 4 Prozent und 5 Prozent. Dies impliziert, dass je nach Anlagehorizont, Aktien 9 Prozent bis 10 Prozent pro Jahr «performen» sollten, um die einzugehenden Risiken zu kompensieren. Ob dies im gegenwärtigen Umfeld als realistisch erscheint, überlasse ich den Lesenden. Tatsache ist aber, dass Bonds als Assetklasse inzwischen eine klare Alternative zu Aktien darstellen.

Wie gestaltet sich die Zinskurve aktuell?

Die Zinskurven in den USA und Deutschland sind derzeit stark invers. Das heisst, die Laufzeiten-Prämien sind negativ, indem 10-jährige Staatspapiere weniger rentieren als die 2-jährigen Staatspapiere.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

SB 3

Ökonomisch macht das wenig Sinn. Bisher war eine inverse Zinsstrukturkurve in der Regel ein zuverlässiger Indikator für eine sich anbahnende Rezession in den nächsten 12 bis 18 Monaten. Tatsache ist aber auch, dass eine Inversion der Zinskurve kaum länger als 15 Monate Bestand hatte.

Eine Normalisierung ist also nur eine Frage der Zeit und wird von den Marktkräften vollzogen. Eine Normalisierung erfolgt in der Regel sowohl über das lange-, wie auch das kurze Ende der Zinskurve. Mit einem absehbaren Ende des Zinserhöhungs-Zyklus (was bis jetzt noch nicht der Fall ist) fallen die Renditen im kurzfristigen Bereich signifikant, während jene von langlaufenden Obligationen im Zuge aufhellender Konjunkturdynamik steigen sollten.

In diesem Fall sollte der Schwerpunkt der Investments im Bereich von zwei bis maximal fünf Jahren liegen. Wir sind gegenwärtig in den Portfolios taktisch eher am kurzen Ende dieses Zielbereichs positioniert.


Siegbert «Sigi» Böttinger ist Mitgründer der in Zürich ansässigen Firma Pilatus Partners und als Chief Investment Officer für die Fixed-Income-Strategie und deren Umsetzung verantwortlich. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz. Im Bereich Makro- und Bondresearch bringt er mehr als 35 Jahre Erfahrung mit und besitzt einen 30-jährigen Leistungsausweis als Manager von Obligationenfonds.