Aufgrund des schwierigen Umfelds suchen viele Anleger vermehrt Investmenthäuser, die sich auf eine «Asset-Klasse» konzentrieren, sagt der Obligationen-Spezialist Siegbert Böttinger im Interview mit finews.ch.


Herr Böttinger, die Tiefzinspolitik der Zentralbanken hat bisher nur bedingt die erhofften realwirtschaftlichen Effekte erzielt. Warum?

Die ultra-expansive Geldpolitik der Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften führte in den vergangenen Jahren dazu, dass sich die Zinsen in Richtung Null oder sogar unter Null bewegten. Gleichzeitig stieg die Geldbasis in den einzelnen Währungssegmenten im zweistelligen Bereich, während die nachfragerelevanten Geldmengenbestände M3 nur unterdurchschnittliche Wachstumsraten auswiesen.

Dadurch funktioniert der Transmissionsmechanismus nicht richtig, was wiederum erklärt, weshalb die geldpolitischen Aktionen in der Realwirtschaft bis jetzt nicht angekommen sind.

Ein weiteres Phänomen, das den Zentralbanken zu schaffen macht, sind die Inflationserwartungen.

Richtig. Trotz konjunktureller Erholung sind in den USA die 10-jährigen «Break-Even-Rates», also die marktbasierten Inflationserwartungen über die nächsten 10 Jahre, wieder auf 1,79 Prozent gesunken. Für Deutschland, immerhin die Konjunkturlokomotive in Euroland, beträgt der Wert 1,16 Prozent.

«In seiner Breite und Tiefe ist das Obligationen-Universum die interessanteste Anlageklasse»

Das heisst, über die nächsten zehn Jahre wird eine durchschnittliche Inflation von 1,16 Prozent pro Jahr erwartet. Das liegt signifikant unter dem Zielband der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent. Somit ist es nicht erstaunlich, dass wir für die Schweiz und Euroland über die nächsten zwölf Monate keine Zinsänderung erwarten müssen und für die USA nur noch eine.

Sie gelten in der Branche als einer der besten Obligationen-Spezialisten. Wie sind Sie auf dieses Fachgebiet gekommen?

Ich habe vor dreissig Jahren nach meinem Studium der Volkswirtschaftslehre im Economic Research einer Schweizer Grossbank erste Erfahrungen im Fixed-Income-Bereich gesammelt. Von einer Top-Down-Sichtweise sind festverzinsliche Anlagen eng mit dem Konjunkturzyklus verflochten.

In seiner Breite und Tiefe ist das Obligationen-Universum wohl die interessanteste und komplexeste Anlageklasse. Man wird täglich vor neue Herausforderungen gestellt, was die ganze Sache ungemein spannend macht. Es ist zudem von Vorteil, den direkten Zugang zu den Kunden zu haben, und umgekehrt schätzen es die Kunden sehr, das Asset Management unserer Firma persönlich kontaktieren zu können.

Lohnt es sich – angesichts der Negativzinsen – überhaupt noch, in «Bonds» zu investieren?

Wir konzentrieren uns auf den realen Ertragszuwachs. Bei einer nominellen Wertsteigerung von 4 Prozent und einer Inflationsrate von 5 Prozent wird dieses Ziel verfehlt. Das ist sozusagen eine Geld-Illusion. Trotzdem sind und bleiben die internationalen Bondmärkte eine der grössten Anlageklassen und könnten noch an Bedeutung gewinnen, angesichts der erhöhten Kapitalmarkdurchdringung in den aufstrebenden Volkswirtschaften.

«Eine passive Strategie macht aus meiner Sicht nicht allzu viel Sinn»

Dazu kommen regulatorische Anforderungen im institutionellen Bereich, die eine gewisse Mindestquote in Obligationenanlagen vorschreiben. Zu guter Letzt lässt sich das Risikoprofil eines Anlegers nur durch die Beimischung festverzinslicher Anlagen steuern. Kurz gesagt, Investments in Obligationen werden auch in Zukunft von grosser Bedeutung sein.

Wie begegnen Sie als aktiver Anleger dem scheinbar unaufhaltsamen Trend zum passiven Investieren?

Da muss man zwischen Aktien und Obligationen unterscheiden. Meiner Meinung nach kann ein Aktien-ETF durchaus Sinn machen. Man hat hier einen einfachen, effizienten und kostengünstigen Zugang um einen Markt oder Sektor abzudecken. Bei Obligationen sieht die Sache komplett anders aus. Eine passive Strategie macht aus meiner Sicht nicht allzu viel Sinn.

Warum?

Dies hängt hauptsächlich von den Indexstrukturen ab. Nehmen wir den Bloomberg Barclays EUR Aggregate Bond Index, der oft bei in Euro denominierten Portfolios als Benchmark dient. Er beinhaltet etwa zwei Drittel an europäischen Staatsanleihen und noch eine Gewichtung von 15 Prozent aus dem Finanzbereich.

«Mit passiven Investments auf den breit gefassten Swiss Bond Index kann man nur Geld verlieren»

Dieser Index hat eine Rendite auf Verfall von 0,5 Prozent und eine «Modified Duration» von 6,7 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit einem ETF auf diesen Index über die nächsten fünf Jahre positive Erträge erwirtschaftet werden, erscheint mir relativ gering.

Wie verhält es sich mit Staatsanleihen?

Der grosse Teil an Staatsanleihen mit der höchsten Bonität rentiert mit Restlaufzeiten von bis zu sieben Jahren negativ, oder der Anleger wird für seine Investments in den instabilen und hoch verschuldeten, peripheren Euro-Ländern für sein Risiko nicht kompensiert.

Noch extremer sieht es im schweizerischen Kapitalmarkt aus, wo man per Definition mit passiven Investments auf den breit gefassten Swiss Bond Index nur Geld verlieren kann.

Sie haben vor drei Jahren die Palette der «Pilatus Invest Income Bondfonds» lanciert. Welche Überlegungen führten damals dazu?

Im festverzinslichen Bereich besteht ein riesiger Anlagebedarf. Das trifft nicht nur auf institutionelle Kunden zu, sondern auch auf sehr vermögende Privatkunden. Erfahrungsgemäss halten sogenannte Key Clients einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens liquiditätsnah.

Früher, als Treuhandanlagen in Franken noch mit drei bis vier Prozent verzinst wurden und die Banken mit bonitätsmässigen Bestnoten ausgestattet waren, war das Parkieren von Kundengeldern auf diese Art einfach. Bekanntlich hat sich diese Situation aber um 180 Grad gewendet. Dies war ein Grund, eine eigene, unabhängige Vermögensverwaltungsfirma zu gründen, um so optimale Anlagelösungen anzubieten.

Ab welchem Mindestbetrag macht es Sinn, in Obligationen zu investieren?

Um ein Portfolio effizient und kostengünstig zu bewirtschaften, braucht es ein Mindestvolumen von 20 Millionen Franken, um dabei global und zum Teil auch auf währungsgesicherter Basis ausserhalb der Referenzwährung investieren zu können.

«Seit der Lancierung konnten wir das Volumen auf 400 Millionen Franken steigern»

Oftmals haben hier die Emissionen eine Mindeststückelung von 200’000 und mehr. Um einer genügenden Diversifikation Rechnung zu tragen, bedarf es eben einer minimalen Anlagesumme. Aus dieser Betrachtung ist die Bündelung der Anlagegelder über einen Fonds äusserst sinnvoll.

Als Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen sind wir direkt der Finma unterstellt und haben mit der Depotbank und der Fondleitung zwei weitere Kontrollinstanzen, die den Anlegerschutz im Fokus haben.

Wie haben sich Ihre Fonds über die vergangenen Jahre entwickelt?

Wenn man sich die absolute Performance der Fonds seit Anfang 2017 anschaut, so haben wir die zu Beginn des Jahres gestellten Erwartungen deutlich übertroffen. Aber auch seit der Lancierung der Fonds im Sommer 2014 haben die Erträge aller drei Vehikel die zugrunde liegenden Benchmarks signifikant übertroffen; und das mit weitgehend gleichen Risiken.

Wie geht es weiter?

Seit der Lancierung konnten wir das Anlagevolumen bereits auf 400 Millionen Franken steigern. Trotz des tiefen Renditeniveaus herrscht ein Anlagenotstand, was sich auch daran ablesen lässt, dass Neuemissionen in Euro oder in Dollar teilweise um das Zehn- bis sogar Zwanzigfache überzeichnet werden.

Daraus lässt sich unschwer folgern: Aufgrund des schwierigen Umfelds suchen viele Anleger noch vermehrt Investmenthäuser, die sich auf diese «Asset-Klasse» spezialisiert haben.

Welche Investoren sprechen Sie konkret an?

Grundsätzlich lassen sich unsere Fonds als Bausteine für die Abdeckung der Fixed-Income-Quote im Investment-Grade-Bereich in der entsprechenden Referenzwährung (Franken, Euro, Dollar) einsetzen.

Neben den Fonds betreuen wir auch Spezialmandate für institutionelle und private Kunden; dies im Rahmen vorgegebener Restriktionen und ab einem Gegenwert von 20 Millionen Franken.


Siegbert «Sigi» Böttinger ist Mitgründer der in Zürich ansässigen Firma Pilatus Partners und als Chief Investment Officer für die Fixed-Income-Strategie und deren Umsetzung verantwortlich. Er studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz. Im Bereich Makro- und Bondresearch bringt er 30 Jahre Erfahrung mit und besitzt einen über 20-jährigen Leistungsausweis als Manager von Obligationenfonds.