Seit der Rettungsaktion der Credit Suisse sind die Meinungen gemacht: Das Investmentbanking ist ein Minenfeld, die Vermögensverwaltung der neue Heilsbringer für das Swiss Banking. Doch diese Sicht verkennt die neuen Risiken in diesem Geschäft.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat der UBS Anfang Woche ein äusserst weitreichendes Zugeständnis gemacht. Die aus dem Zusammenschluss mit der Credit Suisse (CS) entstehende Megabank erhält ganze sieben Jahre Zeit, um die gestiegenen Kapitalanforderungen gemäss den Schweizer «Too-big-to-fail»-Regeln vollständig zu erfüllen.

Dies, während Parlamentarier jetzt schon einer Verdoppelung des harten Eigenkapitals fordern, oder gar ein Bilanz-Limit relativ zum Schweizer BIP.

Risikoprofil entlastet?

Bei der Finma erklärt man das grosszügig bemessene Eigenkapitalmoratorium wie folgt: Durch die Übernahme der CS entstünden der UBS erhebliche Zusatzkosten, weshalb eine «angemessene Übergangsfrist» zu härteren Anforderungen nötig sei. Gleichzeitig baue die UBS bei der CS auch Risiken ab; dies wiederum entlaste das Risikoprofil der kombinierten Grossbank.

Gemeint ist damit wohl das Versprechen der UBS, in der Bilanz die risikogewichteten Aktiven aus dem Investmentbanking von heute rund 30 auf noch 25 Prozent zu senken. Weniger Investmentbank, so der Gedanke hinter der Massnahme, ergibt weniger Risiko.

Die CS-Investmentbank traf keine Schuld

Das ist derzeit auch die gängige Sichtweise in der Schweiz: Die Ambition, im Investmentbanking mit den amerikanischen Wallstreet-Häusern zu konkurrieren, hat die Staatsrettung der UBS im Jahr 2008 nach sich gezogen und später mit Skandalen wie Archegos oder Mosambik den Niedergang der CS beschleunigt.

Das mag für den Blick zurück zutreffen. Doch für die Gegenwart ist Fakt: was die CS im vergangenen März kurz vor die Zahlungsunfähigkeit brachte, waren nicht etwa die Spekulationsverluste ihrer Investmenbank. Sondern die massive Fluchtbewegung von Superreichen, den Lieblingskunden des Private Banking. Im Gegensatz zu Retailkunden ist es dieser exklusiven Klientel nämlich möglich, innert Tagen Dutzende Millionen von einer Bank zur nächsten zu verschieben.

Vergangenen März waren vorab sie es, die bei der CS nochmals mehr als 100 Milliarden Franken an Vermögen abzogen.

Nicht sämtliche Bankrisiken ausgeräumt

Dass ein «Bank Run» von Milliardären eine Bank in schwere Bedrängnis bringen kann, darauf verweisen zwei Finanzexperten, die es wissen müssen. Der eine ist Axel Weber, ehemaliger Chef der deutschen Bundesbank und als früherer Präsident der UBS just der Mann, der den Rückbau des Investmentbanking und den Fokus auf die Vermögensverwaltung als Grossbanken-Strategie «erfunden hat».

An einem Anlass in Zürich erklärte Weber jüngst, mit der Übernahme der CS und dem Rückbau der Investmentbank seien nicht sämtliche Bankrisiken ausgeräumt. Vielmehr müsse sich die Schweiz darüber klar werden, dass auch der Fokus auf die Vermögensverwaltung Gefahren berge. Das muss zu denken geben: Die kombinierte UBS hat explizit vor, im Private Banking auf ein Kundengeld-Volumen von 5 Billionen Dollar und zum global zweitgrössten Wealth Manager hinter der US-Grossbank Morgan Stanley aufzurücken.

Vergangenes Wochenende liess dann Thomas Jordan, seines Zeichens Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), einige Besorgnis über die Vorgänge bei der CS erkennen.

SNB-Präsident möchte Kündigungsfristen

«Wir haben bei den Bankkrisen in den USA und auch bei der CS gesehen, dass die Geldabflüsse aus einer Bank heute viel extremer sein können als früher, sowohl was das Ausmass als auch was die Geschwindigkeit angeht», sagte Jordan zur «SonntagsZeitung» (Artikel bezahlpflichtig). Dies sollte auch bei der Überprüfung der «Too big to fail»-Regulierung berücksichtigt werden, befand der oberste Wächter über das Schweizer Finanzsystem.

Jordan schwebt eine Regelung vor, welche diese Geldabflüsse wenigstens temporär aufhalten soll. Ein wesentlicher Teil der Depositen bei Banken sollte künftig mit Kündigungsfristen versehen oder auf Termin gehalten werden, schlug der SNB-Präsident vor.

Sinnigerweise werden solche Sperren auch anderswo diskutiert: nämlich im Asset Management. Wie finews.ch unlängst berichtete, wittern Regulatoren im auch in der Schweiz rasant wachsenden Fondsgeschäft schon seit einigen Jahren neue Risiken. Am Schweizer Finanzmarkt entfallen mittlerweile rund 50 Prozent des Volumens auf den Nichtbankensektor (Nonbank Financial Institution, NBFI), an dem wiederum die Investment-Industrie einen gewichtigen Anteil hat.

Zwei Panikreaktionen in zwei Jahren

Vollends aufgeschreckt wurden die Aufseher, die im globalen Finanzstabilitätsrat (FSB) zusammenfinden, vom Corona-Crash im März 2020. Damals kam es zu massiven Abflüssen in grossen Anleihen-Fonds. Diese Rückzüge drohten sich in eine allgemeine Geldklemme auszuweiten und veranlassten die Notenbanken weltweit dazu, die Märkte mit Liquidität zu fluten.

Im September 2022 musste dann die Britische Zentralbank Bank of England nochmals notfallmässig Staatsanleihen des Königreichs kaufen, weil es bei den Papieren zu einem Preiscrash gekommen war. Dieser drohte wiederum britische Pensionskassen mit in den Strudel zu reissen, die stark in solche Titel investiert hatten.

Entsprechend ist das FSB bemüht, diesen beunruhigenden Liquiditätsengpässen zu begegnen. Zusammen mit der internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) wird der Finanzstabilitätsrat die Vorgaben zum Liquiditätsrisiko-Management bei offenen Fonds in diesem Jahr und 2024 überarbeiten. Denkbar ist auch hier, dass Vorkehrungen geschaffen werden, um Rückzüge aus Fonds zeitweilig einzuschränken und marktweiten Panikreaktionen vorzubeugen.

Schweizer Privatbanken streben nach neuer Grösse

Aufgrund dieser Arbeiten bei FSB und IOSCO wird sich die Frage stellen, ob die Änderungen der internationalen Standards anschliessend in der Schweizer Fondsregulierung nachvollzogen werden sollen – eine Frage, mit der sich dann das Parlament beschäftigen müsste.

Die Träume all jener, die als «Master of the Universe» im Wallstreet-Banking hatten mittun wollen, haben sich mit dem Untergang der CS definitiv in Luft aufgelöst. Doch in der Vermögensverwaltung schicken sich nicht nur die UBS, sondern auch etwa Julius Bär an, nochmals viel grösser zu werden. Auch wenn die Expansion in einem Bereich stattfindet, der weniger Kapital bindet und mit stetigeren Erträgen aufwarten kann, muss dennoch festgestellt werden: die Risiken wachsen mit.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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