Selbst Finanzprofis sind von dem rasanten Untergang der Credit Suisse überrascht worden. Dabei hätte es dafür lange vorher Warnzeichen gegeben, findet ein französischer Analyst selbstkritisch. Nun hat er eine Checkliste für drohende Bankenpleiten entworfen.

Gut möglich, dass am Schweizer Finanzplatz noch nie jemand von Jérémie Boudinet gehört hat. Das wird der Anleihenexperte bei der Finanzboutique La Française Asset Management mit Sitz in Paris aber wohl niemandem nachtragen. Er selber bezeichnet seine Zunft in einem aktuellen Beitrag als «Spinner» und Leute, die sich gerne «hinter ihrem Fachchinesisch verstecken».

«Bankanalysten sind nur Meteorologen»

Noch mehr: Bankanalysten seien nur Meteorologen, die nie wirklich vorhersagen könnten, wie, wann oder warum eine Bank sterben könnte, so der selbstkritische Befund des Spezialisten.

Allerdings, gibt Boudinet zu Bedenken, gingen Grossbanken im Gegensatz zu Nicht-Finanzunternehmen auch nicht wirklich pleite. «Sie sind wirtschaftlich zu relevant und zu anfällig für Ansteckungsrisiken, um wirklich in Konkurs zu gehen», urteilt der Finanzprofi, der seit 14 Jahren für diverse französische Finanzinstitute tätig gewesen ist.

Geordnetes Sterben

Banken, schreibt Boudinet, würden stattdessen abgewickelt, unter Aufsicht der Zentralbank gestellt, verstaatlicht oder zu einem symbolischen Preis an eine andere Bank verkauft. Es gebe zahlreiche Gesetze und Regularien, die das geordnete Sterben von Banken regeln. Diese würden jedoch oft umgangen. Oder die Gesetze wurden über Nacht geändert, um den Regulierungsbehörden entgegenzukommen: «Wie zum Beispiel bei der Credit Suisse (CS).»

Tatsächlich sieht der Franzose die Notrettung der Schweizer Grossbank im vergangenen März als eine Lehrstück für die Unberechenbarkeit von Bankenpleiten. Denn einige Wochen vor dem endgültigen Zusammenbruch des Instituts seien die Solvabilitäts- und Liquiditätskennzahlen noch solide gewesen. Die UBS habe dann die Bank gekauft, und obwohl die Aktionäre der CS stark geschädigt worden seien, sei es ihnen etwas besser ergangen als den Inhabern von Pflichtwandelanleihen (AT1-Bonds), die aufgrund einer Gesetzesänderung, die einen Tag vor der aufsichtsrechtlichen Entscheidung verabschiedet wurde, alles verloren hätten.

In erster Linie politische Entscheidungen

Das Fazit des Experten: «Bankpleiten ähneln sich nie, und zwar aus einem Grund, der von Analysten und Investoren immer unterschätzt wurde: Es handelt sich in erster Linie um politische Entscheidungen, die auf die Erhaltung der Finanzstabilität abzielen.»

Dennoch glaubt Boudinet, so etwas wie einen Leitfaden der Vorzeichen gefunden zu haben, mit dem sich Anleger schützen können (siehe Grafik unten). Grundsätzlich stellt er fest: «Banken sterben immer aufgrund von Bank-Runs und nicht aufgrund von Solvenz- oder Profitabilitätsproblemen.»

grafik pleite 500

Blick über den Tellerrand zwingend

Doch auf dem Weg dorthin würden Banken bereits mit schwacher Profitabilität und Risiken bei den Vermögenswerten, ausserdem mit Kontroversen und rechtlichen Problemen und schliesslich mit Solvenzproblemen auf sich aufmerksam machen. Darauf könne dann die Einlagenflucht und das Ende eines Geldhauses folgen, erklärt der Analyst.

All dies, lässt sich hierzu anfügen, liess sich auch bei der CS beobachten.

Investoren und Beobachter könnten sich auf bei der Beurteilung der Gesundheit von Banken aber nicht allein auf Kennzahlen und Quartalserlgebinisse verlassen, gibt Boudinet weiter zu bedenken. Es brauche stattdessen eine Gesamtperspektive. «Der Blick über den Tellerrand der Finanzkennzahlen hinaus ist notwendiger denn je, denn Einlagenflucht entsteht aus dem Misstrauen, das sich wiederum aus der Unternehmensführung ergibt.»

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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